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Im Kasten. Eine Frau demonstriert mit einer Chipkarte ein modernes Verfahren zur Arbeitszeiterfassung.

© PCS Systemtechnik/dpa

Arbeitsrecht: Immer wieder Mehrarbeit

Wie viele Überstunden erlaubt sind und wie Arbeitszeiten dokumentiert werden sollten, erklärt DGB-Arbeitsrechtlerin Marta Böning.

Unser Leser fragt: In unserem Betrieb gibt es laut Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche. Faktisch aber erwartet die Geschäftsführung, dass wir auch am Feierabend zügig auf Telefonate oder E-Mails reagieren. Das alles passiert ohne jegliche Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Müssen wir das hinnehmen?

Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) antwortet: Sie sind grundsätzlich nur dazu verpflichtet, Ihre Arbeitsleistung in dem in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitumfang, also in 40 Stunden in der Woche, zu erbringen. Erledigen Sie von zu Hause aus Telefonate oder E-Mails, ist das Arbeitszeit. Ich unterstelle, dass es weder in Ihrem Vertrag noch im Betrieb Regeln zu Überstunden gibt. Das Recht des Arbeitgebers, von Ihnen einseitig und über Ihre Verpflichtung hinaus Arbeit einzufordern, ist dann auf Notfälle begrenzt. Überstunden müssen grundsätzlich vergütet oder, mit ihrer Zustimmung, als Freizeitausgleich gewährt werden.

Die Unkultur der „Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit" verstößt zudem gegen das Arbeitszeitgesetz: Bis zu zehn Stunden Arbeitszeit am Tag und 48 Stunden in der Woche sind erlaubt, eine tägliche, ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zwischen den Arbeitstagen und eine wöchentliche Ruhezeit von 24 Stunden sind Pflicht. Ausnahmen gelten für einige Branchen. Auch über Tarifverträge sind Abweichungen möglich.

Der Europäische Gerichtshof fordert die Aufzeichnung

Zur Arbeitszeiterfassung: Die gesetzliche Regelung schreibt die generelle Erfassung von Arbeitszeiten, die über acht Stunden am Tag hinausgehen, vor. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof im Mai 2019 entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet werden müssen, die gesamte tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten mithilfe eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ zu erfassen. Das gilt auch für Arbeitgeber in Deutschland. Auch wenn es (noch) keine ausdrückliche Regelung im Gesetz gibt, bedeutet dies keinen Freibrief für Arbeitgeber, die Arbeitszeiten nicht oder unvollständig zu erfassen. Denn die Umsetzung der Vorgaben des EuGH-Urteils obliegt nicht nur dem Gesetzgeber, sondern auch Arbeitsgerichten, falls sie einen solchen Rechtsstreit zu entscheiden hätten.

Gibt es bei Ihnen einen Betriebsrat, ist dieser an der Einführung und Ausgestaltung der Zeiterfassung zu beteiligen und kann das Einführen der Arbeitszeiterfassung initiieren. Falls sich der Arbeitgeber der Zeiterfassung verweigert, lassen Sie und Ihrer Betriebsrat sich über die weiteren Schritte rechtlich beraten – gerne bei Ihrer Gewerkschaft.

– Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns: E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

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