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Sichergestellt. Polizeibeamte präsentieren über eine Tonne Kokain. Die Hamburger Polizei hatte die Lieferung im November in einem Lastwagen entdeckt.

©  Daniel Reinhardt/dpa

Rauschgifthandel EU: Kokain mit Lieferservice aus dem Darknet

Messenger-Dienste, Soziale Medien und Darknet: Wie die Digitalisierung den Dealern in der EU den Vertrieb des illegalen Rauschgiftes erleichtert.

Beim Handel mit Kokain hat sich EU-weit ein Online-Markt etabliert. Die verbotene Droge wird von kriminellen Dealern über legale Messenger-Dienste angeboten, die Verkäufe werden dann meist durch verschlüsselte App-Dienste oder im anonymisierten Darknet perfekt gemacht. Zu dieser Erkenntnis kommt das Europäische Monitoring-Zentrum für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in seiner gerade veröffentlichten Studie zu neuen Entwicklungen auf dem europäischen Kokain-Markt.

Im Darknet, ein absichtlich verborgener Teil des Internets, der von den normalen Browsern nicht angesteuert werden kann, gibt es Plattformen, über die Kokain umgeschlagen wird. 2017 wurde etwa der Marktplatz AlphaBay von den Behörden geschlossen, über den im großen Stil Kokain verkauft wurde. Zwischen 2015 und 2017 wurde allein in Deutschland über diesen Marktplatz Kokain im Wert von 1,55 Millionen Euro verkauft. Im Vereinigten Königreich betrug der Umsatz 5,8 Millionen Euro und in den Niederlanden 2,65 Millionen Euro.

Offensichtlich kaufen nicht Zwischenhändler, sondern Endverbraucher auf diese Weise im Netz ein. „Verkäufer im Darknet erfüllen die Rolle als lokaler Retailhändler“, heißt es in dem Report. Zwischen 2015 und bis zur Schließung 2017 wurden 71 354 Kokain-Transaktionen über AlphaBay registriert. Die Preise pro Gramm variieren beträchtlich zwischen den Mitgliedstaaten: von 72 Euro in Schweden, 85 Euro in Italien und 145 Euro in Finnland. Die Preise seien damit etwas höher als im Straßenverkauf. Offenbar sei der Kunde bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn die Gefahr, erwischt zu werden, geringer sei. Zudem gebe es Bewertungssysteme für die Qualität der Droge bei bestimmten Händlern, so dass der Kunde sicher sein kann, reineres Kokain zu bekommen als bei Zufallskäufen auf der Straße.

Auf dem Kokain-Schwarzmarkt bieten sich weitere Verkaufsmethoden. So gibt es Hinweise auf Callcenter, die sich darauf spezialisiert haben, per Kurier Kokain in einigen Gegenden in Belgien zu verteilen. Die Callcenter selbst sind nicht in Belgien ansässig, sondern auf dem westlichen Balkan und in Spanien. Belgische Kunden bestellen dabei über eine zentrale Telefonnummer. Danach stellen Kuriere, die sich in Belgien aufhalten, die Ware in kurzer Zeit an die gewünschte Adresse zu. Den belgischen Behörden fällt es sehr schwer, die Kuriere zu stellen, da vom Ausland nach Belgien immer wieder eine Vielzahl von Kurieren für kurze Zeit kommt und dann wieder in ihre Heimat zurückkehrt, zum Beispiel nach Albanien. Die Kuriere verteilen im Schnitt etwa ein Kilogramm Kokain pro Woche. Aus dem Großraum Paris berichten Ermittler über ähnliche Zustellsysteme berichtet.

Bandenmäßige Strukturen gewinnen an Bedeutung

Die Kommunikation zwischen Verkäufern, Kurieren und Kunden läuft häufig über teilprivate verschlüsselte Apps wie etwa WhatsApp und Telegram ab. Dies macht es für die Behörden sehr schwer, die Vorgänge zu überwachen. Auf öffentlichen sozialen Medien-Kanälen wie Instagram, Twitter und Facebook werden einem breiteren Publikum außerdem zeitlich begrenzt verfügbare Angebote angezeigt. Dabei werden Emojis wie etwa eine Schneeflocke oder Synonyme wie „Schnee“ für das Rauschgift benutzt. Berichte weisen auf den Einsatz dieser Social-Media-Plattformen in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Dänemark, Finnland, Italien, Norwegen, Spanien und Schweden hin.

Die neuen Vertriebsstrukturen werden zudem auch als Hinweis gewertet für eine Professionalisierung und zusehends bandenmäßige Strukturen bei den Hintermännern. Neben der italienischen Mafia, ’Ndrangheta und Camorra, mischen neue kriminelle Banden aus Großbritannien, Niederlanden, Irland und Spanien im Kokain-Handel in Europa mit. Die Ebene der Zwischenhändler spiele inzwischen eine geringere Rolle. Mit der enormen Ausweitung der Anbaugebiete von 2013 bis 2016 um allein 68 Prozent in Kolumbien, aber auch in Bolivien und Peru stehe derzeit so viel Kokain zur Verfügung wie lange nicht mehr. Dies spiegelt sich auch in den drastisch gestiegenen Mengen beschlagnahmten Kokains wider: 2016 wurden in Belgien 15,6 Tonnen Kokain sichergestellt. Allein im Hafen von Antwerpen lag dieser Wert 2017 bereits bei 41 Tonnen. Außerdem wurden 2017 in Lateinamerika 45 Tonnen abgefangen, die ebenfalls für Antwerpen bestimmt waren. Am Pariser Flughafen Orly ist die Zahl der Kokain-Kuriere, die erwischt wurden, von 144 im Jahr 2016 auf 254 ein Jahr später gestiegen. Schätzungen gehen aber davon aus, dass am gleichen Flughafen pro Jahr 3500 bis 4000 Kuriere unentdeckt bleiben.

Zunehmend organisierten die Banden selbst den Transport der Droge von Lateinamerika nach Europa. Dabei operierten sie auffällig oft von den französischen Überseegebieten wie Guyana, aber auch von Surinam und den Antillen. Sie nutzen dabei aus, dass diese Überseegebiete Teil des EU-Binnenmarktes sind.

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