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Die Commerzbank wird am Mittwoch 150 Jahre alt.

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150 Jahre Commerzbank: Von der rauschenden Party ist nichts geblieben

Vor 25 Jahren ließ sich die Commerzbank ihre Jubiläumsfeier 150 Millionen D-Mark kosten. Heute sieht es anders aus. Denn die Bank steht am Abgrund.

Vor 25 Jahren lobt Bundeskanzler Helmut Kohl die Commerzbank bei der Jubiläumsfeier in der Alten Oper in Frankfurt am Main fast überschwänglich. Er konnte nicht ahnen, dass das Geldhaus 13 Jahre später nach der Übernahme der Dresdner Bank und dem Beginn der Finanzkrise vom Steuerzahler mit 18 Milliarden Euro gerettet werden muss. Immer noch ist der Staat als größter Aktionär mit ein Garant für das Überleben des Instituts.

150 Jahre nach der Gründung am 26. Februar 1870 hält sich die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank denn auch zurück. Keine große Feier, für die Beschäftigten gibt es an diesem Geburtstag einen Tag frei. 1995 war das noch ganz anders: 150 Millionen DM ließ sich das Institut die Feier in der Alten Oper, das große Fest für 22.000 Beschäftigte im Frankfurter Waldstadion und den Bonus von 1200 DM für jeden Mitarbeiter kosten. Sie konnten bis zu 15 Aktien zum Vorzugspreis von 213 DM kaufen.

Im Nachhinein ein schlechtes Geschäft. Heute kostet eine Aktie nach einem Hoch im Jahr 2000 auf rund 230 Euro nur noch rund 6,60 Euro, seit Herbst 2018 ist sie nicht mehr im Deutschen Aktienindex (Dax) mit den 30 größten deutschen Konzernen gelistet. Auch die Politik wird kaum Beifall klatschen. Schließlich kann der Bund mit seinen fast 16 Prozent der Anteile nicht zufrieden sein. Der Steuerzahler würde fast vier Milliarden Euro verlieren, wenn die Aktien jetzt verkauft würden.

Fusion mit der Deutschen Bank scheiterte

Also hofft man auch in Berlin, dass die Bank allmählich aus dem Tief herausfindet und wieder nachhaltig Gewinne einfährt. Vor knapp einem Jahr schien sich anzudeuten, dass die Commerzbank es zusammen mit der Deutschen Bank schaffen könnte. Doch die Fusionsidee scheiterte. Also keine gemeinsame Jubiläumsfeier im Jahr 2020. Schließlich wird auch die Deutsche Bank im März 150 Jahre alt.

Bei der Jubiläumsfeier 1995 hatte man den Gipfel noch vor sich. Glaubte man. Nach außen zeigen sollte es auch die neue Zentrale am Frankfurter Kaiserplatz, die gerade 300 Meter in den Himmel wuchs. 1997 zogen die Banker in den 650 Millionen DM teuren Turm ein.

2008 glaubt der damalige Vorstandschef Martin Blessing, die Bank unter die führenden Geldhäuser zumindest in Europa zu rücken. Die Nummer drei der Branche schluckt für rund neun Milliarden Euro die Nummer zwei – die altehrwürdige Dresdner Bank. Von deren Glanz ist freilich wenig geblieben. Schnell wird klar, wie schlecht es um sie steht. Dann kommt die Finanzkrise. Die neue Großbank steht vor dem Kollaps. Seitdem mischt der Bund bei Deutschlands zweitgrößtem, mittlerweile deutlich geschrumpftem Geldhaus mit. Zählte das Institut 2009 bei einer Bilanzsumme von 884 Milliarden Euro noch 62.700 Beschäftigte, sind es heute bei rund 463 Milliarden Euro nur noch etwas mehr als 40.000 Vollzeitstellen.

Banker im Wertpapier-Tresor der Commerzbank in Berlin 1928.
Banker im Wertpapier-Tresor der Commerzbank in Berlin 1928.

