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Blutmond an Kölner Dom. Freitagnacht wird sich das Schauspiel wiederholen.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Naturschauspiel: Klarer Himmel für freie Sicht auf den Blutmond

Es ist die längste Mondfinsternis dieses Jahrhunderts - und den Vorhersagen nach soll der Himmel sternenklar sein. Am Freitagabend erwartet uns ein außergewöhnliches Ereignis.

„Keine noch so perfekte Fotografie kann dieses Erlebnis ersetzen“, sagt Frank Sohl vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und gerät ins Schwärmen. Die Faszination einer totalen Mondfinsternis könne man „einfach nur selbst und live erleben“. Gelegenheit dazu gibt es am Freitagabend. Dann sollte sich jeder, der die längste Mondfinsternis des Jahrhunderts von Anfang an verfolgen will, einen Beobachtungsplatz mit freier Sicht nach Südosten suchen. Dort beginnt der Vollmond kurz vor neun Uhr über dem Horizont aufzugehen. Im Halbschatten der Erde erscheint er bereits dunkler als normalerweise. Von halb zehn bis kurz nach elf Uhr zeigt sich der Erdtrabant von seiner schönsten und dunkelsten Seite.

Weshalb der Mond blutrot erscheint

„Das Spektrum von roten und bläulichen Farben ist ganz toll zu beobachten“, sagt der Planetenphysiker. Dieses Farbspiel sei zu sehen, wenn der Mond in den zentralen Teil des Schattens hinein oder wieder hinauswandert. In diesem „Kernschatten“ genannten Bereich werde der Erdtrabant nicht etwa komplett schwarz, sondern zu einem kupferroten „Blutmond“.

Der Grund für die rote Farbe ist die Schicht aus Luft, die die Erde wie eine Haut umgibt. Die Moleküle in der Atmosphäre streuen das blaue Licht der Sonne stärker als das rote, filtern es also heraus, sodass es auf der sonnenabgewandten Seite den Mond mit „Abendlicht“ schwach erleuchtet. Je mehr Staub, Rauch und Dreck in der Luft sei, desto stärker sei das Rot.

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Das wäre nicht nur ein beeindruckendes Naturschauspiel, sagt Sohl. Weil sich während der Finsternis die Oberflächentemperatur des Mondes charakteristisch ändert, hätten Forscher früh herausgefunden, dass der Mond mit feinem Gesteinspulver überzogen ist. „Diese Methoden werden auch heute genutzt, etwa für die Monde der Riesenplaneten im Sonnensystem“, sagt Sohl.

Verschattungen auf dem Mars

Unser Nachbarplanet Mars sorge am Freitag für einen besonderen Anblick, sagt Sohl. Der Himmelskörper würde „keine Faustbreit entfernt unter dem Mond“ aufgehen, etwa ab 22 Uhr. Gegenüber der dunklen Mondscheibe wirke er wie ein roter „Stern“. Der Planet sei derzeit besonders nah an der Erde und strahle daher „unglaublich hell am Firmament“, zahlreiche Details würden im Teleskop sichtbar – sogar Wolken bei den großen Marsvulkanen, oder die weiß strahlenden Polkappen.

Gleich zwei Monde, Deimos und Phobos, umkreisen den roten Planeten. Ihre Form erinnert an Kartoffeln. Der Marsrover „Spirit“ hat im Jahr 2005 eine Finsternis von Phobos, dem größeren der beiden Trabanten, beobachtet. Phobos wurde dabei nicht vollständig dunkel, denn wie die Luft der Erde streut auch die dünne Marsatmosphäre das Licht der Sonne. Ob der Mond ebenfalls malerisch rot wurde, ist unbekannt.

Phobos rast zwei Mal täglich über den Marshimmel und bedeckt fast jeden Tag für ein paar Sekunden ein Stück der Sonnenscheibe. Für eine „richtige“, totale Sonnenfinsternis ist der Gesteinsklumpen zu klein und zu kartoffelig in seiner Form. So reicht es nur für einen gewöhnlichen „Transit“, wie Astronomen es nennen, wenn sich ein Objekt zwischen Sonne und Beobachter schiebt.

Der Schattenwurf der Monde auf den Marsboden sei jedenfalls von „erheblichem Interesse“ für die Forschung, sagt Sohl. Damit könnten Forscher den Fahrplan und die Bahnen der Monde genauer bestimmen und so etwas über das Planeteninnere des Mars lernen: „was für einen Kern der Mars hat oder wie der Mantel beschaffen ist“.

