zum Hauptinhalt
Die faltbare Unisex-Tasche aus gestepptem Kunststoff von VeeCollective macht sich gut vor Berliner Kulisse.

© promo

Berliner It-Bag: In die eigene Tasche wirtschaften

„It-Bags“ gibt es nicht mehr nur von teuren Luxusmarken. Auch kleine Taschenlabels aus Berlin überzeugen mit ihren Entwürfen – zu einem niedrigeren Preis.

Lili Radu spricht schnell. Sie hat nicht viel Zeit! In einer knappen Stunde muss sie zu Hause sein und ihren Sohn stillen. Henry ist vor drei Wochen auf die Welt gekommen, trotzdem ist die junge Mutter in ihrem Showroom und arbeitet neun Stunden am Tag. Lili Radu sieht man das nicht an, sie trägt eine weiße Bluse, ihre Haare sind gepflegt. Nur die Augenringe deuten Schlafmangel an.

Lili Radu, die ihren Master an der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi in Fashion Management gemacht hat, ist eine Powerfrau. Neben ihrem neugeborenen Kind wuppt sie nicht nur ihr erfolgreiches Label Lili Radu, sondern mit VeeCollective jetzt auch noch ein zweites Taschenunternehmen.

Mit den bunten Lederstreifen in Form eines V, die sich auf ihren Taschen zu einem grafischen Muster verflechten, hat sie einen hohen Wiedererkennungswert geschaffen. Sogar Nationaltrainer Joachim Löw wurde schon mal mit einer Laptoptasche von Lili Radu fotografiert.

„Wir hatten bereits die Expertise und ein gutes Netzwerk. Es war logisch, dass wir etwas auf den Markt bringen“

Ähnliches möchte sie auch mit der Marke VeeCollective schaffen, die sie vor einem halben Jahr mit ihrem Mann gegründet hat. Im Austausch mit Kunden und Händlern hat sie herausgehört, dass vielen eine multifunktionale Tasche aus einem leichten Stoff fehlte. „Wir hatten bereits die Expertise und ein gutes Netzwerk. Es war logisch, dass wir etwas auf den Markt bringen“, sagt Lili Radu.

Die Tasche ist federleicht und wiegt gerade einmal um die 400 Gramm.
Die Tasche ist federleicht und wiegt gerade einmal um die 400 Gramm.

© promo

Die Handtaschen bestehen aus einem leichten, gesteppten Kunststoff. Das Material ist wasserabweisend und robust. In der Tasche könne man Steine transportieren, verspricht Lili Radu. Mit Preisen von 150 bis 200 Euro ist die Unisex-Tasche, die ewig halten soll, fast schon günstig. Bereits ein halbes Jahr nach der Gründung gibt es die Taschen in 130 Ländern, vor allem in Asien kommen sie gut an. Die Retourquote liegt bei unter 0,1 Prozent, und die ersten Händler haben nachbestellt.

Mit seinem rasanten Wachstum sticht VeeCollective zwar heraus, ist dennoch keine Ausnahme. Auch das Berliner Taschenlabel Maison Héroïne ist innerhalb des vergangenen Jahres schnell groß geworden. Als der Chef der Marke, Anton Jurina, seine Geschichte erzählt, ist klar: Mit Glück hat das weniger zu tun als mit einem guten Produkt und einem noch besseren Geschäftssinn.

In seinen Entwürfen verbindet Jurina technische Eigenschaften mit der Ästhetik von Luxustaschen

Das bewies er zum ersten Mal vor gut zehn Jahren, als er mit Martin Höfeler das umweltfreundliche Modelabel Armedangels in Köln gründete. Was mit bedruckten Shirts aus Biobaumwolle begann, ist heute eine der bekanntesten fairen Modemarken Deutschlands. Inzwischen gehört Anton Jurina nicht mehr zum Unternehmen, 2016 gründete er Maison Héroïne.

Dabei verzichtet Jurina auf effektvolle Merkmale wie große Logos oder auffällige Muster. Stattdessen ist der Labelname in feinen Buchstaben auf die Tasche gedruckt, ein dezentes Metallstück in Form eines H dient als Verschluss.

