zum Hauptinhalt
Die Jungs der thailändischen Fußballmannschaft und ihr Trainer (vorne links)

© Lillian Suwanrumpha/AFP

Rettungsaktion in Thailand: Wie Thailands Militärjunta die Jungen aus der Höhle präsentiert

Dribbeln im Licht der Öffentlichkeit: Nach fast einem Monat sind Fußballmannschaft und Trainer wieder bei ihren Familien. Vorher gibt es einen emotionalen Fernsehauftritt.

Chiang Rai - Jeden Tag um 18 Uhr läuft im thailändischen Fernsehen die Nationalhymne. Dann folgen auf den verschiedenen Sendern für eine halbe Stunde Nachrichten der Militärregierung, die nach dem jüngsten Putsch seit vier Jahren an der Macht ist. Man muss das nicht anschauen.

Am Mittwoch war alles anders. Statt Bildern von älteren Generälen gab es welche mit fröhlichen Kindern in Fußballtrikots – von den zwölf Jungen und ihrem Trainer, die nach dem glücklichen Ende des Höhlendramas und den Tagen im Krankenhaus nach Hause durften. Alle großen Sender übertrugen live. Und im ganzen Land hingen die Leute an den Fernsehern. Der Titel der Übertragung war vorgegeben: „Dern Nah Prathet“ („Thailand kommt voran“). 45 Minuten sollte die große Rettungs-Show dauern. Sie ging dann fast doppelt so lang. Auf die Bergung der Kinder von 11 bis inzwischen 17 Jahren sind die Thailänder enorm stolz. Die Militärs haben Interesse daran, dass das so bleibt.

In den Saal dribbelten sie mit Bällen

Fast einen ganzen Monat lang ist das Schicksal der Kinder in Thailand nun schon das große Thema - noch viel, viel wichtiger als im Rest der Welt. Hier reden alle nur noch liebevoll von den „Moo Pah“, den „Wildschweinen“. So heißt der Verein, aus dem die Jungen kommen. Deshalb prangte auf den Trikots auch ein großer roter Keiler.

Zum Beweis dafür, wie gut es ihnen schon wieder geht, dribbelten alle kurz nach 18 Uhr (Ortszeit) mit Bällen in den Saal. Dann setzten sie sich für ein Mannschaftsfoto zusammen: ganz links in der vordersten Reihe der Trainer, in der Mitte zwei Ärztinnen. Und sie plauderten drauflos, als ob die Tage in der Dunkelheit längst vergessen wären.

Sie wollten nur eine Stunde in der Höhle bleiben

Vor allem der 14-jährige Adul – der einzige, der recht gut Englisch spricht – zeigte Entertainer-Qualitäten. Der Junge, der nicht einmal einen thailändischen Pass besitzt, berichtete, wie sich die Entdeckung zugetragen hatte. Dass sie nur eine Stunde in der Höhle bleiben wollten. Es wurden 17 Tage daraus. Adul sagt: „Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, was das Leben für einen Wert hat. Und was für Folgen ein einziger Fehler haben kann.“

Dann kam der Trainer dran: Ekkapol Chantawong (25), verantwortlich dafür, dass das Team trotz aller Warnungen mitten in der Regenzeit in die Höhle stieg. Angeblich kam die Idee von ein paar Jungen, die zuvor noch nie dort waren. Als das Thema zur Schuldfrage wechselte, sprach der frühere Mönch in der Mehrzahl: „Wir sind uns bewusst, dass wir das verursacht haben.“ Davon, dass er strafrechtlich belangt werden könnte, redet in Thailand inzwischen niemand mehr.

Die Kinder erfuhren erst nach einer Woche vom Tod des Tauchers

Am größten ist die Verehrung jedoch für den Marinetaucher Saman Kunan (38), der bei den Vorbereitungen für die Rettungsaktion ums Leben kam. Der Ex-Militär wurde posthum vom König um sieben Ränge nach oben befördert. So etwas gab es in der jüngeren Geschichte des Landes noch nie. Auch die Kinder weinten, als sie – mit mehr als einer Woche Verspätung – von seinem Tod erfuhren. Mit einem Porträt in Goldrahmen erinnerten sie an ihn. Es war der traurigste Moment der anderthalb Stunden.

Gegen die kollektive Entlassung der „Wildschweine“ aus dem Krankenhaus – einen Tag früher als geplant – hatten die Mediziner nichts mehr einzuwenden. Die Ärztin Patchareewan Inta sagte: „Alle sind gesund. Auch mental können sie den Druck aushalten. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.“ Dann durften alle nach Hause. Bald ist auch wieder Schule.

Möglicherweise geht die Gruppe gemeinsam ins Kloster

Trotz des munteren Auftritts wird es noch eine ganze Weile dauern, bis die Kicker die Extremsituation aus der Höhle verkraftet haben. Zudem müssen sie lernen, mit ihrer vorübergehenden weltweiten Prominenz umzugehen. „Zu viel Aufmerksamkeit erhöht den Druck und Stress jetzt nur“, sagt der Kinderpsychologe Benjaporn Tuntasood. Die Hoffnung ruht darauf, dass die Kinder mit ihrer Team-Erfahrung das besser bewältigen als andere.

Es gibt auch schon neue Pläne. Es ist die Rede davon, dass sich die Jungen alle gemeinsam den Kopf scheren lassen und eine Zeit lang in ein buddhistisches Kloster gehen. Für Leute, die ein Unglück überlebt haben, ist es in Thailand durchaus üblich, sich so zu „reinigen“. Der Großvater eines Jungen meint dazu: „Das ist, als ob sie gestorben wären – und jetzt wieder geboren. Das ist zu ihrem eigenen Schutz.“

Interviews sollen sie jetzt nicht mehr geben

So beginnt der Weg zurück in die Normalität. Zu den Plänen gehört auch, dass es keine Interviews mehr gibt. Die Behörden baten offiziell darum, die Kinder und ihre Familien in Ruhe zu lassen. Der neue Provinzgouverneur Prachon Pratsakun verwies dazu auf Kinderschutzgesetze, die streng angewandt würden. Was mit all den Einladungen zu Fußballspielen rund um die Welt geschieht, ist offen. Beim WM-Finale, so viel noch, jubelten die meisten Kids mit Frankreich. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false