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Kein Ruhekissen. Auch wenn das Bettzeug in dieses Outftit integriert ist - gemütlich kann man es sich darin nicht machen.

© David LaChapelle Studio

Interview mit Viktor & Rolf: Viktor & Rolf: "Wir streiten uns nie"

Viktor Horsting und Rolf Snoeren sind die Nationalhelden der niederländischen Mode. Die Rotterdamer Kunsthalle widmet ihrem Werk jetzt eine Retrospektive. Bettina Hagen traf die Designer in der Ausstellung.

Viktor&Rolf: Fashion Artists 25 Years“ heißt die Retrospektive in der Rotterdamer Kunsthalle. Seid Ihr Modedesigner oder Künstler?

Viktor: Mode und Kunst gehören für uns zusammen. Unsere Arbeiten sind sehr persönlich, fast wie Selbstporträts. Diese besondere Form des Ausdrucks unterscheidet uns von anderen Designern.

Rolf: Wir werden häufig gefragt, was wir eigentlich genau machen. Der Begriff „tragbare Kunst“ trifft es sehr gut. Wir sind Modekünstler.

Ihr zeigt Eure Arbeiten in den renommiertesten Museen weltweit.

Viktor: Es ist ein sehr demokratischer Ansatz. Nur sehr wenige haben das Glück, an großen Modeschauen teilzunehmen. Und selbst wenn, bekommt man dort nur einen flüchtigen Eindruck von der Kollektion. Im Museum hat man ausreichend Zeit, sich Design und Handwerkskunst anzusehen.

Extravagante Bühnenperformances gehören zu Euren Markenzeichen. Was kommt im kreativen Arbeitsprozess zu erst, die Idee zur Inszenierung oder zur Mode?

Viktor: Meistens ist es das Konzept für die Inszenierung auf dem Laufsteg. Darauf aufbauend entwerfen wir Kleidungsstücke, denken über Models, Musik und Beleuchtung nach.

Manchmal seid Ihr selbst Teil der Show.

Rolf: Ja, und ehrlich gesagt hassen wir es. Aber wenn es das Konzept erfordert, kleiden wir die Models selbst an. Danach sagen wir jedes Mal: Nie wieder! Es liegt uns einfach nicht, wir sind beide sehr introvertiert.

Viktor Horsting und Rolf Snoeren, geboren 1969, leben in Amsterdam.
Viktor Horsting und Rolf Snoeren, geboren 1969, leben in Amsterdam.

© Inez & Venoodh

Was inspiriert Euch?

Viktor: Das klingt jetzt sehr vage, aber es ist das Leben im Allgemeinen. Es gibt keine bestimmte Inspirationsquelle, dafür aber Stimmungen. Zum 20jährigen Jubiläum gab es zum Beispiel eine Show, die von japanischen Zen-Gärten inspiriert wurde. Damit wollten Ruhe und Gelassenheit ausdrücken.

Ein ruhige, fast fließende Inszenierung in den Farben schwarz und weiß. Ein bewusster Kontrapunkt zur hektischen Modewelt?

Rolf: In dieser Zeit haben wir Meditation und Yoga für uns entdeckt. Unser Alltag war hektisch und stressig. Die Show war Ausdruck unseres Bedürfnisses nach Entschleunigung.

Mit der Haute Couture-Kollektion “Wearable Art” setzt Ihr Euch 2015 spielerisch mit Mode und Kunst auseinander.

Viktor: Ja, im Grunde steht sie stellvertretend für unser künstlerisches Konzept. Die Ausgangsfrage war eine ganz einfache: Ist es möglich, ein klassisches Wandgemälde als Kleid zu tragen? Das Ergebnis waren Kleider in Form von gerahmten Bildern, die angezogen oder als Skulpturen auf gehangen werden konnten. Tragbare Kunst mal ganz wörtlich genommen.

Im gleichen Jahr habt Ihr euren Rückzug aus dem Prêt-à-porter Geschäft verkündet, um Euch ganz auf eure Couture-Linie zu konzentrieren.

Rolf: Ja, und es geht uns wesentlich besser damit. Unsere Kollektionen sind viel schöner geworden. Bei Prêt-à-porter mit seinen ganzen Shows springt man von Deadline zu Deadline und hat kaum Zeit, über neue Konzepte nachzudenken.

Wie wichtig sind Accessoires und vor allem Parfüms für die Marke „Viktor&Rolf“?

Rolf: Natürlich ist der Verkauf wichtig und wir freuen uns, dass die Parfüms so erfolgreich sind.

Viktor: Und dennoch stehen sie nicht als Kommerzprodukte außerhalb unserer Kollektionen. Sie sind Teil unserer konzeptionellen Arbeit. Es ist erfreulich zu sehen, dass Kreativität auch kommerziell erfolgreich sein kann.

Van Gogh Girls. So hieß die Kollektion von Sommer 2015.
Van Gogh Girls. So hieß die Kollektion von Sommer 2015.

© Peter Stigter

Wie muss man sich einen klassischen Arbeitstag zu Beginn einer neuen Kollektion vorstellen?

Rolf: Wir schließen uns ein, sitzen einander gegenüber an einem Tisch und fangen an zu reden. Wir reden so lange, bis eine Idee wieder und wieder auftaucht. Dann überlegen wir ob sie umsetzbar ist. 

Im Grunde ein klassisches Brainstorming.

Rolf: Ja. Das Wort steht bei uns an erster Stelle, wir starten nicht mit Zeichnungen oder Skizzen. Erst wenn ein geschriebenes Konzept fertig ist, greifen wir zum Zeichenstift. Wir arbeiten sehr analytisch, es muss einen nachvollziehbaren Grund geben, weshalb wir eine Idee umsetzen möchten. Unser Ausgangspunkt ist die Idee, nicht das Design.

Streitet Ihr Euch?

Rolf: Nie. Wenn wir nicht der gleichen Meinung sind stimmt irgendetwas nicht.

Victor: Schaffen wir es nicht den anderen zu überzeugen lassen wird die Idee verworfen.

Hat sich Euer Stil in den letzten 25 Jahren verändert?

Rolf: Es ist verrückt, aber bei der Konzeption der Ausstellung zusammenstellten sahen wir, dass es unsere charakteristischen Stilmittel schon in der ersten Modenschau im Jahr 1993 gab. Zum Beispiel die skulpturalen Formen oder die voluminösen Stoffschichten. Wir haben durchgehend eine Linie verfolgt.

Was hat es mit den viktorianischen Puppen auf sich?

Viktor: In jeder Saison haben wir eine Puppe produziert, die ein Stück aus der Kollektion, die gleiche Frisur und das gleiche Make-up trägt wie das Model auf dem Laufsteg. Eine Art Souvenir, um die Flüchtigkeit des Augenblicks einzufrieren.

Wenn ihr Euch heute die Modebranche anseht. Was hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert?

Rolf: Der Bereich hinter der Bühne rückt zunehmend in den Vordergrund. Der magische Moment, in dem auf dem Laufsteg etwas Neues enthüllt wird, scheint seinen Reiz zu verlieren. Mit Social Media Kanälen wie Instagram wird so viel mehr Content benötigt, dass die Backstage-Geschichten immer interessanter werden.

Das Gespräch führte Bettina Hagen.

Bettina Hagen

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