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Die Arbeitszeiten werden immer flexibler - mit Vorteilen und Risiken.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Arbeitszeitreport: Jeder Achte von Arbeitspensum überfordert

In Deutschland arbeiten Vollzeitbeschäftigte pro Woche im Schnitt fünf Stunden mehr als vertraglich vorgesehen. Ein Grund sind flexible Zeiten ohne feste Regelungen.

In Deutschland arbeiten Vollzeitbeschäftigte im Schnitt 43,5 Stunden pro Woche. Das sind fünf Stunden mehr als als vertraglich vorgesehen. Wie aus dem Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hervorgeht, sind besonders Mitarbeiter in der Industrie und im Handwerk von der Mehrarbeit betroffen – was unter anderem mit der nur wenig verbreiteten Teilzeitarbeit zu erklären ist. Mehr als die Hälfte wünscht sich, weniger Zeit bei der Arbeit zu verbringen.

Die Ursachen für Überstunden lägen nach Angaben der 20000 befragten Beschäftigten auf Seiten der Betriebe: Entweder sei das Pensum so hoch, dass es in der eigentlichen Zeit nicht zu schaffen sei, oder es gebe zu wenig Personal. Folglich müssten die Mitarbeiter abends länger bleiben. Knapp die Hälfte klagt über häufigen Termin- und Leistungsdruck.

Müdigkeit, Schmerzen und Schlafstörungen

Mit zunehmender Länge der Arbeitszeit sinkt der Anteil der Mitarbeiter, die mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden sind – und es steigt der Anteil derer mit gesundheitlichen Problemen. Die Mehrheit der Befragten klage oft über Müdigkeit, Rücken- und Kreuzschmerzen. 40 Prozent berichten von körperlicher Erschöpfung, ein Drittel von Schlafstörungen. Immerhin arbeiten die Menschen selbst nachts noch. Das häufigste Thema in den Träumen der Deutschen ist einer repräsentativen Studie zufolge ihre Arbeit (34 Prozent). Darauf folgen Reisen (27 Prozent) und Verstorbene (22 Prozent).

Was die Mitarbeiter noch belastet, sind Arbeitszeiten außerhalb des gängigen Rahmens. 43 Prozent der Beschäftigten müssten mindestens einmal monatlich am Wochenende arbeiten. Fast jeder Fünfte berichtete, dass von ihnen erwartet wird, auch in seiner Freizeit erreichbar zu sein. Zwölf Prozent würden von Vorgesetzten oder Kollegen häufig, 23 Prozent manchmal kontaktiert. Privat- und Arbeitsleben werden somit immer mehr entgrenzt. Besonders betroffen sind Führungskräfte.

Verfestigter Trend zur Arbeitsverdichtung

Was die Zufriedenheit erhöht, ist eine Mitsprache bei den Arbeitszeiten und eine bewusste flexiblere Gestaltung. Etwa vier von zehn Beschäftigten hätten einen großen Einfluss darauf, wann sie mit ihrer Arbeit beginnen und enden (38 Prozent) oder wann sie ein paar Stunden freinehmen (44 Prozent). Die Mehrheit nicht. Allerdings erlebt mehr als jeder siebte Beschäftigte spontane Änderungen der Arbeitszeit wegen „betrieblicher Erfordernisse“ – was oft unvorhergesehen am Vortag oder gleichen Tag angekündigt werde. Ebenso viele müssten auf Abruf bereit stehen.

Mit Blick auf die Arbeitszeitdebatte bestätigt die Studie: Beschäftigte mit hohen Flexibilitätsanforderungen, wie der Rufbereitschaft oder E-Mail am Wochenende, schätzten ihr persönliches Befinden tendenziell schlechter ein. Umgekehrt zeigt sich, dass sich Einflussmöglichkeiten positiv auf die Zufriedenheit auswirken. Ein Sprecher der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände kommentierte: „Wir können nicht mit starren Arbeitszeitregeln aus der Ära der Industrialisierung die Digitalisierung gestalten“. Die Wirtschaft bräuchte noch mehr Flexibilität für die Betriebe und für Arbeitnehmer, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren müssten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund plädierte am Montag gleichzeitig dafür, die Arbeitszeit wirksam zu begrenzen und Erholungszeiten ausreichend einzuhalten. „Der verfestigte Trend zu langen, atypischen und fremdbestimmten Arbeitszeiten sowie zu hoher Arbeitsverdichtung ist gefährlich, weil damit die Gefahr steigt, dass Arbeit krank macht“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Von einer selbstbestimmten ‚New Work‘ seien die meisten Betriebe noch weit entfernt. Immerhin fühl sich nach dem Report fast jeder achte Angestellte von seiner Arbeit überfordert.

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