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Valentin als junges „Busenwunder“.

© Verlag btb

Wie Barbara Valentin zum Star wurde: Meine Mutter, das Busenwunder

Sie lebte mit Freddie Mercury, drehte mit Rainer Werner Fassbinder und heiratete unter anderem Helmut Dietl. Ihr Sohn erinnert sich an Barbara Valentin.

Wie beschreibt man eine Person, die einem so nahstand wie die Mutter, ohne sich in Details zu verlieren? Man nähert sich ihr von außen, wie einem Fremden. Man tritt einen Schritt zurück und tut so, als ob man nicht viel mehr von der Person wissen würde. Ich tue also mal so, als ob ich nicht der Sohn meiner Mutter wäre. Schreiben durch Weglassen. Ich lese, was über sie geschrieben wurde.

Zeit, in den Keller zu steigen, um in den Leitzordnern mit den vergilbten Zeitungsausschnitten zu kramen. Sie durchzuarbeiten, auf mögliche Spuren zu überprüfen – und auf interessante Details, die mir etwas erklären könnten. Es kostet Kraft, Quatsch über die eigene Mutter zu lesen. Es ist mühsam, Zeitungsartikel der sogenannten Boulevardpresse aus den 50er und 60er Jahren nach erhellenden Informationen über einen geliebten Menschen zu durchsuchen. Zu viele Banalitäten werden schon damals als berichtenswert erachtet.

Barbaras erstes Leben in der Öffentlichkeit ist das des Busenwunders. Andere Leben sollten folgen, doch ohne ihre Jahre als Busenwunder hätte sie sicherlich nicht zum Film gefunden, wäre nicht von Fassbinder entdeckt worden, nicht in die Schickeria geraten, nicht zur Schwulenikone erhoben worden.

Busenwunder, Busen-Star, Sex-Star

Der merkwürdige und heute altmodisch anmutende Begriff „Busenwunder“ entsteht in den Wirtschaftswunderjahren. Er taucht erstmals Mitte der 50er Jahre in der Presse auf, im Zusammenhang mit Jayne Mansfield. Es ist ein Begriff, der wie wenige andere für die 50er und 60er Jahre steht, wo außergewöhnlich große Brüste eben noch als Naturwunder gefeiert werden konnten. Im Zeitalter der Massenschönheitschirurgie hat der Begriff an Klarheit verloren.

Beinahe synonym wird damals das Wort „Busenstar“ benutzt. So fragt etwa die „Revue“ vom 2. Mai 1965: „Hat Busenstar Jayne Mansfield dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß bei einem Amerikabesuch im Jahre 1959 im Auftrag einer großen Industriefirma einen Abend kurzweilig gestaltet?“ Diese Frage bewegte in der Bundesrepublik die Gemüter, seit „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein in seinem Prozess gegen Franz Josef Strauß diese Behauptung aufgestellt hatte. Im Interview derselben Geschichte taucht noch der Begriff „Sex-Star“ auf, in einem direkten Zitat von Mansfield: „Ich bin Sex-Star. Das ist mein Beruf. Aber privat bin ich eine anständige Hausfrau. Die Leute verwechseln das.“

Valentin (rechts) mit Prinz Michael von Preußen 1971 beim Filmball in München.
Valentin (rechts) mit Prinz Michael von Preußen 1971 beim Filmball in München.

© imago/ZUMA/Keystone

Barbara ist jedenfalls das „Busenwunder von Bruchsal“, und sie wird in kürzester Zeit das deutsche Busenwunder schlechthin. Die Frau, für die dieser Begriff in Deutschland erfunden oder aus den USA eingeführt wurde und die diese Bezeichnung ihr ganzes Leben lang mit sich trug. „Thank you for big tits and misconduct“, so lautete die Widmung, die Freddie Mercury meiner Mutter sehr viel später auf eines seiner Plattencover schrieb, er hatte den Song „Love Me Like There’s No Tomorrow“ von einem Schlager abgeleitet, den sie Ende der 50er Jahre sang: „Küß’ mich als gäb’s kein Morgen“. Erst nach ihrem Tod ersetzten einige Zeitungen den Begriff Busenwunder wieder durch Busen-Star oder auch Sex-Star. Aber natürlich ist ein Busenwunder kein Sex-Star. Auch wenn ich als kleiner Junge immer befürchtete, die beiden Begriffe meinten womöglich dasselbe.

