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Das bisherige System: Je größer die Fläche, desto mehr Geld.

© dpa

Agrarsubventionen für Landwirte: Was die Bauern der Gesellschaft schuldig sind

Grund und Boden lassen sich nicht vermehren. Deshalb müssen die Landwirte mehr für den Naturschutz tun. Sechs Milliarden Gründe sprechen dafür. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Geld ist ein bewährtes Instrument, um Entwicklungen zu steuern. Falsch eingesetzt, steuert man jedoch in die falsche Richtung – wie in der Agrarpolitik.

Die Milliarden aus Brüssel haben einst Butterberge und Milchseen geschaffen, weil die Landwirte – mit festen Preisen für ihre Erzeugnisse gepolstert – munter über den Bedarf hinaus produziert haben. Inzwischen wird nach Fläche statt nach Menge gezahlt. Das meiste Geld, die Direktzahlungen, bekommen Bauern allein dafür, dass sie Land bewirtschaften. Je mehr Hektar, desto mehr Kohle.

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Zeitgemäß ist das schon lange nicht mehr. In Zeiten des Klimawandels wird es immer wichtiger, wie das Land bestellt wird. Grund und Boden lassen sich nun einmal nicht beliebig vermehren. Landwirte sind keine Landschaftsgärtner, aber als Landbesitzer haben sie Verantwortung – für ihr Land, die Natur, das Klima und ihre Tiere. Es ist eben nicht egal, ob Insekten Nahrung am Feldrand finden und wie viel Gülle auf dem Acker landet. Sechs Milliarden Euro bekommen die deutschen Landwirte jedes Jahr für ihre Arbeit, welcher Berufsstand kann das schon von sich sagen?

Nahrung für Insekten: Es geht nicht nur um die Ernte.
Nahrung für Insekten: Es geht nicht nur um die Ernte.

© imago images/Jan Eifert

Volle Regale und billige Lebensmittel reichen nicht mehr

Für das Geld kann die Gesellschaft mehr verlangen als volle Regale und erschwingliche Lebensmittelpreise. Und das tut sie auch: Der Druck auf die Bauern, umweltfreundlich zu arbeiten und die Haltung ihrer Tiere zu verbessern, wächst. Mit dem bisherigen System lässt sich das nicht vereinbaren: Viele Höfe produzieren für den Weltmarkt und konkurrieren dort mit Erzeugern, die auf Umwelt- oder Tierschutz keine Rücksicht nehmen. Zukunft hat das nicht. Landwirtschaft in Deutschland muss ökologischer, regionaler und tierfreundlicher werden.

Der Einstieg in den Umstieg

Höchste Zeit also, in diesem Sinne bei der Agrarförderung umzusteuern. Die Bundesregierung hat dazu den ersten Schritt getan. Noch ist die Gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP), die in Brüssel verhandelt wird, nicht in trockenen Tüchern, aber das Bundeskabinett hat am Dienstag für Deutschland die Weichen gestellt.

Pflanzenschutzmittel: Wer nur so viel einsetzt wie nötig, soll belohnt werden.
Pflanzenschutzmittel: Wer nur so viel einsetzt wie nötig, soll belohnt werden.

© imago images/Countrypixel

Klar ist: Künftig muss jeder Landwirt etwas für die Umwelt tun, um überhaupt weiterhin Direktzahlungen zu bekommen. Wie hoch die Zahlungen insgesamt ausfallen werden, hängt zunehmend davon ab, wie groß die Anstrengungen der Bauern für die Natur und den Tierschutz sind. Die Flächenprämien sinken.

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Es ist nicht der ganz große Wurf, den sich viele Umweltschützer erträumt hatten. Aber das neue Förderszenario ist ein Einstieg in den Umstieg. Bis 2027 haben die Landwirte nun Zeit, sich umzustellen. Die brauchen sie auch. Die große Herausforderung, der nächste endgültige Systemwechsel, bei dem die Fläche vielleicht überhaupt keine Rolle mehr spielt, kommt danach.

Ohne gesellschaftliche Leistungen wird es dann wohl kein Geld mehr geben. Ein solcher Paradigmenwechsel hat seinen Preis, auch für die Kunden. Wer gute Lebensmittel will, muss bereit sein, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen.

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