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Der 94-Jährige Angeklagte im Münsteraner NS-Prozess hat in einer Erklärung seine individuelle Schuld zurückgewiesen.

© Guido Kirchner/dpa/AFP

NS-Prozess in Münster: Früherer KZ-Wachmann bestreitet Schuld und Kenntnis von Massenmord

Vor dem Landgericht Münster äußert sich der ehemalige Wachmann im KZ Stutthof erstmals. Eine Schuld weist er zurück, zudem habe er aus Zwang gehandelt.

Im NS-Prozess am Landgericht Münster hat sich am Dienstag der 94-jährige frühere KZ-Wachmann aus dem Kreis Borken erstmals geäußert. Der ehemalige SS-Mann wies eine individuelle Schuld an Tötungen im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zurück. Er habe in seiner Zeit dort keine „systematische Tötungsmaschinerie feststellen können“, erklärte er in einer mehrseitigen Einlassung, die von seinem Anwalt verlesen wurde.

Durch guten Kontakt zu seinem damaligen Kompanieführer sei er hauptsächlich am ersten Wachturm eingesetzt worden und nicht an der Organisation des Lagers beteiligt gewesen. Gleichwohl gab der Beschuldigte zu, dass alle Wachleute im Lager von einem Krematorium auf dem Gelände gewusst hätten.

Er habe damals aus Zwang, nicht aus Überzeugung gehandelt, hieß es weiter. Als gebürtiger Rumäne sei er im Alter von 18 Jahren vom NS-Staat als „Volksdeutscher ausgehoben“ und zum Dienst im KZ Stutthof verpflichtet worden. Die Zustände dort beschrieb er „als unsagbares Leid der Lagerinsassen“. Er habe aber weder von Genickschussmaschinen, noch von Gaskammern zur Ermordung von Juden gewusst. Aus seiner damaligen Sicht sei es ein Internierungslager für regimekritische Polen gewesen, kein Vernichtungslager. Der Beschuldigte lebt heute in einer kleinen Gemeinde im Münsterland.

Anklage wegen Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen

Der Prozess war vor einer Woche eröffnet worden. Die Staatsanwaltschaft Dortmund wirft dem ehemaligen KZ-Wachmann Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen vor (AZ: 10 KLs - 45 Js 2/16 - 13/17). Der Angeklagte war nach Angaben des Gerichts von Juni 1942 bis Herbst 1944 für die Bewachung des Lagers und die Beaufsichtigung von Arbeitskommandos außerhalb des Lagers zuständig. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft habe er von der Ermordung von Häftlingen gewusst und diese durch seine Tätigkeit im Wachdienst „willentlich gefördert“.

Der 94-Jährige muss sich vor der Jugendkammer des Landgerichts verantworten, weil er zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Taten noch keine 21 Jahre alt war. Der Prozess ist bis zum 12. Februar angesetzt. Die Staatsanwaltschaft beantragte am Dienstag die Anhörung von vier Überlebenden des KZ Stutthof als Zeugen. Die Frauen, die heute in den USA leben, sollen über Skype zum Prozess zugeschaltet werden, „um den Opfern des Holocaust eine Stimme zu geben“, wie es hieß.

Ein weiteres Verfahren gegen einen Beschuldigten aus Wuppertal ist noch anhängig. Er soll ebenfalls ab 1942 im KZ Stutthof im Einsatz gewesen sein. Zurzeit wird geklärt, in welchem Umfang der über 90-Jährige verhandlungsfähig ist. (epd)

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