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Sieht genauso appetitlich aus wie die Fleischvariante: ein vegetarischer Burger.

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild

Alternativen zum Fleisch: Warum Fleischfirmen Veggie herstellen

Mit Investitionen in Start-ups will die Branche von der neuen Konkurrenz profitieren. Aber stagnierende Umsatzzahlen stimmen einige Unternehmen skeptisch.

Helles Brot, ein paar Blätter Rucola, eine Scheibe Tomate und ein Patty in der Mitte – auf den ersten Blick sieht der Burger von Baris Özel und Max Krämer aus wie ein ganz gewöhnlicher Snack. Doch der geübte Burger-Freund merkt schon beim ersten Biss, dass es das Patty in sich hat. Es schmeckt etwas mehliger als man es gewohnt ist, weniger saftig, aber doch würzig und mit recht fester Konsistenz. Jedenfalls so schmackhaft, dass man es bei dem einen Bissen nicht belässt.

Özel und Krämer sind Gründer des Startups Bug Foundation. Und wie der Name bereits vermuten lässt, bestand der beschriebene Burger-Patty nicht aus Fleisch, sondern aus Insekten. Seit April des vergangenen Jahres mischen die beiden mit ihren Burger-Pattys auf dem Markt der Fleischersatzprodukte mit. Seit September 2018 sogar mit einem finanzkräftigen Partner. Die PHW-Gruppe, ein Fleischhersteller, zu dem auch die Marke Wiesenhof gehört, übernahm neun Prozent der Firma, kurz nachdem die beiden Gründer in der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ aufgetreten waren.

Damit ist PHW Teil eines auf dem ersten Blick widersprüchlichen Trends. Viele Fleischproduzenten investieren in Fleischersatzprodukte. Und das, obwohl der Markt derzeit stagniert. Was versprechen sich die Unternehmen von diesen Ausgaben? Bug Foundation ist nicht das einzige Unternehmen, in das PHW Geld gesteckt hat, das dem eigenen Kerngeschäft Konkurrenz machen könnte. Das niedersächsische Unternehmen investierte auch in das US-Start-up Good Catch, das veganen Fisch produziert. PHW ist zudem strategischer Partner des amerikanischen Start-ups Super Meat, das Fleisch im Labor züchtet. Und man sicherte sich außerdem die Rolle als Vertriebspartner von Beyond Meat in Deutschland, ein in den USA gehypter veganer Burger, in diesem Jahr auch in Deutschland verkauft werden soll.

Gerade PHW scheint in den fleischlosen Alternativen die Chance auf Marken mit einem neue Image und damit auch neue Käufergruppen zu sehen. „Wir stellen unsere Produktpalette insgesamt breiter auf und definieren uns als Anbieter von hochwertigen Proteinprodukten“, heißt es auf Nachfrage. Die Ausgaben werden als Investition in die Zukunft gesehen. „Wir wollen am Puls der Zeit sein und uns frühzeitig das Know-how für mögliche künftige Marktchancen sichern“, erklärte das Unternehmen weiter.

Denn noch immer gilt Wiesenhof vielen Kunden als Inbegriff verantwortungsloser Massentierhaltung. Ab 2011 hatte die Tierschutzorganisation Peta mehrmals Videos veröffentlicht, in denen bei PHW-Zulieferern Tiere gequält wurden. Als Wiesenhof Trikotsponsor des Bundesligisten Werder Bremen wurde, protestierten selbst Werder-Fans. Die neuen Marken der PHW-Familie könnten solche Kritik verstummen lassen. Auch Nestlé hat einen Veggie-Burger auf den Markt gebracht. Der Gedanke, dem Schweizer Lebensmittelkonzern ein ähnliches Kalkül zu unterstellen, liegt seinen Kritikern bestimmt nicht fern.

Einige Fleischproduzenten sind skeptisch

Und auch bei Rügenwalder ist man „davon überzeugt, dass vegetarische und vegane Fleischalternativen weitaus mehr als ein kurzlebiger Trend sind“. Das Unternehmen bietet seit Dezember 2014 vegetarische Alternativen zum Wurst-Aufschnitt an. 2017 lag der Umsatzanteil bereits bei 25 Prozent. Bis 2020 sollen 40 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen oder veganen Produkten erwirtschaftet werden, hieß es. „Wir wachsen weiter zweistellig in diesem für uns sehr wichtigen Markt und wir glauben daran, dass das dauerhaft so bleiben wird“, gibt sich ein Sprecher selbstsicher. Bei PHW machen die Fleischalternativen derzeit etwa drei Prozent des Umsatzes aus, mittelfristig sollen es fünf bis zehn Prozent sein.

Für Margareta Büning-Fesel ein wichtiger Schritt. Die Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung bestätigt: „Grundsätzlich wäre eine deutlich pflanzenbetontere Ernährung erstrebenswert.“ Das gelte sowohl aus Gründen der Gesundheit als auch der Nachhaltigkeit. Sie ist außerdem der Meinung, dass es sich für Fleischproduzenten auch finanziell lohnt, in vegetarische und vegane Produkte zu investieren. „Fleischproduktion wird eher teurer, pflanzenbasierte Alternativen sind eine interessante Entwicklung, auch wirtschaftlich“, sagt Büning-Fesel.

Aktuelle Marktdaten lassen es aber fraglich erscheinen, ob sich in Zukunft noch mehr Geld mit Veggie-Produkten verdienen lässt. Laut einer GfK-Studie im Auftrag der Marketinggesellschaft Niedersachsen hatten die Bundesbürger 2016 nach starkem Anstieg 150 Millionen Euro ausgegeben, im Folgejahr nur noch 139 Millionen Euro und 2018 waren es knapp 141 Millionen Euro. Bei „Veggie-Wurst“ erreichte der Umsatz im vergangenen Jahr 83,3 Millionen Euro, nach 82,6 Millionen Euro im Vorjahr. Ein Wachstum ist also kaum mehr zu erkennen.

Und so bleiben einige Fleischproduzenten skeptisch. Allen voran Clemens Tönnies. Über den Chef und Namensgeber des Fleischherstellers aus Nordrhein-Westfalen heißt es in der Branche, seine Sekretärin habe einen ganz klaren Auftrag: Wenn in Zukunft eine Anfrage für eine Verkostung von Veggie-Wurst komme, habe der Tönnies keine Zeit. „Wir sehen auch mittelfristig keinen großen Markt in diesem Bereich“, teilt seine Firma auf Tagesspiegel-Anfrage mit. „Weder steigt die Anzahl der Vegetarier und Veganer in Deutschland signifikant, noch steigen die Absatzmengen signifikant.“

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