zum Hauptinhalt
Vorstellung per Video. Nervöses Fingerkneten zeichnet die Kamera auf - und ist für Personalentscheider immer wieder abrufbar.

© Kitty Kleist-Heinrich

Arbeitsrecht: Ein Video vom Bewerber

Sind Interviews per Skype erlaubt? Das erklärt die Berliner Arbeitsrechtlerin Anja Mengel.

Unsere Leserin fragt: Ich verantworte in unserem Unternehmen die Bewerbungen und führe häufig Videotelefonate per Skype, bevor ich die Kandidaten aus ganz Europa nach Berlin einlade. Kommen sie auch für andere Positionen in Frage, heben wir die Clips auf, um bei späteren Stellenausschreibungen darauf zurückzugreifen. Jetzt habe ich gelesen, dass sich da rechtlich etwas geändert hat und man nicht mehr ohne Weiteres solche Video-Vorstellungsgespräche führen darf. Stimmt das?

Die Arbeitsrechtlerin Anja Mengel antwortet: Nein, die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche per Skype geführten Video- oder Telefoninterviews haben sich nicht geändert. Es ist aber aufgrund neuerer Stellungnahmen der Landesdatenschutzbeauftragten Nordrheinwestfalens und Berlins eine Debatte unter Datenschutzexperten aufgekommen, ob die Video-Interviews zulässig sind und wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Nach einer sehr restriktiven Ansicht sind Video-Interviews unzulässig, wenn der Kandidat nur mit einem Bewerberprogramm kommuniziert und ein Bewerbervideo aufgezeichnet wird. Dies sei ein unnötig intensiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, weil das Video mehrfach angesehen und Mimik und Gestik genauer studiert werden könnten als die „flüchtigen“ Eindrücke bei einem üblichen Bewerbergespräch. Das klassische Vorstellungsgespräch sei ausreichend und eine Aufzeichnung unzulässig. Diese restriktive Sicht spricht auch gegen ein Skype-Interview, das zwar von einem Arbeitgebervertreter „live“ geführt, aber zum späteren Abspielen aufgezeichnet wird. Nach dieser Sicht soll auch die Einwilligung eines Bewerbers in diese Datenspeicherung nicht zulässig sein, weil in der Drucksituation einer Bewerbung, wie allgemein im Arbeitsverhältnis, keine zulässige (freie) Einwilligung denkbar sei.

Personalentscheider sehen mehr

Beides ist falsch, denn erstens ist auch für das Arbeitsverhältnis die Datenerhebung aufgrund individueller Einwilligung anerkannt. Ausdrücklich wird dies ab Mai 2018 sogar im neuen Bundesdatenschutzgesetz stehen. Zweitens kann die Aufzeichnung eines Interviews für den Arbeitgeber eine bessere Auswahl ermöglichen. Sie stellt für ihn einen Mehrwert dar. Und dieser überwiegt die eher geringen Schutzinteressen der Bewerber, nicht „studiert“ zu werden.

In der Praxis ist aber für eine zulässige Aufnahme und Speicherung noch auf Einzelheiten zu achten, etwa auf eine schriftliche Einwilligung der Bewerber, zu der diese belehrt werden, dass sie ihre Einwilligung widerrufen können. Außerdem ist das Video gesetzesmäßig zu speichern und nach einer bestimmten Zeit endgültig zu löschen. Zudem ist Unternehmern in Deutschland bis auf Weiteres zu empfehlen, für das Abspeichern nur Server und Cloud-Kapazitäten zu nutzen, die im EU-Raum liegen.

– Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns: E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false