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Die Natur schützen: Über blühende Wiesen freut sich auch der Feldhase.

© DPA

Agrarsubventionen werden neu verteilt: Ohne Umweltschutz kein Geld

Die Bundesregierung beschließt den Einstieg in einen Systemwechsel. Der Naturschutz wird wichtiger. Die Bauern wollen demonstrieren.

Am Mittwoch wird es laut: Erneut werden Bauern vor dem Bundestag protestieren, so wie sie es in Berlin in den vergangenen Wochen schon so häufig getan haben. Dass die Landwirte nun ein weiteres Mal mit ihren Treckern in die Hauptstadt ziehen, ist kein Zufall: In dieser Woche spielt die Landwirtschaft eine große Rolle im politischen Berlin. Es geht ums Geld und um die Umwelt. Und beides spielt immer mehr ineinander.

Am Dienstag hat das Bundeskabinett die Regeln beschlossen, nach denen künftig die Milliarden aus der europäischen Agrarförderung an die Bauern verteilt werden sollen. Über die Frage, wie stark die Ökologie die Ökonomie bestimmen soll, hatten Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und -umweltministerin Svenja Schulze (SPD) monatelang gestritten. Über Ostern konnten sich die Staatssekretäre beider Ministerien einigen.

Mehr Geld für Junglandwirte: Bundesagrarministerin Julia Klöckner will den Nachwuchs fördern.
Mehr Geld für Junglandwirte: Bundesagrarministerin Julia Klöckner will den Nachwuchs fördern.

© imago images/Christian Spicker

„Jeder Euro ist künftig an Umwelt- und Klimaschutz geknüpft“, sagte Klöckner nach der Kabinettsitzung. Schulze sprach von einem „Systemwechsel“. Allerdings steht der Regierungskompromiss noch unter Vorbehalt. In Brüssel wird derzeit noch über die Details der Agrarförderung verhandelt. Und in Deutschland haben Bundestag und Bundesrat auch ein Wort mitzureden.

Die Bauern bekommen sechs Milliarden Euro im Jahr

Die deutschen Bauern bekommen jedes Jahr sechs Milliarden Euro von der EU, je mehr Flächen sie besitzen, desto höher ist die Förderung. Das soll sich künftig ändern. Damit die Landwirte überhaupt Subventionen erhalten, sollen sie Grundvoraussetzungen für den Naturschutz erfüllen. Dazu gehört, dass sie drei Prozent der Fläche brach liegen lassen und der Natur überlassen. Auch dürfen sie keine Moore mehr zu Ackerland machen.

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Zudem sinkt die Flächenprämie in der sogenannten „ersten Säule“ von 270 auf 140 Euro pro Hektar. 25 Prozent der Direktzahlungen werden ab 2023 – dem Beginn der neuen Förderperiode – an Umweltleistungen geknüpft wie blütenreiche Wiesen oder der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel.

Ein weites Feld. Agrarsubventionen werden derzeit vor allem nach der Größe der Flächen gezahlt.
Ein weites Feld. Agrarsubventionen werden derzeit vor allem nach der Größe der Flächen gezahlt.

© dpa

Schaf- oder Rinderhalter bekommen eine Prämie für die ökologisch günstige Weidehaltung, auch Junglandwirte werden mit Extrazahlungen unterstützt, um den Nachwuchs zu sichern. "Junge Menschen müssen sich dafür entscheiden, Bauern zu werden", sagte Klöckner. Um kleinen Höfen zu helfen, werden für die ersten 60 Hektare Aufschläge auf die Flächenprämie gezahlt. Für die ersten 40 Hektare sind es 69 Euro, für den Rest 41 Euro. Klöckner hatte im Gegenzug bei größeren Betrieben kürzen wollen, konnte sich damit aber bei den Länderministern nicht durchsetzen.

Leben draußen: Schäfer bekommen Zuschläge für die Weidehaltung.
Leben draußen: Schäfer bekommen Zuschläge für die Weidehaltung.

