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Einzigartig. Allein etwa 200 handgefertigte Fächer haben die Hoteliers des Metropole zusammengetragen und neben anderen Preziosen in ihrem Haus ausgestellt.

© Inge Ahrens

Venedig: Venedigs Wunderkammer

An Sehenswertem mangelt es der Stadt nicht. Doch ein Hotel präsentiert eine ungewöhnliche Sammlung von Reisesouvenirs.

Venedig ist heiß. Von den Temperaturen her natürlich eher im Sommer. Dann kommen Touristen und Einheimische gleichermaßen ins Schwitzen. Kühlung ist gefragt. Das insbesondere für weibliche Wesen passende Accessoire an allzu drückenden Sommertagen im drängenden Menschenschwarm der Lagunenstadt fände sich am ehestens hinter den Mauern des Hotels Metropole.

Das historische Haus ist nämlich nicht nur eine familiengeführte feine Luxusherberge, es birgt auch – neben anderen kostbaren Kinkerlitzchen – eine unfassbar große Sammlung antiker Fächer, die der Hotelier Pierluigi Beggiato (81) und seine Frau Elisabeth (80) in mehr als 50 Jahren auf ihren zahlreichen Reisen zusammengetragen haben.

Die Fächer hängen fein gerahmt hinter Glas auf der L’Etage dei Ventagli im Hotel. Ein ganzes Stockwerk ist ihnen gewidmet. Manche sind mit Marabufedern besetzt oder mit Perlen bestickt. Bei anderen spannt sich goldener Damast auf der Montur, oder Calais-Spitze schlägt Rad. Frühe Künstler malten mit dem Barthaar eines Kätzchens klitzeklein barocke Blindekuhspiele auf schwarzen Taft und biedermeierlich Blumenbouquets auf schneeweiße Gänsefedern. Im letzten Jahr wurde eine Auswahl dieser Preziosen zum ersten Mal in Venedigs historischem Museum für Kostüme und Textiles im Palazzo Mocenigo ausgestellt.

Freud, Proust und Mann waren hier zu Gast

Gloria Beggiato (49) ist die tizianrote Tochter ihrer leidenschaftlich sammelnden Eltern, und nach deren Rückzug ins Private seit 2000 leitende Gastgeberin in dritter Generation am Riva degli Schiavoni. Gloria hatte deren Trouvaillen gesichtet, gebündelt und in die längst fällige neue Ausgestaltung der opulenten Suiten und Zimmer mit einbezogen. Auf stoffbespannten Wänden und inmitten weiterer erlesener Familienantiquitäten findet die Vernissage der Fächer dort ihre Fortsetzung.

Glorias Großvater Tiberio Beggiato war Anfang des 20. Jahrhunderts von Verona her nach Venedig gekommen, wo er eine Weile mit dem später legendär gewordenen und von ihm „Beppi“ genannten Giuseppe Cipriani ein Zimmer teilte, weil ihrer beider Einkommen als junge Männer für eine eigene Wohnung nicht reichte. Glorias Eltern Elisabeth und Pierluigi Beggiato hatten sich mit gerade mal Zwanzig auf der österreichischen Hotelfachschule in Bad Gastein kennengelernt und auch dort ihr erstes Hotel, das „Regina“, eröffnet.

1968 übernahmen sie das Metropole in Venedig. Das Haus war bereits seit 1880 als „Casa Kirsch“ geführt worden. Sigmund Freud soll dort gewohnt haben, Marcel Proust und später auch Thomas Mann, der so manches Erlebnis während seiner Venedig-Reise 1911 in die Novelle „Tod in Venedig“ einfließen ließ. Wie damals die „Casa Kirsch“ gilt auch das Hotel Metropole heute als eines der besten Häuser am Bacino di San Marco, wie die Lagune dort heißt, wo der Canal Grande sein Ende hat. Das Metropole liegt an Venedigs berühmtester Uferpromenade, die sich von der Piazza San Marco bis hin zu den Giardini Pubblici zieht.

Korkenzieher, Nussknacker und noble Handspiegel

Heitere Zeiten. Gloria Beggiato präsentiert ein Belle-Époque-Abendtäschchen
Heitere Zeiten. Gloria Beggiato präsentiert ein Belle-Époque-Abendtäschchen

© Inge Ahrens

„Mein Sammlerinteresse erwachte in den 1960er Jahren“, schreibt Pierluigi Beggiato in dem kleinen Fächer-Katalog, der aus Anlass der Museumsausstellung erschien und nun in den Zimmern auf den Nachttischen liegt. Während einer Auktion kostbarer alter Bordeaux-Weine bei Sotheby’s in London war ihm eine Kollektion alter Korkenzieher zugefallen, die so kurios und selten war, dass die Jagdleidenschaft auf altes und ausgefallenes Handwerk geweckt war. „Meine Frau und ich haben das kultiviert, und so entwickelte sich das Metropole zu einer Art Wunderkammer. Wir haben allein mehr als 200 Fächer“, verrät Pierluigi Beggiato.