© Commerzbank AG

Von solchen Zahlen konnte Theodor Wille nichts ahnen. Der im Südamerika- Handel erfolgreiche Kaufmann gab den Anstoß zur Gründung des Instituts. Am 26. Februar 1870 wird der „Commerz- und Disconto-Bank“ in Hamburg Leben eingehaucht. Bis auf die Ausgabe von Banknoten kümmert sich das neue Geldhaus um alle Bereiche des Bankgeschäfts. Der wachsende politische Einfluss des Norddeutschen Bundes bietet verlockende Chancen in der Finanzierung des Außenhandels.

Zwischen 1905 und 1923 schluckt man rund 50 Banken

Die ersten 30 Jahre sind eine Enttäuschung. Die Wirtschaftsflaute bremst die Geschäfte. Erst mit dem Aufschwung der Elektroindustrie und der Eröffnung von Niederlassungen in Frankfurt und Berlin schafft die Commerzbank den Durchbruch. Zwischen 1905 und 1923 schluckt man rund 50 Banken. Die Zahl der Geschäftsstellen steigt auf knapp 290. Die Bilanzsumme schießt von rund 92 Millionen Mark 1897 auf 508 Millionen im Jahre 1913 in die Höhe.

Im Ersten Weltkrieg konzentriert sich die Bank auf den Kauf von Reichsschatzanweisungen. Sie beteiligt sich an der Finanzierung der Kriegsmaschinerie – ohne Schaden zu nehmen. 1929 kommt es zur Verschmelzung mit der Mitteldeutschen Creditbank in Frankfurt. Die Weltwirtschaftskrise geht auch an den Banken nicht spurlos vorüber. Wie 80 Jahre später überwindet die Commerzbank das Tief nur mit Hilfe des Staates: Zeitweise übernehmen Reich und Reichsbank 70 Prozent des Kapitals.

Aktuell läuft ein Sanierungsprogramm

Die Nazizeit hinterlässt auch bei der Commerzbank ihre Spuren. Chronisten zufolge muss sie sich den Nazis beugen, Reichsschuldtitel übernehmen und den Krieg mitfinanzieren. Andere sehen durchaus eine aktive Unterstützung der Nazis. Es sei ein dunkles Kapital für die Bank gewesen, heißt es heute in Frankfurt.

Nach dem Krieg verliert das Geldhaus 45 Prozent seiner etwa 360 Filialen. Es wird in neun Teile aufgesplittet und 1952 in drei regionale Banken überführt. Erst 1958 werden sie wieder zur Commerzbank mit Sitz in Düsseldorf vereint. Die hat nun 7700 Beschäftigte, rund 20.000 Aktionäre, 300.000 Kunden, die Bilanzsumme liegt bei mehr als fünf Milliarden DM. In den folgenden Jahrzehnten dehnt das Geldhaus die Geschäfte kontinuierlich aus, auch im Ausland. 1970 zieht die Zentrale nach Frankfurt. 1980 rutscht die Bank überraschend wegen einer falschen Zinseinschätzung in eine fast existenzielle Krise. Nur mit harten Einschnitten kann der Tiefschlag überwunden werden.

Zehn Jahre später bieten sich auch der Commerzbank mit dem Fall der Mauer neue Perspektiven – und sie eröffnet nach und nach 125 Filialen im Osten Deutschlands. Im Jahrzehnt danach folgt ein ständiges Auf und Ab. Im September 2019 verkündet Vorstandschef Martin Zielke das nächste Sanierungsprogramm. Die erfolgreiche Tochter Comdirect wird eingegliedert, die ebenso erfolgreiche Tochter in Polen verkauft, weitere 2300 Stellen werden gestrichen. Bei den Aktionären hält sich die Feierlaune angesichts des Kursdesasters der Aktie und einer bescheidenen Dividende von 15 Cent für 2019 ebenso in Grenzen wie bei den Beschäftigten. Ende 2020 sollen nur noch 38.000 Menschen für die Bank arbeiten. Vorstandschef Zielke ist trotzdem zuversichtlich. Immerhin schreibt die Commerzbank – anders als die Deutsche Bank – schwarze Zahlen.

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