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Vorpommern: Stille am schwarzen Wasser

Die Touristenströme brausen am mittelalterlichen Städtchen Tribsees in Vorpommern meist vorbei. Zu Unrecht.

Früh am Morgen liegt noch milchiger Dunst über dem Fluss. Die Stille wirkt so unergründlich wie das schwarze Wasser, auf dem die Kanuten unterwegs sind. Vögel zwitschern, Schilfhalme rascheln – sonst ist nur noch das Plätschern der eintauchenden Paddel zu hören. Hinter einer Flussbiegung wachsen unerwartet die Konturen das Städtchen Tribsees in Vorpommern aus dem Grün: Die wuchtige St.-Thomas-Kirche rückt zuerst ins Bild, dann eines der beiden mittelalterlichen Stadttore aus Backstein.

Die Tore führen zu einem hübschen, dreieckigen Marktplatz. Er ist umsäumt von Fachwerkhäuschen und altertümlichen Gassen. In Tribsees hat sich an der Stadtstruktur seit dem Mittelalter so gut wie nichts geändert, so dass man glauben könnte, jeden Moment würde ein Trupp Landsknechte durch das spitzbogige Mühlentor marschieren.

Der quadratische Westturm der Pfarrkirche ist ungewöhnlich hoch, die Arbeitslosigkeit in dem Ort ebenfalls. Es gibt kein Straßencafé, kein Kino, keine Kneipen, dafür aber ein jährliches „Moorfroschfest“.

Viele junge Leute sind aus Tribsees geflüchtet – die Schönheit des 3000 Einwohner zählenden Städtchens mit seinen Fachwerk- und Backsteingebäuden und der dreischiffigen Kirche aus dem 14. Jahrhundert aber ist geblieben.

Doch Tribsees hat ein Problem: Es liegt im touristischen Niemandsland zwischen Ostsee, Usedom und der Müritz. Die Touristenströme jagen auf der nahen Autobahn A20 vorüber und lassen den Ort links liegen. Dabei hat die mittelalterliche Kleinstadt, die schon im 12. Jahrhundert erwähnt wurde, nicht nur für Liebhaber der norddeutschen Backsteingotik viel zu bieten, sondern auch für Naturfreunde.

Vor den Toren der Stadt wurde ein schöner Wasserwander-Rastplatz angelegt. Hier können Kanufahrer von Mai bis Oktober ihr Zelt aufschlagen, duschen und grillen. Wer möchte, mietet sich ein Kanu oder Kajak und startet zu einer Entdeckungstour durch die urwüchsige Landschaft des Trebeltals mit ihren Mooren, Sümpfen und Torfstichen. Eisvögel, Biber und Fischotter sind an den Ufern der Trebel ebenso zu Hause wie Rohrdommel, Wasserralle und Sumpfhuhn.

Eine besonders schöne Kanutour führt in rund fünf Stunden von Tribsees flussab in den 17 Kilometer entfernten Ort Nehringen mit seiner hübschen Holzklappbrücke, die einst die Landesgrenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern markierte. In Nehringen wartet dann der nächste Zeltplatz auf Wasserwanderer. Nach einer weiteren Tagesetappe erreichen die Kanuten Demmin, wo die Trebel in die Peene mündet.

Wem eine Kanutour eine zu wackelige Angelegenheit ist, der bleibt an Land und wandert durch das Naturschutzgebiet „Grenztalmoor“, das gleich hinter dem Ortsschild von Tribsees beginnt. Seit der von der EU unterstützen Renaturierung der mittleren Trebel dehnt sich das Grenztalmoor wieder aus, und die Wasserstände steigen. Die früheren Torfstiche sind mit Wasser gefüllt, ganze Wälder aus Rohrkolben und gelben Schwertlilien umsäumen die kleinen Gewässer und Gräben.

Molche, Frösche und Kröten nutzen nun die einstigen Wiesen und Torflöcher als Laichgebiet. Acht verschiedene Amphibienarten sind im Grenztalmoor heimisch, und vor allem Teich- und Kammmolche können während der Laichzeit in den Gewässern beobachtet werden. Die Gummistiefel darf man getrost im Auto lassen: Ein fester Weg, der als Naturlehrpfad ausgebaut wurde, zieht sich durch das Moor.

Georg Alexander

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