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So sah die Deutsche-Bank-Zentrale in Berlin aus.

© Historisches Institut Deutsche Bank

150 Jahre Deutsche Bank: Glanzvolle Geschichte, dramatischer Absturz

Die Deutsche Bank startete in Berlin - zunächst überaus erfolgreich, doch im 20. Jahrhundert häuften sich die Skandale. Das Jubiläum begeht die Bank um Umbruch.

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Wo einst die Deutsche Bank ihren Hauptsitz hatte, dröhnen heute Baumaschinen. In der Mauerstraße unweit vom Gendarmenmarkt saß die Großbank bis 1945 in mehreren Gebäuden, die mit Durchgangsbögen über die Straße verbunden waren. „Zu Hochzeiten haben hier mehrere Tausend Banker gearbeitet“, sagt Martin Müller, der das Historische Institut der Deutschen Bank leitet.

Derzeit werden die Gebäude saniert, perspektivisch soll das Bundesgesundheitsministerium einziehen. Wer hier mal das Sagen hatte, wird aber auch dann noch zu erkennen sein. In Stein gemeißelt prangt über dem Haupteingang das Konterfei von Georg von Siemens, dem ersten Chef der Deutschen Bank.

Die Geschichte des Instituts, ihr Aufstieg und Fall, lehrt einen vieles über die deutsche Wirtschaft. Gegründet wird die Bank vor 150 Jahren zu einer Zeit, als Berlin gerade zum Industriestandort wird. „Außerdem saß hier die Berliner Börse, die für den Aktienhandel damals wichtiger war als Frankfurt“, sagt Müller.

Die Initiative geht von mehreren Bankern aus, allen voran von Adalbert Delbrück und Ludwig Bamberger. Sie wünschen sich ein Institut, das den Außenhandel finanziert: etwa den Import von Baumwolle aus den USA. Aus ähnlichen Gründen haben Kaufleute und Bankiers zuvor in Hamburg bereits die Commerz- und Disconto-Bank eröffnet, die heutige Commerzbank.

Fünf Millionen Taler als Anfangsfinanzierung

Die Konzession, um eine Bank als Aktiengesellschaft zu gründen, erhalten Delbrück und Bamberger am 10. März 1870. Ende des Monats treffen sich die Gründer bereits zum ersten Mal mit ihren Aktionären: Fünf Millionen Taler haben 78 Geldgeber bereitgestellt. Am 9. April eröffnet das Institut sein erstes Büro. Das befindet sich im ersten Stock über einer Verlagsbuchhandlung in der Französischen Straße – da, wo heute die Galeries Lafayette stehen. Bankchef Georg von Siemens sitzt dort in einem kleinen, dunklen Raum. „Der Vater von Siemens soll entsetzt gewesen sein, als er gesehen hat, wo sein Sohn nun arbeitet“, sagt Müller.

Seinen Posten als Chef der Deutschen Bank hat Georg von Siemens dem Onkel zu verdanken: Werner von Siemens, der in Berlin das Unternehmen Siemens & Halske aufgebaut hat. Für ihn war Georg bereits in Persien unterwegs, hat dort Telegrafenverbindungen gebaut. „Offenbar hat er sich dabei so gut gemacht, dass Werner von Siemens ihn als Bankchef empfiehlt.“

Mit den ersten 50 Mitarbeitern zieht Georg von Siemens um. Zunächst in die Burgstraße, dann nach der Übernahme zweier anderer Banken in die Mauerstraße. Dort gibt es eine große Kassenhalle mit Kuppeln aus Opalglas, im Keller zieht sich die Tresoranlage über zwei Stockwerke.  In der sogenannten Stahlkammer verwahrt die Bank damals nicht nur Vermögen. Reiche Berliner geben dort auch in Reisekoffern ihr Tafelsilber ab, bevor sie in den Urlaub fahren.

Deutsche Bank finanziert Berliner U-Bahn

Das Geschäft der Deutschen Bank floriert – und der Fortschritt in der Stadt hat daran seinen Anteil. Die Bank finanziert zum Beispiel die Berliner Hoch- und Untergrundbahn, aus der später einmal die BVG wird. Die Brauerei Schultheis gehört ebenso zu den Kunden wie das Filmunternehmen Ufa, an deren Gründung das Institut 1917 beteiligt ist.

In der Nazizeit und im Zweiten Weltkrieg spielt die Deutsche Bank dann jedoch eine höchst unrühmliche Rolle. Das Ausmaß wird erst Jahrzehnte später bekannt, als die Bank ihre Geschichte aufarbeiten lässt. Demnach konfisziert sie damals nicht nur Konten jüdischer Kunden und entlässt jüdische Mitarbeiter. Sie finanziert auch über das Erfurter Unternehmen Topf & Söhne den Bau von Krematorien in Auschwitz.

Der Bau der Banktürme in Frankfurt am Main 1982.
Der Bau der Banktürme in Frankfurt am Main 1982.

© Historisches Institut Deutsche Bank

Außerdem kauft sie der Reichsbank das Gold ab, das die Nazis teils von Opfern des Holocausts konfisziert haben, und verkauft es nach Istanbul. Wie viel die Banker über die Herkunft des Goldes damals wissen, ist bis heute nicht geklärt. Zuständig ist damals als Leiter des Ressorts Ausland ausgerechnet ein Mann, der in den Folgejahren wie kaum ein anderer die Deutsche Bank prägt: Hermann Josef Abs.

