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Frankreich: Flirten in Paris

Ein Jahr am fremden Ort: Eine neue Buchreihe erzählt von Abenteuern im cosmopolitischen Alltag. Paris macht den Anfang. Silja Ukena ist dort eingetaucht und nimmt Leser mit ins französische Flair von Charme, Baguettes und Beziehungskisten.

Museen, Kirchen, Baudenkmäler, alles gut und schön. Aber wie viel sagen Sehenswürdigkeiten schon aus über eine fremde Stadt? Wer sich nur auf den Touristenpfaden bewegt, bekommt meist nur Oberflächliches mit. Begreifen kann man einen fremden Ort erst, wenn man in den Alltag seiner Bewohner eintaucht und ihren Lebensrhythmus aufnimmt. Eine neue Buchreihe im Herder Verlag zeigt, wie lehrreich und überaus vergnüglich das sein kann. Erschienen sind bislang mit dem Vorspann „Ein Jahr in …“ die Städte und Regionen Paris, London, Barcelona, Montreal, Australien und die Toskana. Wenn alle Erfahrungsberichte so gut geschrieben sind, wie die Paris-Erlebnisse von Silja Ukena, kann man den Verlag zur Reihe nur beglückwünschen. Hellsichtig, ironisch und mit viel Witz erzählt die Autorin, wie man die Seine-Metropole erobern kann.

Ohne Französisch geht das gar nicht. Und nicht nur ein bisschen sollte man es können, sondern richtig gut. Als die Autorin im Bäckerladen „un baguette“ verlangt, hat sie schon verloren. „Voilà, Mademoiselle: une baguette“, belehrt die Verkäuferin auf charmant-vernichtende Weise. Auch sonst wirkt die Stadt auf Silja Ukena erst mal einschüchternd: „Der Verkehr, die Menschen, deren Verhalten allzu oft zwischen Ruppigkeit und Arroganz zu wechseln scheint“, schreibt sie. Höflich schicken die Pariser jedem Rippenstoß im Gedränge zuverlässig ein „Pardon“ hinterher. „C’est comme ça“ (so ist das eben) finden Franzosen, und vermutlich ist dieser Satz der am meisten gebrauchte in der Stadt. Auch die schier unerschwinglichen Preise einer Wohnung in der Metropole werden so kommentiert. Für ein Studio, so nennt man 30 bis 40 Quadratmeter Mini-Appartements unterm Dach mit Küche, Toilette und meist wackligen Duschkonstruktionen, muss man rund 800 Euro im Monat hinblättern. Winzige Zimmer werden gern mit dem Zusatz „coquet“ oder „avec vue“ (mit Aussicht) beworben, auch wenn es sich nur um lausige Buden handelt.

Pariser hassen Mittelmaß. Und so wird eine Diskothek, ein Restaurant oder ein Modelabel entweder als „top du top“, „le max“ oder „halluciant“ bejubelt – oder als Gegenteil davon verdammt: „complètement off-road“. Wenn Pariser einen Laden mit „c’est fini ça!“ charakterisieren, kann er dichtmachen.

Das Paris der Einheimischen ist ihr jeweiliges Quartier. Mit Bäcker, Fleischer, Käsehändler und Kioskbesitzer, mit denen man sich tunlichst befreunden sollte. Dann, und nur dann, bekommt man den besten Camembert und Monsieur im Zeitungsladen hebt der Kundin die „Libération“ bis zum Mittag auf.

Das wichtigste in Paris: das Essen und der Flirt. Silja Ukena, schließlich in einer WG untergeschlüpft, befreit den Kühlschrank von einem stinkenden Käse und wirft ihn in den Müll, nicht ahnend, dass es sich um einen sündhaft teuren, extra bestellten Münster handelt. „Das bringt wirklich nur eine Deutsche fertig“, ruft ihr Mitbewohner, außer sich vor Wut. Mit dem Kochen klappt es immer besser – und auch mit der Liebe. Silja Ukena schaut den Pariserinnen Dinge ab, „die Simone de Beauvoir verabscheuen“ würde.

Die Autorin hat ins Herz von Paris geblickt. Man beneidet sie ein bisschen darum – und wird sich beim nächsten Besuch an der Seine einfach comme il faut bewegen. Hella Kaiser



Silja Ukena: Ein Jahr in Paris. Reise in den Alltag, Herder Verlag, Freiburg, 2007, 190 Seiten,

12, 90 Euro. Zum selben Preis gibt es auch die fünf übrigen Bücher dieser Reihe

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