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Adventsritt vom Ponyhof aus. Für die Kinder hängen dann Päckchen an den Zweigen – zum Abpflücken.

© Ponyhof Neuholland

Ponyhof: Fröhlich in der Bahn bleiben

55 Kilometer sind es von Berlin aus zum Pferdeglück. Der Ponyhof ist ein Kinderparadies. Aber auch Erwachsene dürfen aufsitzen.

Mia will abbiegen, doch Nico hat andere Pläne. Statt dem ausgetretenen Hufschlag in der Reitbahn zu folgen, marschiert das hübsche braune Pony zielstrebig auf das Ausgangstor zu. So leicht lässt Reitlehrerin Mareike von Ponyhof Neuholland es allerdings nicht davonkommen. Sie schnappt sich Nicos Trense und zieht ihn sanft, aber bestimmt in die Bahn zurück. „Bei der nächsten Runde sag’ ihm rechtzeitig, wo du hinwillst“, erklärt sie Mia und zeigt ihr wie: linken Zügel gegen den Hals des Ponys legen, rechten Zügel vom Pferd wegführen und mit dem linken Bein kräftig drücken. Leichter gesagt als getan, doch irgendwann hat die Sechsjährige den Bogen raus. Nico schielt nur noch sehnsüchtig in Richtung Ausgang, absolviert aber brav den kleinen Slalomparcours, den Mareike mit Baustellenhütchen aufgebaut hat.

Nur rund 55 Kilometer sind es aus der Berliner City-West bis zum Ponyhof Neuholland, 45 Minuten Autofahrt, eine Bibi-Blocksberg-CD lang. Gefühlte Entfernung: Lichtjahre. Donnerten nicht eben noch auf der Stadtautobahn die Laster vorbei? Jetzt rauscht eine große Kastanie im Wind, während sich die Herbstsonne zwischen zwei düsteren Wolken hervorschiebt. Auf dem Reitplatz dürfen die Kinder traben – einige fröhlich quietschend, andere mit ernsten Gesichtern. Und auf den Tellern der Eltern duftet Petras Schokoladenkuchen.

Petra, Haushaltshilfe und guter Geist des Hofes, ist jedes Wochenende eine gefragte Frau. In ihrer Küche gibt es die Tickets für den Reitunterricht, zu dem Kinder ab vier Jahre, aber auch Erwachsene jeden Sonnabend und Sonntag spontan vorbeikommen können. Nur pünktlich sollte man sein, vor allem bei gutem Wetter, denn bei mehr als 20 Reitern wird es eng. Wer auf Nummer sicher gehen will, quartiert sich in einer der hofeigenen Ferienwohnungen ein. Im „Futterhaus“ zum Beispiel, im Schatten der Kastanie mit Blick auf den Reitplatz. Oder im Doppelapartment „Löwenhöhle und Schwalbennest“, vor dessen Fenstern die Sonne hinter den Apfelbäumen untergeht.

50 Ponys, vom winzigen Barny bis zum kräftigen Gallahat

Kein Wunder, dass sich die Berliner Familie Steinbach vor 20 Jahren in diesen Ort verguckte. Obwohl der kleine Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert damals noch im Dornröschenschlaf lag. „Ein Jahr lang haben wir renoviert, 1994 kamen die ersten Kinder“, erinnert sich Julia Steinbach, die den Hof heute zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Anna betreibt. 17 waren sie damals, reitverrückt bis über beide Ohren, „und mit unserem Pferdefimmel haben wir dann unsere beiden Brüder angesteckt“. Auch die Eltern wollten raus aus Berlin und aufs Land. „Das hier war ein echtes Familienprojekt“, sagt Julia.

Die zweite Familie, um die sich alles dreht, steht draußen auf der Koppel: 50 Ponys verschiedener Rassen, vom winzigen Barny bis zum kräftigen Gallahat. „„Kennt ihr denn unsere Ponyregeln?“, ist die erste Frage, wenn sich die Kinder vor dem Reiten im Hof versammeln. Wer öfter kommt, weiß Bescheid. Nicht rennen, nicht schreien und nicht von hinten an die Ponys herangehen. „Denn Pferde sind Fluchttiere und erschrecken sich leicht“, erklären Anna und Julia geduldig jedes Mal aufs Neue. Dann gilt es, das Lieblingspony zu ergattern. Unentschlossene dürfen wählen: Groß oder klein? Schnell oder langsam? Lieb oder frech? Für jede Kombination findet sich der passende Vierbeiner.

Zum Schluss muss nur noch eins geklärt werden: Unterricht oder Ausritt? Während die Kinder meist schnell wissen, worauf sie gerade Lust haben, sind Erwachsene hin- und hergerissen. Ringsum lockt das herrliche Landschaftsschutzgebiet „Schnelle Havel“ mit Wiesen, Feldern, Bachläufen und imposanten Pappelreihen. Auf dem Reitplatz zeigen die Steinbach-Zwillinge und ihre Helferinnen, worauf es ankommt, damit Pferd und Reiter sich verstehen. Wer den strengen Kommandoton manch anderer Ställe gewohnt ist, macht hier eine erstaunliche Entdeckung: Es geht auch anders. Ruhig, geduldig, lustig. Geritten wird ohne Gebiss – sanfter fürs Pferdemaul –, und wie beim Westernreiten lernen die Kinder, ihr Pony mit feinen Kommandos, mit dem Gewicht und mit der Stimme zu lenken.

Auf dem Ponyhof gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Klamotten

Wer sich traut und mindestens sieben Jahre alt ist, kann auf dem Hof auch ohne Eltern Urlaub machen; immer in der ersten Hälfte der Herbst-, Oster- und Sommerferien. In der zweiten Hälfte wird an Familien vermietet – zum Glück für Mütter und Väter, Omas und Opas, die ein wenig stadtmüde sind. Reiten dürfen sie selbstverständlich alle; Haflinger Kalle oder Kaltblut Albert tragen zum Beispiel mühelos Erwachsene. Aber auch als Zaungast kann man herrlich entspannen. Im Abendlicht zur Koppel schlendern. Die Hofkatzen kraulen. Oder mit dem Sohnemann „Opa Willi“ verfolgen, der mit Traktor, Mini-Bagger und Rasenmäher den Hof in Schuss hält.

Eines aber sollten alle Gäste in Neuholland sein: wetterfest. Auf die Reithalle wird noch gespart; ein Vogelhäuschen am Sattelplatz nimmt Spenden entgegen. „Mit den richtigen Klamotten kann man aber eigentlich immer reiten“, sagt Julia. Bangemachen gilt nicht. Für die Adventswochenenden haben sie und Anna sich ein besonderes Programm ausgedacht: Sonnabends geht es zum Weihnachtsmarkt nach Schloss Liebenberg. Zum Adventsritt am Sonntag hängen kleine Päckchen in den Bäumen rund um den Hof, die vom Pferd aus gepflückt werden können.

Zurück in der Stadt ist man dann leider genauso schnell, und nur noch die dreckigen Gummistiefel erinnern an die Landpartie. Putzen? Lohnt sich nicht. Wer einmal da war, kommt sowieso bald wieder.

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