Und nicht nur das. Wer das granatapfelrote Foyer mit den dämmrigen Fortuny-Seidenampeln Richtung Garten durchschreitet, kommt in der sogenannten Galerie aus dem Staunen nicht heraus. Pierluigis und Elisabeths Wunderkammer in mannshohen Glasschränken birgt die schon erwähnten Korkenzieher, mit Bären und Pinguinen besetzte Buchstützen, jede Menge lustige Nussknacker und noble Handspiegel.

Eine verlockende Kollektion kleiner Belle-Époque-Abendtaschen glitzert im Spotlicht. Sie sind mit Muscheln besetzt, Petit Point bestickt oder von böhmischen Glaskünstlern über und über mit Perlen besetzt. Dazu gibt es eine unüberschaubare Anzahl herrlicher Etuis aus Perlmutt, Schildpatt und Ebenholz für Visitenkarten aus der Zeit als die elegante Konversation noch Stil hatte. Auch ein paar Kruzifixe sind drapiert. Weiteren der heiligen Symbole ist außerdem die ganze dritte Etage des Hotels gewidmet. Im Hotel Metropole befindet sich die größte Sammlung von Kleinkreuzen Italiens.

"Meine Eltern sind eigentlich immer unterwegs, um Schönes zu entdecken"

Es ist was zusammengekommen seit Pierluigi und Elisabeth Beggiato dem Sammeln verfielen. Originale mussten es sein, handgemachte. Anfangs reparierte Elisabeth manch ruinierten Fächer noch selbst. „Früher war ja im Winter Nebensaison in Venedig“, erzählt Tochter Gloria. Da seien die Eltern immer nach Paris, London, Südfrankreich, Los Angeles oder New York gefahren und stöberten auf Flohmärkten, besuchten Auktionen. Soeben seien sie wieder in Nizza, von dort aus haben sie einem Freund schon mal eine Tasche mit noch mehr Fächern und einer kostbaren alten Lampe mitgegeben. Die Familiensammlung ist – natürlich – unverkäuflich. Sie wächst und wächst, und manchmal bringen sogar Stammgäste einen Fächer oder ein Täschchen mit.

„Meine Eltern sind eigentlich immer unterwegs, um Schönes zu entdecken“, sagt Gloria und schmunzelt. Sie selbst ist längst ebenfalls infiziert von der Sammellust. Gloria lebt in ihrem Elternhaus im Stadtteil San Marco. Dort wird es auch langsam eng. „Ich liebe Vintage“, schwärmt die schöne Venezianerin. „Bei mir sind es allerdings extravagante Kleider, Hüte und Schuhe.“ Einzelteile wurden sogar schon mal während der „Venice Fashion Night“ im Hotel ausgestellt. Aber auch ein paar Trompeten habe sie sowie eine Kollektion alter Violinen.

Apropos Violinen. Der Teil des Metropole, in dem sich heute die Orient-Bar befindet, gehörte einst zu einem viel älteren Gemäuer. Antonio Vivaldi (1678–1741), venezianischer Violinist und Komponist des Barock, geweihter Priester und Kaplan der Kirche Santa Maria della Pietà, soll genau dort das ihm von der Kirche anvertraute Waisenhausorchester 13 Jahre lang unterrichtet haben.

La Pietà nennen die Venezianer das spätbarocke Gotteshaus. Es steht Seite an Seite mit dem Hotel Metropole. Beide Grundstücke und Bauwerke gehören der Kirche. Ein herrliches Deckengemälde von Giovanni Battista Tiepolo spannt sich über den Kirchenraum. Wer ins Metropole spaziert, hört deshalb hin und wieder Vivaldi-Kompositionen klingen.

Metropole Hotel, Riva degli Schiavoni 4149; Telefon: 00 39 / 041 / 520 50 44, Internet: hotelmetropole.com

Literaturtipp für Venedig-Reisende

Was isst man nur am besten in der vielleicht schönsten aller Städte? Und wo? Was ist überhaupt venezianische Küche? Am besten, man holt sich vor der Reise Rat. Katie und Giancarlo Caldesi, die Autoren des Führers "Die Küche Venedigs. Traditionelle Rezepte neu entdeckt", sind als Gastronomen (in England und Irland) vom Fach. Die von ihnen erarbeiteten Rezepte basieren auf der Geschichte Venedigs, die sie wunderbar erzählen. Die atmosphärischen Fotos von Helen Cathcart machen Lust auf mehr. Und da gutes Essen in Venedig (zu) teuer sein kann, gibt es auch ein paar handverlesene Restaurant-Tipps am Buchende. Immer auf der sicheren Seite ist man in einem Bàcaro unter Einheimischen tief im Straßengewirr. In den kleinen Lokalen gibt es Tramezzini, Crostini oder winzige Quadrati, belegt mit gebratenem Gemüse, Krabben, Schinken oder Käse. Ein Ort, an dem sich die Venezianer mittags treffen und auch abends, bevor sie nach Hause gehen. Dort kann man bei einem Glas Wein die Venezianer beim Schmausen kennen lernen.

Katie & Giancarlo Caldesi: Die Küche Venedigs. Traditionelle Rezepte neu entdeckt. Knesebeck, München2015, 270 Seiten, 29,95 Euro.

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