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Im Boulevard Berlin in Steglitz will Deichmann vorerst keine Miete mehr überweisen.

© Thilo Rückeis

Adidas und Co. zahlen nicht mehr: "Ein Aufruf an Mieter dazu, Zahlungen in Frage zu stellen"

Die Minister Heil und Lambrecht empören sich, weil Konzerne keine Miete mehr zahlen wollen. Doch sie haben mit ihrem Gesetz die Grundlage dafür geschaffen.

Ein neuer Monat beginnt. Die Miete ist fällig. Zahlen werden viele Ladeninhaber nicht. Der Bereichsleiter Expansion des Discounters „Tedi“, mit rund 1600 Filialen in Deutschland und Dutzenden in Berlin, schrieb Vermietern am 25.März: „Wir erwarten einen nie dagewesenen Umsatzausfall in den nächsten Wochen.“ Und obwohl die „rechtlichen Konsequenzen dieser Situation nicht geklärt“ seien, werde Tedi „zunächst die Miete für den Monat April einbehalten“.

Ebenfalls kein Geld überweisen wollen Adidas für das „Flagshipstore“ am Kurfürstendamm, und Deichmann für die Filiale in der „Boulevard“-Mall an der Schlossstraße. Beide Firmen hatten angekündigt ihre Mietzahlungen zu stoppen, ebenso wie „H&M“. „Unanständig und nicht akzeptabel“ nannte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht das zwar. Doch darüber schütteln Vermieter-Vertreter wie Carsten Brückner von Haus und Grund den Kopf: „Die gesetzliche Kündigungsbeschränkung ist doch ein Aufruf an Mieter dazu, Zahlungen in Frage zu stellen.“

Fehler im eilig gestrickten Gesetz

Kein Umsatz, keine Miete. Hauseigentümer könnten diese Entscheidung in den Ruin treiben, weil sie ohne Einnahmen, aber mit hohen Kosten dastehen. Zumal Brückner im eiligst gestrickten Corona-Gesetz zum Mieterschutz Fehler findet: „Der Kündigungsschutz wurde nicht einmal auf die Netto-Kaltmiete begrenzt“, sagt er. Der Bund habe auch die Kosten für Strom-, Wasser-, Wärme- und andere Nebenkosten von Gewerbeflächen auf die Vermieter abgewälzt.

„Wir brauchen eine klare Entscheidung, die die Existenz von Mietern und Vermietern gleichermaßen sichert“, sagt Nils Busch-Petersen. Auch der Chef des Berliner Einzelhandels kritisiert das Corona-Gesetz, weil es für gewerbliche Mietverträge eigentlich gar keinen Aufschub von Mietzahlungen vorsieht. Für Busch-Petersen ist aber klar: Ohne einen neuen „konsequenten mutigen Rettungsfonds übersteht der innerstädtische Handel diese Rosskur nicht“. Denn die Ware komme weiter in den geschlossen Läden an, müsse bezahlt werden, obwohl niemand sie zu Gesicht bekommt.

Trotzdem erwartet Busch-Petersen nicht, dass nun alle Gewerbetreibenden Mietzahlungen einstellen. Namhafte Markenhersteller stoppten die Mietzahlungen in der Zuversicht, dass die Einkaufszentren schon nicht auf ihre Zugkraft verzichten werden nach der Krise. „Auf die Allermeisten trifft das aber nicht zu.“

Mieter oder Vermieter: Wer sitzt am längeren Hebel?

Auf den Modeanbieter „H&M“ schon: „Wir haben beschlossen für die Zeit, für die die Anordnung zur Geschäftsschließung andauert, somit ab dem 1. April 2020, keine Miete und keine Nebenkosten zu überweisen“, schreiben Konzernvertreter. Und fordern ihre „Mietpartner(-in)“ dazu auf, sich dazu mit ihnen in Verbindung zu setzen. Wir sind am längeren Hebel, heißt das wohl, bei den Verhandlungen für eine „einvernehmliche und partnerschaftliche Lösung“.

„Stinksauer“ sei er, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im ARD-Talk „Hart aber fair“, dass ausgerechnet Handelskonzerne Gebrauch vom Mieterschutz machen: „Für die ist das Gesetz nicht gemacht.“ Nur wer „in Zahlungsschwierigkeiten“ sei und seine Miete nicht zahlen könne, solle es nutzen und nicht „Unternehmen mit Rücklagen“. „H&M“ hatte 2019 knapp 1,3 Milliarden Euro Überschuss gemacht, Adidas zwei Milliarden.

Doch Heil irrt. „Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat im Rahmen der Covid-19-Gesetzes keinen Anlass für eine Sonderregelung im Mietrecht für Kleine und mittlere Unternehmen gesehen“, heißt es dort. Die Pflicht zur Zahlung bleibe überdies bestehen. Und eine Kündigung nach Juni 2022 sei möglich, wenn bis dahin „Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni“ nicht ausgeglichen sind.

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