© imago/imagebroker

Mehr Geld für den Bio-Landbau, das Tierwohl und den ländlichen Raum

Neben den Direktzahlungen können Landwirte auch Geld aus der sogenannten zweiten Säule für den Bio-Landbau oder Maßnahmen für mehr Tierwohl beantragen. Um das stärker zu unterstützen, werden mehr Mittel als bisher von der ersten Säule in diesen Topf umgeschichtet. Bisher sind es sechs Prozent, die Länderagrarminister hatten für den Beginn der neuen Förderperiode, die 2023 anbricht, zehn Prozent beschlossen.

Bis 2026 soll der Anteil auf 15 Prozent steigen. Dann fließen 740 Millionen Euro in die zweite Säule. Nach den Verhandlungen zwischen Bundesumwelt- und -agrarministerium soll auch schon 2022 der Anteil der zweiten Säule steigen: Statt wie bisher geplant sechs sollen es acht Prozent sein.

Die Regierung steht unter Druck

Die Regierung steht unter Zeitdruck. Bis Jahresende muss der nationale Umsetzungsplan nach Brüssel gemeldet werden, doch wegen der Bundestagswahl beendet der Bundestag seine Arbeit praktisch im Sommer. Bereits Ende Mai soll sich daher der Bundesrat mit dem nationalen Strategieplan beschäftigen, im Juli soll der Bundestag die Reform endgültig besiegeln.

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In Brüssel wird noch verhandelt

Paradoxerweise ist die Grundlage für die deutschen Gesetze – die Entscheidung über die Gemeinsame europäische Agrarförderung (GAP) – in Brüssel noch gar nicht in trockenen Tüchern. Mitte Mai gibt es einen weiteren Anlauf von Europaparlament, EU-Kommission und Ministerrat. Bisher liegen die Positionen noch auseinander. Während die Europaparlamentarier 30 Prozent der Direktzahlungen an Ökoleistungen knüpfen wollen, hatte sich der Ministerrat auf 20 Prozent verständigt. Sollten sich die Minister durchsetzen, will Deutschland aber dennoch bei seinen 25 Prozent bleiben.

Umweltschützer hatten sich von dem deutschen Weg mehr erhofft. "Die Richtung stimmt, aber der Schub fehlt", sagte WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich. Der Deutsche Naturschutzring fordert, dass nicht drei, sondern fünf Prozent der Agrarfläche brach liegen soll.

Bauern demonstrieren: Am Mittwoch geht es wieder rund.
Bauern demonstrieren: Am Mittwoch geht es wieder rund.

© Olaf Wagner

Die "Freien Bauern", in denen vor allem kleine bäuerliche Betriebe organisiert sind, laufen dagegen Sturm gegen den Regierungskompromiss: Im Zusammenspiel von Bundesregierung und Bundesländern sei ein Förderprogramm für Agrarindustrie und Flächenstilllegung herausgekommen, kritisierte Bundessprecher Alfons Wolff. Auch Bauernpräsident Joachim Rukwied übte Kritik an dem nationalen Strategieplan zur GAP. Dieser führe zu sehr viel mehr Bürokratie.

Bauern sprechen von kalter Enteignung

Dass die "Freien Bauern" demonstrieren wollen, liegt aber nicht nur an der Agrarreform, sondern auch an einem weiteren Vorhaben der Regierung: Am Donnerstag ist das Insektenschutzgesetz im Bundestag. Es sieht vor, dass in den gut 4600 Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebieten, die Tieren und Pflanzen Schutzräume geben sollen, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verboten oder stark eingeschränkt wird.

Die Landwirte sprechen von einer kalten Enteignung, weil viele von ihnen, die Grund und Boden in den Naturschutzgebieten haben, vertragliche Vereinbarungen mit den Behörden haben und für Umweltschutz bezahlt werden. „Die Landwirte brauchen einen Ausgleich", sagte Rukwied.

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