zum Hauptinhalt

Gesundheit: Mit Unschärfe zum klaren Bild

"Er sah aus wie ein einfacher Bauernjunge, mit seinen kurzen Haaren, klaren hellen Augen und einem strahlenden Gesichtsausdruck", so beschreibt Max Born, Physikprofessor in Göttingen und späterer Nobelpreisträger, seinen Schüler Werner Heisenberg. Der damals 23-jährige Assistent Borns hat soeben mit einer Veröffentlichung zur Quantenmechanik Furore gemacht.

"Er sah aus wie ein einfacher Bauernjunge, mit seinen kurzen Haaren, klaren hellen Augen und einem strahlenden Gesichtsausdruck", so beschreibt Max Born, Physikprofessor in Göttingen und späterer Nobelpreisträger, seinen Schüler Werner Heisenberg. Der damals 23-jährige Assistent Borns hat soeben mit einer Veröffentlichung zur Quantenmechanik Furore gemacht. Selbst Albert Einstein lobt ihn.

Heute, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod, ist Heisenberg zur Legende geworden. Dabei interessieren nicht nur seine wissenschaftlichen Verdienste. Romane, Theaterstücke und Sachbücher beschäftigen sich vielmehr auch mit seiner Rolle im Dritten Reich. Hat Heisenberg die Atomforschung vorangetrieben oder ist er lediglich Mitläufer oder gar Saboteur gewesen? Erst jüngst schrieb ihm der mexikanische Autor Jorge Volpi in dem Roman "Das Klingsor-Paradox" eine Rolle als Berater Hitlers zu.

Während der Beitrag Heisenbergs zum Atombombenprojekt der Nazis weiter offen bleibt, gibt es über die Bedeutung seiner Erkenntnisse in der Quantenphysik keinen Zweifel. Sie erklärten nicht nur den Aufbau der Atome, sie förderten auch die Molekularbiologie und die Telekommunikation.

Heisenberg ist fast noch ein Jüngling, als er sich die ersten Sporen in der Wissenschaft verdient. 1923, mit 22 Jahren, promoviert er, ein Jahr später habilitiert er sich, und 1927 wird er als damals jüngster Professor Deutschlands nach Leipzig berufen. Die Zeit zwischen Habilitation und Professur nutzt der gebürtige Würzburger, um sich in Kopenhagen bei Niels Bohr, Atomphysiker und Nobelpreisträger von 1922, weiter zu bilden.

Energie ist gequantelt

Karrieren wie diese kennzeichnen oft eine Zeit des wissenschaftlichen Aufbruchs. Und das kann man von der Atomphysik anfangs des vergangenen Jahrhunderts mit Fug und Recht sagen. 1900 postuliert Max Planck vor der Physikalischen Gesellschaft in Berlin, Energie werde nur in bestimmten Portionen oder "Quanten" emittiert. Der Däne Bohr baut diese Erkenntnis in ein Atommodell ein, in dem Elektronen in bestimmten - diskreten - Bahnen um den Kern kreisen.

In Göttingen, München und Kopenhagen bilden sich Zentren, in denen junge Wissenschaftler das alte Weltbild Newtonscher Physik umzustürzen beginnen. Und Einstein sprengt mit der Relativitätstheorie den Rahmen herkömmlichen Denkens vollends.

Unkonventionalität wird dem 1901 am Vorabend des Nikolaustages geborenen Heisenberg aber nicht in die Wiege gelegt. Die Kindheit verlebt der Sohn eines Philologieprofessors in München. Er interessiert sich früh für Technik und Naturwissenschaften. Die Schule macht ihm Spaß, und fleißig ist er auch. Die Zeugnisse beschreiben ihn "als ehrgeizigen und begabten Schüler mit Blick für das Wesentliche".

Heisenberg wird für die Hochbegabtenstiftung "Maximilianeum" ausgewählt. Das Studium an der Universität München wird er in nur drei Jahren absolvieren. Er geht zu Arnold Sommerfeld, der Bohrs Atommodell erweitert hat.Der theoretische Physiker lenkt das Interesse seines begabten Schülers auf die Quantentheorie. Das Thema lässt Heisenberg nicht mehr los, auch nicht in Göttingen, wo er sich in wenigen Monaten habilitiert. Sein Mentor Born bemerkt an ihm "eine Schnelligkeit und Genauigkeit der Auffassung, die ihn befähigen, ständig eine ungeheure Arbeitsleistung ohne große Anstrengung zu vollbringen".

