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Viele Züge fahren derzeit nahezu leer durchs Land.

© imago images/Ralph Peters

10.000 Jobs in Gefahr: Gewerkschaft warnt vor Stellenabbau bei der Bahn

Wochenlang sind die Züge halbleer durch Deutschland gefahren. Deshalb hat die Bahn Finanzprobleme - und muss womöglich 10.000 Stellen abbauen.

In der Corona-Krise haben sich die Probleme der Deutschen Bahn AG nochmals massiv verschärft. Ein Grund: Im Personenverkehr sind die Züge wochenlang nahezu leer durch Deutschland gefahren. Nun soll Vorstandschef Richard Lutz ein Sparprogramm beim größten deutschen Staatskonzern durchsetzen, der von der Bundesregierung kurzfristig 4,5 Milliarden Euro Finanzhilfen als Ausgleich für Umsatzausfälle und Mehrkosten im Personen- und Güterverkehr fordert. Doch die Pläne des Konzerns und von Verkehrsminister Andreas Scheuer stoßen auf Widerstand.

Nach der Sitzung des DB-Aufsichtsrats am vorigen Freitag, in dem Regierung und Gewerkschaften die Sanierungsmaßnahmen berieten, schlägt nun die Bahngewerkschaft EVG öffentlich Alarm. Beim Konzern könnten mehr als 10.000 Arbeitsplätze wegfallen, es drohten dramatischer Stellenabbau und eine „knallharte Sparpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten“, sagte EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel der „Bild am Sonntag“. So könne die Hälfte der Ausbildungsplätze wegfallen und weitere dringend nötige Neueinstellungen gestoppt werden.

Kritik daran kommt auch aus der Opposition. „Die Rettung der Deutschen Bahn zulasten der Investitionen und auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finanzieren, geht gar nicht“, sagte Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen am Sonntag. „Man kann nicht einerseits die Deutsche Bahn in der Coronakrise richtigerweise zur flächendeckenden Aufrechterhaltung des Fernverkehrs verpflichten und ihr dann andererseits ein schweres Sparprogramm auferlegen.“

Bis zu 13,5 Milliarden Euro könnte die Corona-Krise die Bahn kosten

Das Verkehrsministerium und die DB-Spitze hatten sich vor der Sitzung auf ein sechsseitiges Konzeptpapier verständigt, in dem der Schaden wegen Corona je nach Szenario auf 11 bis zu 13,5 Milliarden Euro hochgerechnet wird. Konzern und Staat sollen den Ausgleich je zur Hälfte übernehmen. Insgesamt könnten so bis Jahresende bis zu 6,7 Milliarden Euro zusätzliche Kapitalhilfen aus der Steuerkasse an die DB AG fließen.

Schon vor Corona haben sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bahnchef Richard Lutz zu Krisengesprächen getroffen.
Schon vor Corona haben sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bahnchef Richard Lutz zu Krisengesprächen getroffen.

© dpa

Der Konzern will dem Papier zufolge bis zu 5,1 Milliarden Euro durch verringerten Personal- und Sachaufwand ausgleichen. Bei der Strategie „Starke Schiene“ zur Verkehrswende und dafür nötigen Investitionen und der Digitalisierung soll aber „nur in geringem Umfang“ gespart werden. Die EVG befürchtet nach der Beratung der Aufsichtsräte nun, dass im Gegenzug für staatliche Hilfen rund 2,2 Milliarden Euro beim Personal eingespart werden sollen.

Die Arbeitnehmervertreter kontrollieren im Aufsichtsrat die Hälfte der Sitze, gegen sie sind Rotstiftpläne schwer durchzusetzen. Alternative wäre dann eine noch höhere Verschuldung des bereits mit fast 25 Milliarden Euro Krediten belasteten Staatskonzerns, der sich allein dieses Jahr weitere drei Milliarden Euro leihen will, um riesige Finanzlöcher wie bei Stuttgart 21 zu stopfen.

Die Wettbewerber fürchten, die Bahn werde bevorzugt behandelt

Die Deutsche Bahn AG beschäftigt rund 210.000 Beschäftigte allein in Deutschland und mehr als 340.000 weltweit. Für weitere Milliardenhilfen aus der Steuerkasse sind Beschlüsse der Regierung, des Bundestags, des Aufsichtsrats sowie die Genehmigung der EU-Kommission nötig. Die Wettbewerber der Bahn fürchten unfaire Vorteile für den Marktführer und verlangen deshalb gleiche Regeln und Hilfen für alle.

Auch im Regionalverkehr ist wenig Betrieb.
Auch im Regionalverkehr ist wenig Betrieb.

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Die Bundesregierung hat dem schon lange klammen und kriselnden Staatskonzern bereits mit dem Klimapaket im letzten Herbst eine Kapitalspritze von insgesamt 11 Milliarden Euro zugesagt, die bis 2030 in Jahresscheiben fließen soll – bisher sind diese Gelder aber von Brüssel noch nicht genehmigt geworden. Mit der Förderung soll mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden.

Dafür allerdings sorgen zunehmend vor allem andere Anbieter, die im Güterverkehr bereits mehr als die Hälfte des Marktes erobert haben und im Regionalverkehr mehr als ein Drittel. Deren Verbände Mofair und NEE warnen in Briefen an die Mitglieder des Verkehrs- und Haushaltsausschusses des Bundestags vor doppelten und fragwürdigen Hilfen für den großen staatlichen Konkurrenten und sehen dessen Schätzungen der CoronaSchäden als weit überhöht an.

In anderen Ländern profitiert die Bahn von Hilfsprogrammen

„Die Eisenbahnen brauchen Unterstützung, aber transparent, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei“, sagte Mofair-Präsident Christian Schreyer. Sinnvoll seien mehr Investitionen in die Infrastruktur, die allen Anbietern nütze. Geschäfte der DB AG abseits der Schiene und im Ausland dürften dagegen keinesfalls unterstützt werden. Es sei nicht einzusehen, warum der deutsche Steuerzahler für dortige Einbußen zahlen solle.

So profitiere die Konzern-Tochter Arriva bereits in den meisten Länder von umfangreichen Hilfsprogrammen wie in Großbritannien für den Schienenverkehr. Die angeblichen Corona-bedingten Verluste von 700 Millionen Euro seien daher „abwegig“, so Schreyer. Der Mofair-Präsident stützt sich dabei als Topmanager des größten DB-Konkurrenten Transdev auf eigene Erfahrungen, zudem arbeitete er selbst einst in den Führungsetagen des DB-Konzerns und kennt die besonderen Verhältnisse.

Auch im deutschen Regionalverkehr könne die DB AG von Doppelförderung profitieren, warnt Schreyer. Denn für die Bus- und Bahnunternehmen wird ein eigener Rettungsschirm von bis zu sieben Milliarden Euro für die Einnahmeausfälle zwischen Bund und Ländern verhandelt. Die Wettbewerbsverbände wollen auch bei der EU-Kommission in Brüssel auf transparente und angemessene Finanzhilfen für alle Anbieter dringen, die ihrer Ansicht nach vor allem in die Infrastruktur fließen sollten.

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