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Farbenmut. Die Präsentation im Sommer 2013 in der Neuen Nationalgalerie war besonders gelungen.

© Marc Tirl/dpa

Perret Schaad hört auf: Schön war’s

Ein Jahrzehnt lang erzählte das Berliner Label Perret Schaad mit seiner Kleidung, wie Berliner Stil funktionieren kann. Jetzt ist die Geschichte zu Ende, das Unternehmen schließt.

Das Label Perret Schaad war Chronist der Berliner Mode. Mit 17 Kollektionen hat es gezeigt, wie sich eine Handschrift von Fashion Week zu Fashion Week so entwickeln kann, dass irgendwann der unverkennbare Stil zum Markenzeichen wird. Johanna Perret und Tutia Schaad waren die zweite Generation der Berliner Designer, die sich auf das beziehen konnte, was in den Jahren davor als Berliner Mode entstanden und bestaunt worden war.

Als Johanna Perret (34) und Tutia Schaad (36) nach ihrem Diplom 2009 an der Kunsthochschule Weißensee ihr Label gründeten, gab es die Mercedes-Benz Fashion Week schon ein paar Saisons. Sie nutzten sie als Plattform und gehörten mit Michael Sontag und Vladimir Karaleev zu den ersten Finalisten des Modepreises des Berliner Senats „Start your Fashion Business“: drei Labels, die für einen reduzierten, intelligenten Stil standen.

Die zurückhaltende Formensprache von Perret Schaad war durchsetzt mit interessanten Details wie versteckten Volants, doppelten Kanten und tiefer angesetzten Ärmeln. Es gab keine überbordenden Stickereien, keine rauschenden Röcke, dafür Kleidung, in der man sich fast jede Frau vorstellen konnte. Und da unter anderem auch ihre Studienkollegen Michael Sontag und Hien Le mit fließenden Seidenstoffen und ungewöhnlichen Farben arbeiteten, sprach man bald vom Entstehen eines Berliner Stils.

Bei Perret Schaad wirkte die Zusammenarbeit mit Schauspielerinnen wie ein gutes Angebot

Und Perret Schaad lieferten. Eine ihrer Stärken war Kontinuität, mit der bauten sie ihre Formensprache immer weiter aus, dazu die wunderbaren Farbkombinationen, Giftgrün zu Zartrosa, Bordeaux- zu Tomatenrot und Flaschengrün zu Puderbeige. Die Farben wurden durch die Materialien verstärkt, stumpfe Seide zu schimmerndem Samt, feine Wolle zu Goldlamé. Und sie waren immer diejenigen der Berliner Designer, die alles im Griff hatten – ihre Arbeit, Kooperationen mit anderen Labels wie zuletzt mit dem Möbelunternehmen Freifrau, dazu jeweils zwei Kinder.

Dann war da noch die erstaunliche Zusammenarbeit mit jungen Schauspielerinnen, allen voran Hannah Herzsprung. Bei Perret Schaad wirkten Auftritte von Katharina Schüttler, Anna Maria Mühe und Christiane Paul wie ein gutes Angebot, besonders auszusehen, Eigenständigkeit zu zeigen und trotzdem in die Welt der Roten Teppiche zu passen. Um das zu verstärken, wählten die Designerinnen oft besondere Orte für ihre Präsentationen wie ein leeres Schwimmbecken oder einen Baumarkt in vollem Betrieb. Die Models kamen dort durch ein für Gabelstapler gedachtes Rolltor und gingen an Spanplatten vorbei, so wie sie in einer anderen Saison in der Neuen Nationalgalerie zwischen antiken Statuen liefen. Die Zuschauer klebten von außen an der Scheibe wie an einem Aquarium mit bunten Fischen, nur dass hier Frauen in roten, gelben und türkisfarbenen Seidenkleidern zu sehen waren.

Nur der Anzug für Angela Merkel fehlte am Ende

Nach ihren Schauen gingen die Designerinnen ihren Models Hand in Hand und strahlend entgegen. Hinter den Kulissen sprachen sie Französisch miteinander, Tutia wuchs erst in Vietnam, später in der französischen Schweiz auf, Johanna in München und Frankreich. Über ihre Mode sprachen sie nur gemeinsam, oft brachte die eine den Gedanken der anderen zu Ende. Auch jetzt bestehen sie darauf, gemeinsam zu telefonieren, obwohl beide gerade weit weg von Berlin sind, Tutia in der Schweiz, Johanna in Hamburg, wo sie gleich ein Seminar für Modestudenten geben wird. Beide haben also genug zu tun, um sich davon abzulenken, dass sie in Zukunft nicht mehr alles gemeinsam entscheiden. „Wir haben mit unserem Label alle Ziele erreicht. Wenn man nicht mehr weiterkommt, muss man abschließen und etwas Neues machen“, sagt Johanna Perret. Als sie neulich mit der S-Bahn am Kanzleramt vorbeifuhr, fiel ihr ein, dass es doch etwas gibt, was sie nicht gemacht haben: Sie wollten immer einen farbigen Anzug für Angela Merkel entwerfen.

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