Ich war bei einer Amme

Meine Mutter, das Busenwunder. Ich bin als Baby nie gestillt worden. Ich war bei einer Amme. Das war damals Anfang der 60er Jahre Mode. Um die Form und Schönheit des Busens zu wahren. So hat Barbara mir das irgendwann einmal erzählt, in einer Zeit, in der man deswegen als Mutter noch kein schlechtes Gewissen bekommen musste.

Wie wird man aber Ende der 50er Jahre Busenwunder? Was, außer einem großen Busen, hat Barbara dazu prädestiniert?

Barbara wird während des Kriegs in Wien als Ursula Ledersteger geboren, am 15. Dezember 1940, dort arbeitet ihr Vater. Sie wächst in Bruchsal auf, einer Kleinstadt 20 Kilometer von Karlsruhe entfernt. Bruchsal ist die Heimat ihrer Mutter, die Großeltern hatten dort ein Haus mit Garten gebaut.

Sie ist als junges Mädchen schlank und sportlich, wird Badische Meisterin im Turmspringen, was erstaunlich ist für alle, die sie später kennenlernten. Ich selbst habe meine Mutter nie Sport treiben sehen.

Damals gab es keine Silikonimplantate

Barbara ist hellblond und hat schon früh einige Verehrer. Mit 16, im Jahr 1956, wird ihr bereits eine große Ähnlichkeit mit Jayne Mansfield nachgesagt. Sie ist recht groß für eine Frau zur damaligen Zeit, 1,73 Meter, und sie verfügt schon bald über eine annähernd ähnlich große Oberweite. 103 Zentimeter soll Jayne Mansfield laut Boulevardpresse gehabt haben.

Aber natürlich haben das die Illustrierten nur geraten. In der Rückschau betrachtet scheint ihr Busen gar nicht sonderlich groß, schon gar nicht für heutige Verhältnisse. Als Barbara zum Busenwunder wurde, gab es die Pille noch nicht, die kam erst 1960 auf den Markt, und es gab auch noch kein hormonverseuchtes Fleisch. Und Ende der 50er Jahre gab es auch noch keine Silikonimplantate. Natürlich habe ich meine Mutter nie nach ihrer Körbchengröße gefragt.

Mit 16, nach der mittleren Reife, mitten in der elften Klasse, verlässt sie das Humanistische Gymnasium in Bruchsal. Die Noten sagen: Barbara ist nicht doof, aber sie hat offensichtlich keine Lust, sich anzustrengen, ihr fehlt jegliches Interesse für schulische Belange. Die Lehrer legten ihr den Schulabgang nahe, erzählte sie später einmal. Mitschüler haben Herzen mit ihrem Namen in die Schulbank geritzt, vielleicht ist das der Grund. Aber Mädchen mit Abitur sind Ende der 50er Jahre ohnehin noch eine große Ausnahme.

Nur weg vom Stiefvater

Barbara Valentin beim Berliner Sechstagerennen.
Barbara Valentin beim Berliner Sechstagerennen.

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Doch der Schulabgang muss überraschend für ihre Eltern gekommen sein, sie schicken sie erst einmal ein Jahr lang auf die Waldorfschule nach Karlsruhe. Nach einem Jahr auf der Privatschule besucht sie von März 1958 bis März 1959 eine Kosmetikschule in Heidelberg und erlernt damit einen Beruf, den sie nie ausüben wird.

Schließlich kommt sie nach München. Irmgard, meine Großmutter, mietet ein Einzimmerapartment für die damals noch minderjährige Tochter an und begleitet sie, bewacht sie fast. Irmgard liebäugelt mit einer Filmkarriere für ihre Tochter. Die Tochter will eigentlich nur weg aus Bruchsal. Weg aus der Kleinstadt. Weg vom Stiefvater.

Der Stiefvater: Dr. Erwin Valentin, Marinestabsarzt a.D., im Vorkriegsdeutschland renommierter Chirurg. 20 Jahre älter als seine Frau, die ihn nach zwei enttäuschenden Ehen geheiratet hatte, um finanziell versorgt zu sein. Sagte sie selbst nach seinem Tod. „Der Vatl hat mich so gut versorgt.“ Er blieb bis zu seinem späten Tod mit Irmgard zusammen. Aber er konnte nicht mit seiner Stieftochter umgehen. Barbara ist ein früh entwickelter Teenager, nicht auf den Mund gefallen, kein Wunder, dass ihr Stiefvater sie des Öfteren in den Kohlenkeller schickt, zum Kohlenschaufeln und um die Asche aus dem Ofen rauszuholen. Sie bekam eine Menge Ohrfeigen.

