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British Airways sicherte sich lukrative Landerechte der Fluggesellschaft Flybe, die wegen des Coronavirus Insolvenz anmelden musste.

© AFP

Airlines und das Virus: Der erste Gewinner der Corona-Krise steht bereits fest

Airlines leiden massiv unter dem Coronavirus. Die Aktien fallen und die Auslese unter den Firmen beginnt. Doch ein Profiteur könnte aus Berlin kommen.

Es geht Schlag auf Schlag. Seit das Coronavirus Europa erreicht hat, ist im Luftverkehr nicht mehr viel wie vorher. Täglich streichen Fluglinien immer mehr Verbindungen, oft gleich Hunderte oder Tausende auf einmal – und warnen im gleichen Atemzug davor, dass es das noch längst nicht gewesen sein wird. Die Kurse der Airlines waren am Donnerstag im freien Fall.

Am Mittwoch bestätigte die Lufthansa-Gruppe, dass sie 23.000 Flüge absagt – bis Mitte April. Darüber hinaus seien Annullierungen in den nächsten Wochen zu erwarten, so der Konzern. Europa, Asien und der Nahe Osten sind besonders betroffen. Rechnerisch steht etwa die Hälfte der 780 Flugzeuge großen Flotte still.

Weil die Luftverkehrsunternehmen besonders stark von den wirtschaftlichen Folgen der Epidemie betroffen sind, soll es am Freitag eine Sitzung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geben. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Enak Ferlemann (CDU), im Verkehrsausschuss des Bundestags an.

Condor-Übernahme in Gefahr

Es sei mit gravierenden Auswirkungen auf die Branche zu rechnen, sagte er. Das gelte auch für die Kreuzfahrtbranche und Reedereien. Es müsse darüber geredet werden, wie dort geholfen werden kann. Gleichwohl gebe es derzeit keine Tendenz, die zum 1.April geplante Erhöhung der Luftverkehrsteuer zu verschieben.

Wie in einer längeren Rezession hat längst die Auslese zwischen den Airlines begonnen – zwischen den finanziell soliden und den zuvor schon strauchelnden. Und plötzlich gerät auch die teils gefeierte, teils kritisierte Übernahme der deutschen Traditionsfluglinie Condor durch die polnische LOT wieder in Gefahr.

Der Coronavirus könnte auch die geplante Condor-Übernahme noch ins Kippen bringen.
Der Coronavirus könnte auch die geplante Condor-Übernahme noch ins Kippen bringen.

© dpa

Am Donnerstag stimmte die Gläubigerversammlung für die Übernahme, nachdem Condor durch die Insolvenz seiner Muttergesellschaft Thomas Cook vor einer ungewissen Zukunft stand. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus gab es aber Last-Minute-Zweifel. Von einer Verschiebung bis zur kompletten Absage des Deals war vieles erwartet worden.

Condor selbst hofft laut einer Sprecherin darauf, dass der ursprünglich geplante Zeitplan für die Übernahme noch zu halten ist. Dabei geht es auch um die 380 Millionen Euro, die der Steuerzahler über die staatliche KfW-Bank als Überbrückungskredit nach der Thomas-Cook-Pleite überwiesen hatte – und den LOT zurückzahlen soll. Condor selbst hat bisher nach eigenen Angaben keinen einzigen Flug wegen des Coronavirus streichen müssen.

British Airways ist der erste Gewinner

Als erster „Corona-Bankrott“ gilt die Insolvenz der britischen Fluglinie Flybe, die vergangene Woche ihren Flugbetrieb einstellen musste. Die Airline war schon länger in Schwierigkeiten. Inzwischen bemühen sich langjährige Konkurrenten um den Nachlass.

Der erste Gewinner der Flybe-Pleite ist British Airways. Die IAG-Tochter sicherte sich ein Dutzend lukrative Start- und Landerechte am ausgebuchten Drehkreuz London-Heathrow, die zuvor Flybe gehörten. Es geht um Strecken innerhalb Großbritanniens. Der zweite Gewinner könnte ein der Öffentlichkeit kaum bekanntes Unternehmen aus Deutschland werden.

Die Berliner Logistikgruppe Zeitfracht will mit ihrer „German Airways“ expandieren. Die Marke kennt fast niemand, weil die Flotte im Auftrag anderer unterwegs ist, etwa für die Lufthansa-Tochter Eurowings und Easyjet. Zeitfracht geht gerade mit offenbar gut gefüllter Geldbörse auf Shoppingtour und schielt deshalb auf die Flybe-Konkursmasse.

Mehr Warentransporte wegen Coronavirus

„Wenn wir die Möglichkeit haben, uns mit Flugzeugen einzudecken, werden wir das tun“, kündigte Zeitfracht-CEO Wolfram Simon-Schröter an. Mit acht bis zehn Regionaljets, wie sie auch Flybe flog, wolle man ältere Propellermaschinen ersetzen. In der Coronakrise könnten die Gebrauchtjets zum Schnäppchenpreis zu haben sein.

Von der aktuellen Flaute bemerkt Zeitfracht nach eigenen Angaben wenig. Die Zahl der gestrichenen Eurowings-Flüge liegt „im Bereich der normalen Annullierungen“, so Simon-Schröter. „Wir müssen keinen Flieger grounden.“ Auch beim Warentransport laufe es bislang überraschend gut: „Die Leute bestellen mehr, wenn sie zu Hause sitzen müssen.“

Zeitfracht hat bereits neue Flugzeuge gekauft

Zeitfracht hat mit dem Kauf der Kölner WDL Aviation und der ehemaligen Air Berlin- und dann Lufthansa-Tochter Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) die Sparte auf- und ausgebaut. Die Firmensitze beider Gesellschaften sollen in Düsseldorf vereint werden und zu „German Airlines“ soll sich auch noch eine „German Regional Airlines“ gesellen. Neu beschafft wurden bereits fünf Regionalflugzeuge von Embraer mit je 100 Sitzen. Vier fliegen für die schwedische Fluggesellschaft Braathens, die fünfte ist für die Air-France-Tochter Hop im Parlamentsverkehr zwischen Lille und Straßburg im Einsatz. Sogar eine eigene Pilotenschule gehört zum Portfolio.

In eigenen Farben wird man die Zeitfracht-Flugzeuge wohl nicht entdecken. An eigene Strecken, die nach den Pleiten von Air Berlin und Germania wieder deutsch-deutschen Wettbewerb in den Luftverkehr bringen könnten, werde nicht gedacht. „Wir verkaufen keine Tickets und haben nach den jüngsten Erfahrungen auch keine großen Ambitionen dazu“, so Simon-Schröter. Der Ehemann von Zeitfracht-Inhaberin Jasmin Schröter wechselt im April auf den Posten des Chief Financial Officer. Neuer CEO wird Dominik Wiehage, der vom Flughafen Köln-Bonn kommt.(mit dpa)

Rainer W. Duhring, Felix Wadewitz

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