Außen markant, innen gut organisiert. Maison Héroïne macht Handtaschen fürs Büro mit vielen praktischen Details.
Außen markant, innen gut organisiert. Maison Héroïne macht Handtaschen fürs Büro mit vielen praktischen Details.

© promo

In der Fidicinstraße in Kreuzberg liegt der Showroom von Maison Héroïne. Sorgfältig angeordnet stehen Handtaschen auf einem Regal entlang der Wand, daneben ist gerade noch Platz für zwei Schreibtische. Die großen Ledertaschen sind mit mehreren Fächern gut organisiert. Ein Laptopfach ist extra gepolstert, die Nähte sind per Hand bemalt. In seinen Entwürfen verbindet Jurina technische Eigenschaften, wie man sie von Marken wie Samsonite kennt, mit der Ästhetik von Luxustaschen.

Die größte Herausforderung ist die Bekanntheit der Marke

Ein Ingenieur aus München, der für den deutschen Reisegepäckhersteller Rimowa einige Patente entwickelt hat, kümmert sich um die funktionalen Eigenschaften der Taschen. Die Italienerin Marta Vitali macht von Mailand aus das Design. „Diese beiden Welten arbeiten nicht miteinander. Wir versuchen, sie zu vereinen“, sagt Jurina. Die Taschen werden in einer Fabrik in der Nähe von Venedig hergestellt und wegen ihrer komplizierten Herstellung von den Fabrikarbeitern liebevoll als „Kathedralen“ bezeichnet.

„Die größte Herausforderung ist, die Marke bekannt zu machen“, sagt Jurina. „Kaum eine Frau kauft eine Tasche für mehrere Hundert Euro, wenn sie noch nie von der Marke gehört hat.“ Um nachzuhelfen, bastelt er kräftig an seinem Netzwerk aus Markenbotschafterinnen. Eine von ihnen ist Anita Tillmann, Gründerin der Berliner Modemesse Premium.

Der Erfolg von Maison Héroïne oder VeeCollective zeigt die Entwicklung auf dem Markt. Der Erfolg sogenannter „It-Bags“ von Luxusmarken nimmt ab, seitdem die Preise so weit ins Astronomische gestiegen sind, dass viele nicht mehr bereit sind, sie zu zahlen.

Der Taschenmarkt im mittleren Preissegment ist noch weiter gewachsen

Der Designer Michael Kors hatte diese Lücke früh erkannt und begann, Handtaschen zu produzieren, die Kundinnen von Luxustaschen ansprechen, aber um einiges günstiger sind. Inzwischen ist der Taschenmarkt im mittleren Preissegment mit Labels wie Danse Lente, Cult Gaia oder Mansur Gavriel noch weiter gewachsen. In dieser Nische sind auch die Taschen des Berliner Labels Jérome Studio angesiedelt. Sie sind aus weichem Nappaleder gemacht, haben verstellbare Gürtel als Henkel, der Labelname ist dezent eingraviert. Klingt simpel, die Taschen sind aber in ihrer eleganten Lässigkeit einfach schön. An einigen Modellen hängen noch extravagante Straußenfedern.

Diese Tasche von Jérome Studio kann man als Clutch oder klassisch über der Schulter tragen.
Diese Tasche von Jérome Studio kann man als Clutch oder klassisch über der Schulter tragen.

© promo

Der Schwabe Jérome Berg gründete das Label 2012, da war er gerade einmal 21 Jahre alt. „Ich wollte immer etwas Eigenes schaffen“, erzählt der Designer. Mit 18 Jahren kam er nach Berlin. Eine Zeit lang arbeitete er bei kleinen Modelabels, bis ihn die Selbstständigkeit lockte.

Jérome Berg, der einen kreativen Background als Grafiker und Agenturmitarbeiter hat, macht den üblichen Saisonrhythmus der Mode nicht mit. Sobald eine Handtasche fertig ist, stellt er sie direkt in den Onlineshop. Er produziert ausschließlich in Deutschland, nur das Leder kommt aus Italien. „Meine Handtaschen sollen eine Frau lange begleiten und nicht nach zwei Saisons aus der Mode kommen oder kaputtgehen“, sagt Berg. Mit knapp 400 Euro liegen die Handtaschen von Jérome Studio genau in der goldenen Mitte, in der man jetzt mit Taschen erfolgreich sein kann.

Alexandra Kutek

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false