Diese Eigenschaften werden Heisenberg dabei helfen, den ins Stocken geratenen Karren der Quantenphysik wieder flott zu machen. Denn die aufgestellten Theorien sind alles andere als widerspruchsfrei. Sie sind beispielsweise nicht in der Lage, die Spektren einfacher Atome zu beschreiben.

Die entscheidende Idee kommt Heisenberg im Juli 1925 auf der Insel Helgoland. Während des 14-tägigen Aufenthalts findet er den Mut, sich von klassischen Größen wie Ort oder Umlaufbahn der Elektronen zu lösen, die bisher zur Beschreibung des Atoms dienen, jedoch nicht messbar sind.

Statt dessen will er nur Größen zulassen, die prinzipiell beobachtbar sind, wie Intensitäten oder Frequenzen der Spektrallinien. Nach einigen Mühen gelingt es Heisenberg mit der so genannten Matrizenmechanik die atomaren Vorgänge zu berechnen. "Heisenberg hat ein großes Quantenei gelegt", kommentiert Einstein.

Im Mai 1926 geht Heisenberg als Dozent für theoretische Physik nach Kopenhagen, um mit Bohr zu arbeiten. Das Ergebnis dieser Kooperation geht als "Kopenhagener Deutung der Quantentheorie" in die Physikgeschichte ein. Heisenbergs Anteil ist die berühmt gewordene "Unschärferelation". Sie besagt, dass man prinzipiell nicht gleichzeitig Ort und Geschwingkeit eines Elementarteilchens genau messen kann, egal wie penibel der Wissenschaftler arbeitet. Wer eine der beiden Größen bestimmt, verändert mit der Messung automatisch die andere, egal wie fein seine Instrumente auch sind.

Im atomaren Bereich gilt demnach das Kausalprinzip nicht mehr, das für die klassische Physik grundlegend ist. Diese Umkehr prägt nicht nur die Physik, sondern auch das philosophische Denken.

Der Wissenschaftler ist nicht länger nur neutraler Beobachter. Seine Messung kann das Objekt auch verändern, wenn es nur winzig genug ist. Die Unbestimmtheit ist zwar nur klein. Die Idee, man könne die Natur in allen Einzelheiten berechnen, ist damit aber vom Tisch, eine Vorstellung, die anfangs vielen Physikern widerstrebt. Albert Einstein beispielsweise akzeptierte die prinzipielle Unberechenbarkeit der Natur erst spät.

Der neue Ansatz bewährt sich. Heisenberg wird 1927 Ordinarius für theoretische Physik an der Universität Leipzig. Er findet Zeit für große Vortragsreisen in die USA, Japan und China. Für sein neues theoretisches Gerüst der Quantenmechanik erhält er 1933 den Nobelpreis, rückwirkend für das Jahr 1932.

Mitarbeit am Uranprojekt

Die Machtübernahme der Nazis bedeutet das Aus für die "jüdisch beeinflusste Atomphysik". Viele der besten Wissenschaftler werden drangsaliert, einige können emigrieren. Auch der konservative und heimatverbundene Heisenberg wird von der SS als "Weißer Jude" attackiert, da er sich mit der von NS-Physikern entwickelten "Deutschen Physik" nicht identifizieren kann. SS-Führer Heinrich Himmler, ein Bekannter der Familie Heisenberg, unterbindet schließlich persönlich die Kampagne.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 wird der Familienvater zum Heereswaffenamt nach Berlin einberufen und arbeitet an führender wissenschaftlicher Stelle im so genannten Uranverein, dem Atomprojekt des Dritten Reichs. Bis heute ist umstritten, wie sehr sich Heisenberg in diesem Projekt engagierte. Der Physiker hielt den Bau einer Atombombe und eines Reaktors zwar für theoretisch möglich, praktisch aber kaum realisierbar. Heisenberg nutzte die Arbeit im Uranverein auch, um die Grundlagenforschung voranzutreiben. Nach Kriegsende wurde Heisenberg zusammen mit neun anderen Atomforschern - unter anderem mit Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsäcker - in England festgehalten. Nach seiner Freilassung 1946 wurde er Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen und 1952 Mitbegründer des europäischen Zentrums für die Elementarteilchenforschung (CERN) in Genf.

Heisenberg gehörte zu den 18 deutschen Physikern, die 1957 das Göttinger Manifest gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr unterzeichneten. Von 1958 bis 1970 war er Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik in München. Sein wissenschaftliches Ziel war es, die Relativitätstheorie und die Quantenmethode zu einer umfassenden Theorie zu verknüpfen. Die 1958 ersonnene Weltformel brachte aber nicht den erhofften Erfolg.Heisenberg starb am 1. Februar 1976 in München.

Paul Janositz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false