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Autos mit "sauberem" Dieselantrieb sollten das Geschäft von VW in den USA ankurbeln.

© dpa

Update

Abgas-Skandal bei Volkswagen: Autoexperte fordert Rücktritt von VW-Chef Winterkorn

VW hat in den USA Abgastests manipuliert, Milliardenstrafen drohen. Die Börse reagiert prompt. Die VW-Aktie stürzt ab. Das macht der gesamten Automobilbranche zu schaffen.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn stehen ungemütliche Tage ins Haus. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer legte dem Konzernchef nun sogar einen Rücktritt nahe. Als Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung habe dieser entweder von den Manipulationen gewusst oder habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, sagte Dudenhöffer der "Frankfurter Rundschau" vom Montag.

Der Skandal ist für VW laut Dudenhöffer eine "Imagekatastrophe par exellence". Auch der Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach sprach von einem "großen Schaden" für VW. Er rühre "am Kern des Images" des Autobauers und habe das Vertrauen beschädigt, sagte Bratzel der Nachrichtenagentur AFP. Nun komme die Frage auf, ob die Manipulationen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa Praxis gewesen seien.

VW-Betriebsratschef Osterloh will Konsequenz aus Skandal ziehen

Auch intern forderte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ein entschiedenes Durchgreifen. „Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden; und wir müssen Konsequenzen daraus ziehen“, sagte er dem Magazin „Stern“. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Osterloh, der als einer der mächtigsten Männer bei Volkswagen auch Mitglied des Aufsichtsrats ist, äußerte sich am Montag geschockt über die Vorwürfe und forderte: „Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Kunden zurückgewinnen.“ Vor allem Konzernchef Martin Winterkorn stehe dabei nun in der Pflicht.

Bundesregierung fordert "lückenlose Aufklärung"

Die Bundesregierung fordert von den Autoherstellern angesichts des Skandals um VW in den USA „belastbare Informationen“, um mögliche Manipulationen bei Abgastests auch in Deutschland prüfen zu können. Diese Überprüfung müsse durch das Kraftfahrtbundesamt vorgenommen werden, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums am Montag in Berlin. Er forderte zudem die Hersteller auf, eng mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten, um eine „lückenlose Aufklärung“ zu ermöglichen. Der Sprecher sagte, seinem Haus lägen „keine weiteren Kenntnisse über mögliche Schummeleien deutscher Automobilproduzenten vor“. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte lediglich, er werde Einzelheiten des Falles nicht kommentieren. Volkswagen hatte zuvor eingeräumt, dass Abgaswerte von Diesel-Autos in den Vereinigten Staaten für Fahrzeugtests manipuliert worden waren. Die Wolfsburger erließen zudem einen Verkaufsstopp für die betroffenen Modelle in den USA.

Umweltverbände reagieren

Die Deutsche Umwelthilfe wirft dem Volkswagen-Konzern unterdessen „vorsätzliche Körperverletzung“ vor. Betroffene Fahrzeuge würden bis zu 40 mal mehr hochgiftige Diesel-Abgase ausstoßen als erlaubt. Die Organisation fordert den Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn.

Auch der Naturschutzbund (NABU) fordert als Kooperationspartner des Autokonzerns in einer Pressemitteilung am Montag eine "lückenlose und schnelle Aufklärung". „Das Bestreben von Volkswagen, bis 2018 zum umweltfreundlichsten Autokonzern der Welt zu werden, ist stark beschädigt. Nur durch vollumfängliche Aufklärung und personelle sowie strukturelle Konsequenzen kann wieder Vertrauen hergestellt werden“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

VW-Aktie stürzt ein

Der Abgas-Skandal in den USA trifft den Autokonzern zur Unzeit. Es drohen Strafen in Milliardenhöhe, vor allem aber ein enormer Ansehensverlust. Die Volkswagen-Aktie ging angesichts des Skandals auf Talfahrt. Bereits kurz nach Handelsbeginn büßte die Aktie gut 13 Prozent ein, im Laufe des Vormittags mehr als 20 Prozent. Zeitweise notierte sie mit 22,20 Prozent im Minus bei 126,35 Euro. Die Anleger reagierten damit auf den Skandal um manipulierte Abgaswerte in den USA. Die US-Umweltbehörde EPA hatte am Freitag mitgeteilt, dass der deutsche Konzern eine Software entwickelt habe, die Vorgaben zur Luftreinhaltung zwar bei Tests, nicht aber beim normalen Betrieb der Autos erfülle. Die betreffenden Vorschriften seien bewusst umgangen worden. VW droht laut US-Medienberichten eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar (knapp 16 Milliarden Euro).

