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Schier unübersehbar sind nicht nur die Leihwagenflotten in den Urlaubsregionen. Gleiches gilt auch für gut versteckte Fußfallen in den Mietverträgen.

© imago

Goldcar: Vielen Tank auch

Wer für den Urlaub einen Mietwagen bucht, kann schon mal sein blaues Wunder erleben. Ein Erfahrungsbericht.

Kaum Betrieb bei der Ankunft am Flughafen von Catania. Schnell geht’s zum Autovermieter. Wir halten schon alles bereit: Kreditkarte, Voucher, Führerschein, Reisepass – ruckzuck liegt das Erforderliche auf dem Tresen des Unternehmens mit dem verheißungsvollen Namen Goldcar. Der Sizilienurlaub kann also gleich beginnen. Allein, der Mitarbeiter am Tresen erscheint schlecht gelaunt. Das ist ganz ungewöhnlich im öffentlichen Leben auf der Mittelmeerinsel. Ein „Buongiorno“ und ein Schwätzchen sind allemal drin. Gehört eigentlich beides zum guten Ton. Hier wohl nicht. Ein schlechtes Omen?

Alessandro, optisch ein Doppelgänger des Havarie-Kapitäns Francesco Schettino, beginnt mit der Bearbeitung. „Ihre Visa Card funktioniert nicht. Wahrscheinlich ist Ihr Konto nicht gedeckt“, sagt der Goldcar-Mitarbeiter gelangweilt. Sollen wir gleich oder später in den Boden versinken? Gott sei Dank hat niemand mitgehört. Das kann doch gar nicht sein! Wir bitten Alessandro, es noch einmal zu probieren. Er versucht, die geforderten 2000 Euro Kaution plus erster Tankfüllung zu blocken. Nichts zu machen. Akzeptiert Alessandro auch Bargeld? Nein, bedeutet sein Zeigefinger. Aber meine Frau hat ja auch eine Visa Card. Alessandro schüttelt seine schwarzen Locken – schließlich hat nicht mia moglie den Wagen reserviert, sondern ich.

Gut. Es gibt ja die Hotline unseres Brokers. Signora Elena hört sich alles an und bedauert. Natürlich könnten wir stornieren, sagt sie. Aber dann wäre ein guter Teil der Vorkasse als Gebühr fällig. „Können Sie das verstehen?“ Können wir. Die Höhe der verlangten Kaution sei allerdings ziemlich happig, sagt Elena. Wir könnten es mal mit einer „Rundum-Sorglos-Versicherung“ von Goldcar versuchen. Dann werde keine Kaution fällig. Alessandros Gesicht hellt sich auf, als wir ihm diesen Gedankengang vortragen.

Eine zusätzliche Versicherung bringt extra Provision

Bei Abschluss von Zusatzversicherungen kassieren die Mitarbeiter von Autoverleihfirmen schließlich Provision. Plötzlich funktioniert die Visa-Karte problemlos. Aber halt, dürfen wir vorher mal den Vertrag sehen? Nein, sagt Alessandro und bittet um eine elektronische Unterschrift. Und da kommt auch schon der Vertrag, bereits mit dem Zusatz: 133,20 Euro „Super Relax“. Das ist wohl die Versicherung. Aber was ist denn das hier? Unter „Upgrade“ finden wir noch 18,85 Euro auf dem Zettel. Wir wollten aber gar kein Upgrade. „Das macht der Computer automatisch, das hat mit der Zusatzversicherung zu tun“, sagt der Kapitän des Tresens.

Hat also alles seine Richtigkeit. Das mit dem Benzin auch? Als dritte Position werden nämlich noch 59,53 Euro für „Flex Fuel“ aufgeführt. „Der Tank ist zu Siebenachtel voll“, sagt Alessandro. Überprüfen können wir das hier am Tresen nicht. Aber man muss ja nicht gleich Böses denken, nur weil er aussieht wie Francesco Schettino. Wir schauen in die Unterlagen des Autovermittlers Auto Europe: „Bei Fahrzeugübergabe wird dem Mieter die erste Tankfüllung, zuzüglich einer Betankungsgebühr berechnet. (…) Bei Rückgabe des Fahrzeugs erfolgt eine Gutschrift für nicht verbrauchten Treibstoff, nach Achteltankanzeige, jedoch keine Erstattung der Betankungsgebühr.“ Auch mit dieser Position hat es offenbar seine Richtigkeit.

Dann kann’s ja losgehen. Durchgeschwitzt erreichen wir den Parkplatz, wo die Goldcars warten – er liegt etwas abseits. Der schwarze Opel Astra ist nagelneu, die Karosserie hat nicht einen Kratzer. Kilometerstand: 1800. Der Tank? Au weia! Siebenachtelleer statt siebenachtelvoll. Wohl ein Versehen. Wir denken ans achte Gebot und suchen eine Tankstelle.

