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Weißt Du, wie das funktioniert? Kommunizieren ist in Zeiten von Corona das A und O.

© C. Klose/dpa

Arbeitswelt in der Coronakrise: Schön, dass Du anrufst!

Nach vier Wochen Homeoffice: Warum das Arbeiten zu Hause jetzt für viele noch stressiger wird, telefonieren gut tut und Chefs sich mehr um das Wohl ihrer Mitarbeiter kümmern sollten.

Von heute auf morgen bekamen die Mitarbeiter den Firmenlaptop unter den Arm gedrückt und wurden ins Homeoffice geschickt. „Faszinierend, wie schnell das ging, alle 230 Mitarbeiter dafür auszurüsten“, sagt Jens Kramer, der Gründer und Geschäftsführer der Berliner IT-Beratung Promos. Um es ihnen möglichst einfach zu machen, mussten sie keine neuen Tools oder Programme installieren und konnten einfach weiterarbeiten wie bisher. Der Start der Kernarbeitszeit wurde von 9 auf 10 Uhr verschoben. „Es ging erst einmal darum, alle arbeitsfähig zu halten – und möglichst wenig Stress zu verursachen“, sagt Kramer.

Vor etwa vier Wochen ging es für die meisten Berliner Beschäftigten los mit dem Homeoffice. Inzwischen haben sie sich mehr oder weniger an die neuen Arbeitsbedingungen gewöhnt, wissen, wie sie sich mit ihren Kollegen organisieren, wer im Unternehmen für welches Problem Ansprechpartner ist. Doch jetzt kommt langsam zum Vorschein, was in der allgemeinen Umtriebigkeit des „Arbeitsfähigbleibens“ im Hintergrund blieb. „Was macht das mit den Menschen, wenn sie wochenlang zu Hause arbeiten?“, fragt sich Kramer.

Im September hat das Wissenschaftliche Institut der AOK-Krankenkassen die Ergebnisse eine Befragung von 2000 Beschäftigten zum Thema Homeoffice veröffentlicht: Fast 75 Prozent der Befragten, die häufig im Homeoffice arbeiten, fühlten sich demnach im vergangenen Jahr erschöpft, knapp 70 Prozent klagten über Wut, Nervosität und Reizbarkeit. Von den Arbeitnehmern im Büro waren es nur rund die Hälfte. Auch Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Konzentrationsprobleme und Selbstzweifel kamen in der Gruppe der im Homeoffice Arbeitenden deutlich häufiger vor. Hauptproblem sei die Entgrenzung der Arbeit, dass Verschwinden der Trennlinie zwischen Beruflichem und Privatem, erklärten die Wissenschaftler. Jeder fünfte Befragte berichtete über Anrufe oder E-Mails des Chefs außerhalb der Arbeitszeiten. Bei Mitarbeitern, die täglich in die Firma gingen, waren es knapp sechs Prozent.

Einzelarbeit kann gesundheitsgefährdend sein

„Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ist ein Tag Homeoffice in der Woche gesund, mehr an Einzelarbeit aber nicht empfehlenswert“, sagt die Berliner Wirtschaftspsychologin (B.A.) Tanja Queckenstedt. Diese Empfehlung gilt allerdings für Homeoffice in gewöhnlichen Zeiten, in denen sich die Mitarbeiter in der Regel freiwillig dafür entschieden haben. Die Situation heute sei eine ganz andere: Gezwungenermaßen befänden sich die Beschäftigten in einer ganz neuen Arbeitssituation, in der eine hohe Flexibilität und Selbstorganisation gefragt sei. Stärker als im Büro seien die Heimarbeiter mit sich selbst konfrontiert, mit ihren Unsicherheiten, ihren allgegenwärtigen Ängsten und der Befürchtung, vielleicht bald den Arbeitsplatz zu verlieren. „Auch das fördert Stress, Erschöpfung und Schlaflosigkeit“, sagt Queckenstedt.

Bei der IT-Beratung Promos gibt es durchaus den einen oder anderen Mitarbeiter, der nicht gerne, mittlerweile ja seit Wochen, allein zu Hause vor dem Laptop sitzt, ohne Nähe zu den Kollegen, ohne Feedback und kleine kollegiale Aufheiterungen, der oder die sich beginnt, unwohl oder einsam zu fühlen, sagt Geschäftsführer Kramer.

Queckenstedt rät: „Alles, was Kollegen in gewöhnlichen Zeiten am Arbeitsplatz teilen, sollten sie auch jetzt teilen, nur eben virtuell, vom gemeinsamen Lunchbreak über Brainstorming Sessions bis zum Bierumtrunk nach Feierabend.“ Offenbar gebe es eine Hemmschwelle, Kollegen, die man früher am Arbeitsplatz besucht habe, im Homeoffice anzurufen. „Was spricht dagegen?“, fragt sie.

„Nutzt Videotelefonie“, rät Jens Kramer. Er selbst greift darauf zurück, wann immer er es einrichten kann. „Durch das Gesicht, die Mimik und Gestik entsteht mehr Nähe als bei gewöhnlichen Telefonaten“, findet er. Wichtig sei auch, nach den ersten Wochen nun zu gucken, wie es den Mitarbeitern mit der Situation gehe und wie man sie unterstützen könne. Er denkt darüber nach, wie allein lebende Beschäftigte mehr in Alltagsstrukturen eingebunden werden können. Durch häufigere, regelmäßige Meetings mit Kollegen etwa, die sich virtuell zum Arbeiten oder Pause machen verabreden. Das würde vielleicht auch anderen entgegenkommen, die sich einsam fühlen. Die Personalabteilung arbeite an entsprechenden Maßnahmen.

Die schlechteste Alternative ist das Schlafzimmer

Um Erholung und Arbeit klar zu trennen, sei ein Büro in der Wohnung ideal, sagt Tanja Queckenstedt. Das Schlafzimmer dafür umzufunktionieren, hält sie für die schlechteste Alternative: Damit werde das Schlafen und Arbeiten verknüpft, was zu unruhigem Schlaf oder sogar Schlafstörungen führen könne.

Auch die Wirtschaftspsychologin rät zu festen Strukturen. „Schaffen sie sich ein entsprechendes Mindset“, sagt sie. Heißt: Wenn man plant, von 9 bis 17 Uhr zu arbeiten, sollte man nicht um 7 Uhr loslegen oder nach 17 Uhr weiterarbeiten. „Es ist wichtig, sich selbst zu disziplinieren.“ Außerhalb des gesetzten Arbeitstages Termine für Telefonate zu vereinbaren, sollte die Ausnahme bleiben, sonst komme die Struktur abhanden. Um besser abschalten zu können, seien Rituale gut: „Den Laptop zuklappen, das Fenster öffnen, als Signal dafür, dass das Arbeiten jetzt vorbei ist.“ Nach der Arbeit solle man bei Privatem bleiben, nicht über den Job reden, spazieren gehen, Gesundes kochen, sich Gutes tun, das gäbe Kraft und Energie.

Was, wenn das Arbeiten im Homeoffice nicht klappt, man sich schlecht dabei fühlt und sein Pensum nicht schafft? „Überlegen Sie, was Sie brauchen, um in dieser Situation Sicherheit zu gewinnen“, sagt Queckenstedt. Außerdem rät sie, das Problem nicht zu verdrängen, sondern mit Vertrauten, Kollegen oder der Führungskraft darüber zu sprechen: „Manchmal helfen schon kleine individuelle Lösungen, den Stress zu reduzieren.“

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