Nach dem Zweiten Weltkrieg leitet er die Kreditanstalt für Wiederaufbau, wird zum Vertrauten von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Ab 1957 führt er dann zwei Jahrzehnte die Geschicke der Deutschen Bank – erst als Vorstandssprecher, dann als Aufsichtsratschef. Abs wirkt bei den Neugründungen der Lufthansa und der Deutschen Bundesbahn mit, sitzt zwischenzeitlich in den Aufsichtsräten von 24 Konzernen. Die Unterlagen, die er dafür braucht, füllen 14 Aktenkoffer.

Das Zentrum der "Deutschland AG"

Durch diese engen Verflechtungen mit der Wirtschaft wird die Deutsche Bank zum Zentrum der „Deutschland AG“, an der fast alle deutschen Konzerne beteiligt sind, von Volkswagen über BASF bis zu Thyssen und Krupp. Das Geldhaus wächst derweil weiter, über die Grenzen Deutschlands hinaus. Ab Mitte der achtziger Jahre übernimmt sie auf Betreiben von Alfred Herrhausen für Milliardenbeträge Konkurrenten und steigt in den USA ins Investmentbanking ein. Die Fusion mit der Dresdner Bank soll im März 2000 schließlich der nächste Coup werden. Die Chefs träumen vom weltgrößten Bankkonzern, einem „Powerhaus“. Doch: Vier Wochen später platzt der Deal.

Statt weltweit im Bankgeschäft für Furore zu sorgen, bestimmen die Deutsche Bank und ihre Chefs die negativen Schlagzeilen. Bankchef Rolf Breuer sorgt zum Beispiel mit einem lockeren Spruch über die Finanzlage des Medienkonzerns Kirch im Februar 2002 für einen Fauxpas.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann.

© dpa

Sein Nachfolger Josef Ackermann lässt sich zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses 2004 lächelnd mit dem Victory-Zeichen ablichten. An Ackermanns Einfluss ändert das nichts. Im Gegenteil. Er wird zu einem der engsten Berater von Kanzlerin Angela Merkel, feiert im April 2008 seinen Geburtstag im Kanzleramt.

Doch dann geht in den USA die Investmentbank Lehman Brothers pleite und die Welt rutscht in die Finanzkrise. Erst nach und nach wird klar, wie sehr Deutschlands größte Bank in die Geschäfte mit faulen Immobilienkrediten in den USA verwickelt ist. 2016 bezeichnet der Internationale Währungsfonds das Haus als das riskanteste Institut für das globale Finanzsystem. In den USA wie in Europa muss die Deutsche Bank Rekordstrafen zahlen. Bis heute sind es gut 15 Milliarden Euro. Zwar sind die größten Streitfälle mittlerweile beigelegt, dafür stehen nun die zweifelhaften Geschäftsbeziehungen zu US-Präsident Donald Trump im Raum.

Aktienkurs rutscht dramatisch ab

An der Börse wird die Talfahrt besonders sichtbar. Der Aktienkurs von einst mehr als 100 Euro rutscht zeitweise auf weniger als sechs Euro ab. Kapitalerhöhungen von rund 25 Milliarden Euro können die Talfahrt nicht stoppen. Überhebliches Gebaren und zögerliches Verhalten bei Finanzierungsanfragen selbst bei Firmenstammkunden sorgen für Verärgerung. Weltweit rangiert die Deutsche Bank heute weit hinter der Konkurrenz aus den USA und Europa.

Seit 2012 haben vier Chefs versucht, das Institut wieder flottzumachen. Ohne Erfolg. Seit April 2018 bemüht sich darum der 50-jährige Christian Sewing. Er setzt vor allem auf Kostensenkungen. Zählte das Institut einst mehr als 100.000 Menschen, sollen es Ende 2022 nur noch 73.000 sein. Niederlassungen und Filialen im In- und Ausland werden geschlossen. Sewing spricht von der „radikalsten Transformation der Deutschen Bank seit zwei Jahrzehnten“. Ob sie den ersehnten Erfolg bringt, ist offen.

Seit 2015 hat das Institut weitere hohe Verluste angehäuft, allein 2019 waren es rund 5,7 Milliarden Euro. Was den Vorstand nicht hindert, sich Boni in Höhe von 13 Millionen Euro auszuzahlen. In Frankfurter Finanzkreisen schütteln nicht wenige den Kopf. 2021 soll es wieder einen Nettogewinn von knapp einer Milliarde Euro geben. Das dürfte auch einen einst scharfen Kritiker der Bank interessieren. Ex-Bundesaußenminister und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel rückt im Mai in den Aufsichtsrat. Er soll den Herren im Vorstand auf die Finger schauen.

Die Geburtstagsfeier der Deutschen Bank wurde indes wegen des Coronavirus kurzfristig abgesagt. Mit Blick auf die derzeitige Lage wirkt Covid-19 fast wie eine willkommene Entschuldigung. Denn viel zu feiern gibt es - zumindest im historischen Vergleich - derzeit nicht.

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