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Frisches, elegantes Bukett im Rheingau. Reben der Sorte Riesling wachsen auch im Weinberg unter der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim am Rhein (Hessen).

© Fredrik von Erichsen/dpa

Rheingau: Generation Riesling räumt auf

Auf Weinrouten durch die Kulturlandschaft Rheingau – zu jungen Winzern, weit entfernt von der Rüdesheimer Drosselgasse.

Karl der Große war hier, Mönche hatten zahlreiche Klöster gegründet und Goethe, der stets wusste, wo es schön war und der Wein schmeckte, ist hier gewandert. Der Rheingau ist Kulturland. Daran muss erinnert werden, sonst denkt man vielleicht, es gäb’ hier nur Drosselgassen.

Rüdesheim mit seiner Rumtata-Meile, in der schon mittags selbst ernannte Sangeskünstler ihr Bestes versuchen und kaum ein Cafébesucher es schafft, den von den Kellnern aufgedrängten sogenannten Rüdesheimer Kaffee auszuschlagen, ist so etwas wie die Hauptstadt des Rheingaus – ein Ort mit zwei Gesichtern. Denn wenige Schritte abseits der Krakeeler gibt es nicht nur stille Winkel, sondern auch viel bessere Getränke als Kaffee mit Weinbrand und Sprühsahne. Der Rheingau, der sich westlich von Wiesbaden erstreckt, wo der Rhein seine Richtung ändert und ausnahmsweise nach Westen statt nach Norden fließt, ist schließlich in erster Linie ein Weingau.

Während das Anbaugebiet Rheinhessen in Rheinland-Pfalz liegt, gehört der Rheingau zu Hessen. Alles klar? Wenn nicht, egal, Hauptsache, der Wein ist gut. Und das ist er im Rheingau – nicht zuletzt dank der Arbeit von Theresa Breuer. Die junge Rüdesheimerin ist Winzerin mit Leib und Seele. Zur Lese ist sie jeden Tag mit im Weinberg. „Hier liegt der Schlüssel für die Qualität des Weines“, erklärt sie, „nicht mehr im Weinkeller, wie früher.“ Die Ernte bringen Theresa Breuer und ihre Helfer ausschließlich mit der Hand ein, um beschädigte Trauben aussortieren zu können. Das sei zwar zeitraubend, komme dem Wein aber zugute. „Er schmeckt dann einfach besser“, freut sich die engagierte Winzerin, in deren Weinbergen die Reben komplett ohne Chemie gedeihen. In ihrer coolen Vinothek in Rüdesheim kann man sich davon überzeugen.

Der Rheingau ist uraltes Rebenland

Gemeinsam mit jungen Kollegen setzt Theresa Breuer auf Klasse statt Masse. Die „Generation Riesling“ sorgt dafür, dass das kleine Weinbaugebiet seinen Spitzenplatz in Deutschland in puncto Qualität ausgebaut hat. Auf 80 Prozent der Fläche wird im Rheingau Riesling angebaut. „Wein ist nicht irgendein Produkt, sondern prägt das Image unserer Heimat. Schließlich ist hier Weinbaugeschichte geschrieben worden“, weiß die junge Winzerin.

Typisches Aushängeschild
Typisches Aushängeschild

© imago

Der Rheingau ist uraltes Rebenland. Karl der Große ließ hier roden, um Weinstöcke pflanzen zu können. Später wurde der Weinbau in den vielen Klöstern der Region weiterentwickelt. Noch heute stellt er für die Benediktinerinnen aus Eibingen, die ihr Kloster mit eigenen Mitteln unterhalten müssen, die wichtigste Einnahmequelle dar. Das berühmteste der Rheingauer Klöster ist Eberbach, in dessen Mauern Szenen der Verfilmung des Romans „Der Name der Rose“ gedreht worden sind. Heute ist es als hessisches Staatsweingut das größte Weingut in Deutschland.

Am nur 65 Kilometer langen Lauf des Rheins durch seinen Gau – von Wiesbaden nach Lorch – findet man sozusagen auf Schritt und Tritt (ehemalige) Klöster und Schlösser. Auch das älteste Weingut Deutschlands liegt im Rheingau. Die Geschichte von Schloss Vollrads mit seinem markanten Turm und dem lauschigen Bier- beziehungsweise Weingarten reicht bis ins Jahr 1211 zurück. Und am Johannisberger Schloss, vor dessen Toren der sogenannte Goethe-Blick eine famose Aussicht über den Rhein und seine Inselchen bietet, wurde 1720 der erste Riesling-Weinberg angelegt.

Gleich oberhalb der Rheinorte wandert man auf den, ja, man ahnt es vielleicht schon: den Riesling-Routen. So lernt man den Rheingau von seiner schönsten Seite kennen – aus der ersten Etage, immer den Fluss im Blick, Weinberge durchquerend, in denen auch eine Überraschung wie ein gut gefüllter Wein-Kühlschrank auf die Wanderer wartet. Als Stationen locken die historischen Stätten. Und Straußwirtschaften, in denen man rasten und Wein probieren kann, liegen selbstverständlich am Weg. Auch für Radwanderer gibt es einen Riesling-Weg durch den Rheingau.

Abends trifft man sich am Weinpavillon

Für Wanderer empfiehlt sich der Start mit der kleinen Kabinenseilbahn in Rüdesheim. Gemächlich zuckelt sie über die Weinberge von Theresa Breuer und erreicht nach zehn Minuten das Niederwald-Denkmal mit der kolossalen Germania. Die Dame soll aber mitnichten den Ruhm des deutschen Weines preisen, sondern erinnert an die Gründung des Deutschen Reiches 1871. Stolz streckt sie statt Glas und Reben eine lorbeerumrankte Krone in den Himmel.

Von den Weinbergshöhen hinabzusteigen, lohnt sich besonders in Eltville. Gegenüber Rüdesheim wirkt der Ort mit seiner hübschen Altstadt und ihren prächtigen Adelshöfen angenehm in sich gekehrt. An der Promenade, um deren Erhalt in den 60er Jahren Deutschlands erste Bürgerinitiative erfolgreich gekämpft hat, trifft man sich nachmittags und abends am Weinpavillon. Im Wochenrhythmus schenken hier zumindest in den helleren Monaten immer andere Winzer ihre neuen Weine aus. Brezel- und Spundekäsverkäufer sorgen dafür, dass man Lust auf ein weiteres Gläschen bekommt. Man sitzt unter Platanen, lässt die Beine von der Uferbefestigung baumeln oder geht ein paar Schritte über die Promenade zur Kurfürstlichen Burg mit ihrem Rosengarten.

Schöner als an der Promenade von Eltville kann man seine Rheingau-Entdeckungen kaum abschließen. Und man wird verstehen, was Theresa Breuer gemeint haben könnte, als sie sagte: „Wenn ich auf Reisen oder Weinmessen erzähle, dass ich im Rheingau Riesling anbaue, ernte ich meist ein erfreutes Lächeln.“

Ulrich Traub

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