Der Autobauer soll in den USA mit einer Software Umwelt-Vorgaben umgangen haben. Dabei sind die USA ohnehin eine unerfreuliche Baustelle für Winterkorn, dessen Vertrag erst kürzlich nach dem Sieg im Machtkampf mit Ferdinand Piëch verlängert worden war. Fest steht: Das Diesel-Drama ist in Wolfsburg nun Chefsache.

Die Abgas-Affäre setzte dem gesamten Autosektor zu, der zudem noch zwei Prognosesenkungen der Zulieferer ElringKlinger und Leoni verkraften musste. Daimler und BMW verloren im Dax jeweils rund vier Prozent. ElringKlinger rutschten im MDax um 21,1 Prozent auf ein Vier-Jahres-Tief von 16,56 Euro, Leoni gaben in der Spitze knapp fünf Prozent nach. Der europäische Branchenindex fiel zeitweise um fast sieben Prozent.

Am Freitag tagt der Aufsichtsrat von VW

Ein VW-Sprecher gab die Manipulationen in den USA am Sonntag zu. Winterkorn selbst hatte sich zuvor in einer Erklärung zu dem Fall geäußert. Direkt zugegeben hatte er die Vorwürfe der Epa aber nicht. „Die Geschehnisse haben für uns im Vorstand und für mich ganz persönlich höchste Priorität“, heißt es in der Erklärung.

Am Freitag wird er das auf der turnusmäßigen Sitzung des Aufsichtsrats genauer erklären müssen. Dabei wollte der Manager nach dem hässlichen Ringen an der VW-Spitze zur Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt vergangene Woche endlich Aufbruchsstimmung verbreiten. Doch am Freitag beendete die US-Umweltbehörde Epa jäh den Traum von der Rückkehr zur Normalität. Die Behörde wirft dem Autobauer vor, die Ermittlung von Abgaswerten seiner Diesel-Fahrzeuge manipuliert zu haben.

Fast eine halbe Million Autos sind betroffen

Fast eine halbe Million Autos sind betroffen, im schlimmsten Fall drohen Zahlungen von mehr als 18 Milliarden Dollar. Für den Konzern könnte sich die Affäre zu einem ziemlich teuren Alptraum auswachsen. Und der könnte dem Ansehen der deutschen Vorzeigeindustrie insgesamt erhebliche Dellen zufügen. Winterkorn verspricht, wie seine Presseabteilung zuvor, eine umfassende Kooperation mit den US-Behörden. „Der Vorstand der Volkswagen AG nimmt die festgestellten Verstöße sehr ernst. Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben.“ VW habe eine externe Untersuchung beauftragt. „Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art“, sagte Winterkorn.

Für VW läuft es auf dem US-Markt seit Jahren schlecht

Die Stimmung in Wolfsburg dürfte finster sein, denn für die Kernmarke VW läuft es auf dem US-Markt seit Jahren schlecht. Der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte das Geschäft dort schon ohne den Skandal einst als Katastrophenveranstaltung bezeichnet. Dabei sollte gerade der Diesel auf dem wichtigen Markt helfen und wurde - nicht nur von VW - als saubere Antriebsart beworben. Unter dem Schlagwort „Clean Diesel“ sollte den US-Kunden der dort als Traktor-Antrieb verpönte Selbstzünder schmackhaft gemacht werden. Ob das nun noch gelingen kann, ist völlig offen.

Die Grünen im Bundestag fordern Aufklärung

Die Grünen im Bundestag fordern nun Aufklärung über den Fall. Es müsse geklärt werden, ob so etwas auch in Deutschland stattfinde. „Die Aufklärung werden wir mit Nachdruck im Bundestag einfordern und auch schauen, ob deutsche Behörden bei diesen illegalen Aktivitäten durch aktives Wegschauen geholfen haben“, sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn, am Sonntag in Berlin. Es müsse auch geklärt werden, ob es ähnliche Fälle bei anderen Herstellern gebe. (dpa, afp, epd)

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