Barbara mochte ihren Stiefvater nicht, und dennoch nimmt sie Ende der 50er Jahre seinen Namen an: Valentin. Sie heißt damals noch Ledersteger, Ursula Ledersteger, bis sie sich entschließt, nach München zu gehen. Ursula Ledersteger ist Ende der 50er Jahre kein cooler Name. Aber sie hat ja einen zweiten Vornamen. Barbara Valentin ist ein verheißungsvoller Name für eine Karriere beim Film, es ist ein guter Name für ein Busenwunder. Er erinnert an Karl Valentin, den bayerischen Komiker, der damals eher unbekannt und vergessen ist und erst später, lange nach Barbaras Umbenennung, zur Legende wird, sodass die Leute sich oft fragen, ob Barbara mit ihm verwandt sei. Nein, ist sie nicht. In jedem Fall kann man sich leicht an den Namen erinnern. Bis heute.

Mit 17 besucht sie ihren leiblichen Vater

Woher kommt die Idee, zum Film zu gehen? Barbara hat schon als Kind kleinere Rollen in Werbefilmen und in einem Verkehrserziehungsfilm gespielt. Barbaras leiblicher Vater arbeitete beim Film.

Hans Ledersteger, geboren 1898, Österreicher, ist ein Trinker und Weiberheld. Vor dem Krieg ist er ein gefragter Filmarchitekt bei der Ufa, der alle großen Schauspieler der 20er und 30er Jahre kennt: Heinz Rühmann, Theo Lingen, Hans Moser. Der war auch der erste Gratulant nach Barbaras Geburt und wurde gleich ihr Patenonkel. Hans Ledersteger war ein kleiner Star in seinem Metier. Er wird für Dreharbeiten in Deutschland und Holland gebucht, unsägliche Nazi-Produktionen, später mit Durchhalteparolen.

Barbara kann ihren leiblichen Vater nach der Trennung von Irmgard nur selten gesehen haben. Sie liebte ihn, sie verehrte ihn, sie sprach mir gegenüber nur gut von ihm. Vielleicht auch, um ihre Mutter zu ärgern. Die wenige Arbeit, die Hans nach dem Krieg noch findet, bekommt er in München. Als Barbara ihn einmal besucht, sie ist gerade 17 Jahre alt, stellt der Vater ihr den Amerikaner John Harris vor. Barbara denkt: „So eine hässliche Kartoffel“, aber als Harris sich ihr als Agent anbietet und verspricht, sie beim Film unterzubringen, willigt sie ein. Barbara fährt zu Probeaufnahmen nach München, weigert sich jedoch, mit dem Agenten das Bett in einem schlechten Hotel zu teilen.

Rauchend inmitten der Schickeria: Barbara Valentin.
Rauchend inmitten der Schickeria: Barbara Valentin.

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Als Barbara Ende der 50er Jahre den Nachnamen Valentin annimmt, lebt ihr leiblicher Vater noch. Er wird es ihr nicht verübelt haben, dass sie seinen Nachnamen Ledersteger abgelegt hat. Von ihm wird Barbara wahrscheinlich die Idee haben, zum Film zu gehen. Wenn sie zu dem Zeitpunkt überhaupt schon eine Idee hat, außer der, aus der Kleinstadt Bruchsal wegzugehen. Irgendwohin, Hauptsache weg, warum nicht München? Vielleicht ist der Umzug aber auch eine Idee der Mutter, vielleicht trieb sie ihre Tochter sogar an. Barbara jedenfalls soll erreichen, was der Mutter versagt blieb.

Irmgard ging als Nummerngirl zum Varieté

Irmgard, geboren 1903, wuchs in Bruchsal auf, ihr Vater war Postbeamter, irgendetwas Höheres. Auch sie ging aufs Humanistische Gymnasium, lernte Griechisch und Latein, hielt durch, machte Abitur und war ein Leben lang stolz auf ihr Altgriechisch.

