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Zu weiteren Schritten bereit: Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed.

© AFP

Angst vor der Rezession: Fed bereit zu "aggressiver" Geldpolitik

Fed-Chef Powell ist zu weiteren Zinssenkungen und noch weitergehenden Maßnahmen bereit. Droht der Welt eine Rezession? Welche Fakten dafür und welche dagegen sprechen.

Von Andreas Oswald

Angesichts negativer Folgen des Zollkonflikts und der mauen Weltwirtschaft signalisiert die US-Notenbank Fed Bereitschaft zu einer weiteren Zinssenkung. Die Zentralbank werde "angemessen handeln", um das Wachstum zu stützen, sagte Fed-Chef Jerome Powell laut Reuters am Dienstag auf einer Wirtschaftskonferenz in Denver.

Mit ähnlichen Formulierungen hatte er die Märkte bereits auf die beiden Zinssenkungen in diesem Jahr eingestimmt. Er betonte zugleich, die Fed lege sich niemals vorab auf einen Kurs fest und entscheide nach Datenlage "von Sitzung zu Sitzung". Experten rechnen damit, dass die Fed Ende Oktober den dritten geldpolitischen Schritt nach unten in diesem Jahr folgen lassen wird.

Die Fed, die Vollbeschäftigung und stabile Preise fördern soll, hat zuletzt im September den Leitzins auf die Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent heruntergesetzt.

Powell signalisierte nun auch, dass die Fed ihre Bilanz wieder ausweiten und bald Maßnahmen beschließen wird, um dem Geldmarkt Impulse zu verleihen. Falls nötig, werde sie ihren geldpolitischen Werkzeugkasten "aggressiv nutzen". Sein Stellvertreter Richard Clarida hatte bereits angekündigt, dass das Thema Bilanzausweitung im Oktober zur Sprache kommen werde.

Was für eine Rezession spricht

Droht der Welt eine Rezession? Der Chef des Fed-Bezirks Chicago, Charles Evans, sieht sich laut Reuters durch die eingetrübten Wirtschaftsaussichten in der Einschätzung bestätigt, dass die Fed richtigerweise auf einen eher konjunkturstimulierenden Kurs umgeschwenkt sei: "Ich denke, die Abwärtsrisiken überwiegen."

Nach einem weltweiten Wachstum von 3,8 Prozent im Jahr 2017 sagt die OECD für dieses Jahr ein Wachstum von lediglich 2,9 Prozent voraus. Das würde noch keine Rezession bedeuten, die Frage ist, was im nächsten Jahr passieren wird.

Zudem ist die Entwicklung in verschiedenen Branchen und Weltregionen unterschiedlich. In Europa leidet vor allem die Industrie, angeführt von Deutschland, wo die Industrieproduktion auf Jahressicht um 2 Prozent gefallen ist.

Im August dagegen, das zeigen jüngste Zahlen, stellten Industrie, Bau und Energieversorger überraschend 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes mitteilte.

Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank sieht diese Produktionsdaten wegen der anhaltenden Auftragsflaute der Industrie laut Reuters eher als "Strohfeuer". Bereits die Industrieproduktion für den September dürfte nach seiner Prognose wieder ein negatives Vorzeichen ausweisen: "Damit wird dann per saldo das Bruttoinlandsprodukt auch im dritten Quartal zumindest leicht geschrumpft sein." Käme es so, würde die deutsche Wirtschaft in eine sogenannte technische Rezession abgleiten - also zwei Quartale in Folge mit schrumpfender Wirtschaftsleistung.

Auch Ökonom Marco Wagner von der Commerzbank blickt mit Skepsis auf den Wirtschaftssektor: "Zwar ist die Produktion in der deutschen Industrie im August leicht gestiegen. Der generelle Abwärtstrend dürfte sich aber fortsetzen. Die zuletzt deutlich gefallenen Einkaufsmanagerindizes und Ifo-Erwartungen machen keine Hoffnung auf eine baldige Wende zum Besseren, zumal auch die Weltwirtschaft weiterhin schwächelt."

Angesichts der schwächelnden Konjunktur in Deutschland hat die neue Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, die Bundesregierung zu deutlich verstärkten staatlichen Investitionen aufgerufen. Staaten wie Deutschland mit Spielräumen in ihren Haushalten sollten mittels "fiskalischer Feuerkraft" die Wirtschaft stimulieren, sagte die Bulgarin am Dienstag in einer Rede in Washington.

In China, einem der wichtigsten Absatzmärkte für europäische Produkte, räumte Premierminister Li Kaqiang im September ein, dass es sehr schwierig für die chinesische Wirtschaft sei, in dem Maße zu wachsen, der vorgesehen sei: 6 bis 6,5 Prozent. Er führte das auf den "komplizierten internationalen Hintergrund" zurück. Gemeint ist der Handelskonflikt, der schwer auf der Weltwirtschaft lastet und vor allem die Exportbranchen schädigt.

Was gegen eine Rezession spricht

Die Probleme in der Industrie sind noch nicht auf den privaten Konsum durchgeschlagen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet auch für die kommenden Monate mit einem weiterhin stabilen Privatkonsum. „Die Stimmungslage der Verbraucher ist zwar weit von der Hochstimmung vergangener Jahre entfernt“, teilte der Verband am Montag mit, „mit einem Einbruch des privaten Konsums ist aber auch in den kommenden Monaten nicht zu rechnen“.

Gründe seien unter anderem die nach wie vor „robuste Lage auf dem Arbeitsmarkt“ sowie in den vergangenen Jahren gestiegene Löhne und Renten. Auch die „seit Jahren schwache Inflationsrate“ erhöhe die Kaufkraft der Haushalte. „Damit bildet der private Konsum ein gesamtwirtschaftliches Gegengewicht zur derzeit schwächelnden Konjunktur“, hieß es.

Dieses Bild trifft auf viele Länder zu. In den USA ist die Arbeitslosigkeit im September auf 3,5 Prozent gefallen, in der Eurozone auf 7,4 Prozent, dem niedrigsten Wert seit elf Jahren. (mit Reuters)

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