Doppel-Mond-Finsternis

Sohl fallen noch unzählige Beispiele ein, in denen Schatten der Astronomie weiterhelfen. Planetensysteme mit mehr als einem Trabanten etwa – so wie Jupiter mit seinen nunmehr 79 Monden – hätten sogar den Luxus, sich gegenseitig mehrfach beschatten zu können. Die Schatten, den Jupiter und die vier großen Monde Io, Europa, Ganymed und Kallisto aufeinander werfen, lassen sich in einfachen Amateur-Teleskopen beobachten. Im Teleskop sieht der Beobachter schwarze Punkte auf dem Jupiter. Oder die hell leuchtenden Monde verschwinden einfach im Schwarz des Himmels, sobald sie in einen der vielen Schatten tauchen.

Die vier Monde haben es Sohl angetan. Sie „befinden sich in Resonanz“, sagt er. Sie rotieren gleichmäßig und verschwinden vorhersehbar im Dunkel – „wie ein Uhrwerk“. Der Däne Ole Römer hätte im 17. Jahrhundert Abweichungen in seinem Takt beobachtet. Je weiter das Jupitersystem von der Erde entfernt war, desto stärker wichen Beobachtung und Vorhersage voneinander ab. Das Licht braucht für die immense Strecke quer durch das Sonnensystem einfach mehr Zeit. So hätte der Astronom damals die Lichtgeschwindigkeit erstaunlich genau geschätzt.

Aber auch heute seien die Finsternisse noch wichtig, sagt Sohl. Etwa, um zu verstehen, wie Jupiter das System aus Monden antreibt, und was im Inneren des Planeten schlummert. Oder die Temperaturen der Vulkane auf Io exakt zu vermessen. „Ähnliches gilt für den aktiven Mond Enceladus im Saturnsystem.“

Nützliche Finsternisse

Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg findet Schatten ebenfalls „spannend“. So hätten Astronomen die allermeisten der mehr als 3700 Exoplaneten – also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – durch die Transitmethode entdeckt. Dabei verdecken die fernen Welten ihren eigenen Stern. Auch die dunklen Asteroiden, die durch das Sonnensystem reisen, würden oft erst sichtbar, wenn sie Sterne verdecken: „Sternebedeckungen sind nach wie vor wichtig, um die Bahnelemente der Asteroiden genau zu bestimmen.“

Wer ist die Schönste im ganzen Sonnensystem?

Eine Reise an andere Orte des Sonnensystems – nur der Schönheit der Finsternisse wegen – würde sich übrigens kaum lohnen, da sind sich beide Wissenschaftler einig. Für Pössel gibt es die „schönsten Sonnenfinsternisse“ hier auf der Erde. Mond und Sonne erscheinen groß und ungefähr gleich am irdischen Firmament. „Ein großes Glück“, nennt Pössel das, denn nur deshalb sehen wir bei einer totalen Sonnenfinsternis die Korona. Dieser Anblick unseres Zentralgestirns, auf den Europäer noch bis 2081 warten müssen, ist im Sonnensystem einmalig.

Eine ähnlich eindrucksvolle totale Mondfinsternis wie am Freitag werde es hierzulande erst wieder im Jahr 2028 geben. Eine Beobachtung des Spektakels lohne sich in jedem Fall und man solle sich am besten eine Anhöhe dafür suchen, rät Sohl. „Das Ganze spielt sich ziemlich in Horizontnähe ab.“ Für Berliner biete sich die Archenholdt-Sternwarte im Treptower Park an, wo das längste bewegliche Fernrohr der Welt steht.

Die „Himmelskanone“ werde zwar vorgeführt, sagt Fanny Heidenreich von der Stiftung Planetarium Berlin, aber für die Beobachtung von Mond und Mars sind „die Bäume im Park zu hoch“. Die Sternwarten und Planetarien laden zur „Langen Nacht der Astronomie“ ein und zeigen neben dem Mond auch Venus, Jupiter, Saturn, die Internationale Raumstation und am Nachmittag die Sonnenflecken.

Für die totale Mondfinsternis sei das aber nicht unbedingt nötig, sagt Sohl. Auch mit einem Feldstecher oder dem bloße Auge betrachtet sei das Naturereignis „einfach faszinierend“.

Martin Ballaschk

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