Elf Euro als Spritrückerstattung - viel zu wenig

Nach sieben Tagen laufen wir wieder an Alessandros Flughafenpier ein. Alessandro hat frei. Lucia hat Dienst. Oder hieß sie Luisa? Auf jeden Fall ist auch sie trotz „Bongio“ etwas reserviert. Wir wollen unser Geld zurück: Wir geben den Wagen halbvoll ab. Außerdem fordern wir – eigentlich viel zu spät – Satisfaktion für den fast leeren Tank, den wir beim Beginn unserer Reise als fast voll bezahlt hatten. Lucia-Luisa vermerkt unter dem Stichwort „Out“ ein Achtel, unter „O.K. return“ vier Achtel Sprit. Alles okay also. Endlich.

Zurück in Berlin flattert nach bereits drei Tagen die Abrechnung der Visa-Karte ins Haus. Wer abgebucht hat, ist nur zu erahnen. Der spanische Anbieter Goldcar taucht auf dem Abrechungszettel des Kreditkarteninstituts gar nicht auf – hier ist nur das Wort Catania zu lesen; die Positionen sind nicht identisch mit den im Vertrag aufgeführten. Sie ergeben allerdings in der Summe den eingangs geforderten Betrag. Als Spritrückerstattung wurden – dieses Mal unter „Goldcar Italy“ – sage und schreibe elf Euro vergütet. Viel zu wenig: der Opel Astra-Tank fasst 67 Liter. Da ist wohl etwas schief gegangen. Kann ja passieren. Strich drunter.

Aber was ist mit der Visa Card? Warum wird der Zahlvorgang gestoppt, wenn größere Beträge als Kaution geblockt werden sollen? Wir sind Kunden der Berliner Sparkasse und rufen unsere Beraterin an. Sie weiß auch nicht, was da los ist. Der Kartenservice bei der Landesbank Berlin klärt auf: „Leitungsprobleme kommen schon mal vor“, sagt die Mitarbeiterin, aber der geforderte Betrag wäre mühelos zu blocken gewesen. Was hätten wir tun können? „Auf der Rückseite der Karte steht eine Servicenummer, die ist Tag und Nacht, auch an Wochenenden und an Feiertagen besetzt.“ Ah ja. Wir rufen unseren Broker an. Kundenklagen über Goldcar kennt er schon. Auto Europe erstattet uns ohne Wenn und Aber das Upgrade und den berechneten Sprit beim Start. Das war es dann aber auch.

Abnutzung der Reifen kann auch berechnet werden

Der Tagesspiegel bat Goldcar mit Sitz im spanischen Alicante um eine Stellungnahme zum beschriebenen Fall und auch zu den ungezählten Beschwerden, die von Goldcar-Kunden im Internet kursieren. Marketingdirektor David Contreras ließ uns per E-Mail von einer Mitarbeiterin ausrichten, Goldcar sei seit 25 Jahren am Markt und habe eine „treue Stammkundschaft von mehr als 850 000 Kunden“, von denen „mehr als 80% ihren Verwandten und Freunden Goldcar empfehlen würden“, falls sie einen Mietwagen benötigten. Auf den vorliegen Fall eingehend wird in der Mail behauptet, „wir haben dem Kunden alle Kosten erstattet“. Was nachweislich nicht der Fall ist.

In der Mietwagenbranche gilt Goldcar als „Foulspieler“. In Internetforen wird gar von bewusstem Betrug geschrieben: Immer geht es um Tankregelung zu Ungunsten der Kunden und den Abschluss von Zusatzversicherungen. Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Im Kleingedruckten behält sich Goldcar auch vor, die Abnutzung der Reifen in Rechnung zu stellen. Es gibt auch Kunden, die von einer Spezialreinigung berichten, die als Position einer im Nachhinein belasteten Kreditkarte auftaucht.

Warum werfen die Mietwagen-Portale Goldcar nicht aus dem Programm? Wir fragen bei Auto Europe an. Der Broker bleibt die Antwort indes schuldig und lässt durchklingen, dass das Kind bereits im Brunnen ist, wenn man sich nicht vor Buchungsabschluss über den Anbieter informiert hat: „Bei einigen Partnern wie z.B. Goldcar, die zum Teil sehr attraktive Preise anbieten, sollte der Kunde vor Abschluss genau prüfen, welche Konditionen (Selbstbeteiligung etc.) der jeweilige Vertragspartner anbietet.“

Der Sprecher eines anderen Mietwagen-Portals möchte nicht zitiert werden, spricht aber dafür Klartext: „Goldcar gaukelt niedrige Preise vor, und zieht den Kunden dann zusätzlich Geld aus der Tasche.“ Eine Masche. Goldcar bleibe vor allem deshalb im Angebot, weil die Portalbetreiber Wettbewerbsnachteile fürchteten. Die Spanier bringen mit ihren niedrigpreisigen Lockangeboten eben besonders viele Besucher auf die Internetseiten…

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