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Olaf Scholz,, hier bei der Vorstellung der Steuerschätzung Ende Oktober, will den Arbeitgebern nicht nach dem Mund reden.

© dpa

Ansage beim Arbeitgebertag: Die Stille nach Scholz' Sätzen ist ohrenbetäubend

Steuersenkungen? Der Finanzminister sagt vor den Arbeitgebern, was diese nicht hören wollen; Altmaier widerspricht. In einem Punkt aber ist die Regierung einig.

Viel schwammiger kann man eine Absichtserklärung kaum formulieren. Über Themen wie die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Familienbetrieben und Kapitalgesellschaften nachzudenken, sei immer gut, sagte Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Das werde er auch machen. Und dann wurde er aber doch konkret. Jedoch nicht so, wie seine Zuhörer es sich gewünscht hätten.

Steuersatzsenkungen werde es nicht geben, sagte er vor den Unternehmern und Funktionären, die seit langem für eine geringere Belastung werben. Das sei die falsche Botschaft, wenn er an den Zusammenhalt der Gesellschaft denke. Einen internationalen Steuersenkungswettbewerb werde er nicht mitmachen. Um öffentliche Aufgaben finanzieren zu können, müsse schließlich jemand die Steuern zahlen. „Meistens die, die es besonders gut können.“ Der ausbleibende Applaus nach diesen Sätzen war ohrenbetäubend.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in ihrer Rede ein paar Stunden zuvor „Handlungsbedarf“ bei den Unternehmenssteuern gesehen, sich dann aber elegant aus der Affäre gezogen, indem sie auf Scholz’ späteren Auftritt verwies. „Da könnten Sie vielleicht heute mit dem Finanzminister noch mal darüber sprechen“, sagte die Kanzlerin. „Vielleicht könnte man einige Elemente wenigstens noch mal ins Auge fassen.“

Ist ein Konjunkturpaket nötig?

Einig war Merkel sich mit ihrem Vizekanzler in der Ablehnung „hektischer Maßnahmen“, wie sie es nannte, um die schwächelnde Konjunktur zu stützen. Damit meinte sie eine Lockerung der Schuldenbremse oder ein Konjunkturpaket. Die Bundesregierung wolle an ihrer soliden Haushaltspolitik festhalten, sagte Merkel. Die Sozialausgaben sollten unter der Marke von 40 Prozent gehalten werden. Es gehe darum, Wachstumskräfte zu stärken. Sie nahm die Firmenchefs in die Pflicht; auch die Unternehmen seien gefordert, den riesigen Wandel durch die Digitalisierung zu bewerkstelligen.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer – am Tag zuvor in seinem Amt bestätigt – hatte sich wohl andere Reaktionen auf seine Eröffnungsrede erhofft. „Der Wind bläst uns gerade mit voller Wucht ins Gesicht“, hatte er gesagt. Es gehe darum, Deutschland wetterfest zu machen. Konkret schlug Kramer ein „Belastungsmoratorium“ vor. Der Koalitionsvertrag gehöre auf den Prüfstand, alle noch geplanten Belastungen von Unternehmen müssten auf den Prüfstand. Außerdem müssten Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Infrastruktur schneller werden. „Die See wird rauer“, führte Kramer seine Nautik-Metapher fort.

Auf diese Krisenrhetorik wollten sich aber weder Merkel noch Scholz einlassen. Und tatsächlich wurde am Dienstag eine Studie veröffentlicht, die deren Sichtweise stützt. So stieg der Konjunkturindikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im November um 20,7 Punkte auf minus 2,1 Zähler, wie das Institut mitteilte. Volkswirte wurden vom Ausmaß der Verbesserung überrascht. Nach Einschätzung von Ökonomen könnte die Wirtschaft sogar die Talsohle durchschritten haben. Noch im August war der Indexwert auf minus 44,1 Punkte gefallen – der tiefste Stand seit Ende 2011. Sowohl die Wirtschaftsweisen als auch die Bundesregierung hatten zuletzt ebenfalls ihre Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft deutlich gesenkt.

Neue Behörde für Visa für Fachkräfte

Auf dem Arbeitgebertag ging es um die längerfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Deutschland brauche eine Bildungsoffensive, forderte Kramer. Merkel kündigte ihrerseits einen Gipfel zur Einwanderung von Arbeitskräften im Dezember an, um den Fachkräftemangel zu beheben. Dabei will die Bundesregierung zusammen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften besprechen, wie das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz schnell wirken kann, wie Merkel sagte. Das Gesetz sei eine „gute Sache“, müsse nun aber auch funktionieren.

Bei der Fachkräfteeinwanderung sollten die Außenhandelskammern und das Auswärtige Amt zusammenarbeiten. Die Kammern seien für die beruffachliche Eignung zuständig, das Auswärtige Amt für die Visaerteilung. Das Auswärtige Amt werde dazu eine neue Behörde gründen, kündigte Merkel an.

Den einfachsten Stand auf dem alljährlichen Treffen der Arbeitgeber hatte wohl Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Und das nicht nur, weil es sein erster öffentlicher Auftritt nach seinem Bühnensturz vor zwei Wochen in Dortmund war. Der CDU-Politiker hatte zuletzt lautstark eine Senkung der Unternehmenssteuer gefordert und eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Auch hier steht seine Forderung gegen die Vorlage von Scholz, wonach Unternehmen weiterhin die Soli-Abgabe zahlen müssen.

Zumindest an einer Stelle aber habe der Finanzminister ihm aber Entlastungen zugesagt, so Altmaier; nämlich bei thesaurierten Gewinnen, also den Profiten, die im Unternehmen verbleiben. „Mir geht alles zu zäh“, sprach Altmaier den Unternehmern aus der Seele. Fristen bei der Aufbewahrung von Steuerunterlagen müssten verkürzt und Aufzeichnungs- und Berichtspflichten beim Mindestlohn verringert werden. Der Applaus war ihm sicher.

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