In den 20er Jahren heiratete sie einen Nazi, der später für einen „der großen Bonzen“ Reden schrieb. Ehemann Nummer eins könnte ein enger Vertrauter von Goebbels gewesen sein. Das ist meine Mutmaßung, sie selbst hat diesen Namen nie erwähnt. Irmgard musste also Geld verdienen und ging als Nummerngirl zum Varieté – „Ich habe doch so schöne lange Beine“, sagte sie auch später immer. Irgendwann kam sie zum Film und änderte dafür ihren Namen, weil die Familie ihres Noch-Ehemannes verbot, dass der ehrenvolle Nazi-Name von einem Nummerngirl im Varieté genutzt wurde. Aus Albert wurde Alberti, klang schön italienisch, doch eine Karriere beförderte auch der klangvolle Namen nicht. Lediglich in ein paar Nebenrollen durfte Irmgard Alberti in die Kamera lächeln, in ein paar Ufa-Produktionen. Aber sie lernte dadurch den Filmarchitekten kennen, wurde Mutter, für damalige Verhältnisse sehr spät, mit 37 Jahren.

Sie verließ den Frauenhelden, fand schließlich einen honorigen Mann mit Pensionsanspruch, der sie samt Kind nahm. Schon Ende der 50er kann es sich Irmgard erlauben, mehrere Wochen in München bei ihrer Tochter zu verbringen.

Was haben sie miteinander gemacht? Musste Barbara meine Oma mit auf Partys schleppen? Oder um zehn Uhr abends wieder zu Hause sein? Im Zweifel wohl mitschleppen. Es gibt ein paar Fotos von Partys oder Empfängen, auf denen sie beide zu sehen sind.

Mit König Hussein von Jordanien soll sie Rock’n’Roll getanzt haben

Im Winter 1959 besucht Barbara das erste Mal den Filmball in Berlin. Er findet das vorerst letzte Mal dort statt, bevor er in die neue Filmstadt München verlegt wird. In Berlin heißt der große Star Romy Schneider, sie ist noch sehr jung. Barbaras Agent, die hässliche Kartoffel, will, dass Barbara dort ein Tablett mit leeren Gläsern auf den Boden schmeißt, um auf sich aufmerksam zu machen. Barbara spielt mit und bekommt zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Presse. Von nun an gilt sie als Busenwunder und Skandalnudel. Sie bekommt gleich zwei Rollen in Kinofilmen. Natürlich nichts Anspruchsvolles.

Barbara hatte zeit ihres Lebens einen Zeitungsausschnittsdienst engagiert. Wo auch immer ihr Name auftauchte, wurde der Artikel ausgeschnitten und ihr zugeschickt. Ihr zweiter Ehemann klebte alles sauber in die riesigen Leitzordner ein, in denen ich zum ersten Mal acht Jahre nach Barbaras Tod blättere.

Die ersten Pressemeldungen stammen aus dem Februar 1960. Barbara hat da bereits einen Namen in der Münchner Gesellschaft, obwohl sie bisher nur zwei Rollen beim Film bekommen hat. Man spricht aber von einem „Flirt mit dem kleinen König“, der im Jahr zuvor, also 1959, stattfand. Es wird berichtet, dass Barbara barfuß Rock ’n’ Roll mit König Hussein von Jordanien getanzt habe. Das reicht schon für einen kleinen Skandal.

München, die Klatsch-Hauptstadt

Valentin, der internationale Star, auf einer Gangway.
Valentin, der internationale Star, auf einer Gangway.

© Verlag btb

Im Juni berichtet ein italienisches Magazin über Barbaras Dreharbeiten in Italien. Auch Russland schreibt irgendetwas, das ich nicht lesen kann. Sogar die amerikanische „Times“ schreibt über sie – Barbaras Date mit König Hussein wird wieder aufgewärmt. Ein Herr namens Hannes Obermaier brüstet sich in dem Artikel, Barbara zur deutschen „Femme fatale Nummer eins“ aufgebaut zu haben.

Hannes Obermaier, genannt Hunter, seine Kolumne heißt: „Hunter notiert“. Obermaier war Michael Graeters Vorgänger bei der „Abendzeitung“ gewesen: Deutschlands erster Klatschreporter las Anfang der 50er Jahre auf einer Amerikareise Vorbilder und kopierte den People-Journalismus in München. 1952 waren in der bayerischen Hauptstadt die Trümmerjahre vorbei. Die Münchner suchten nun nach Ablenkung und Unterhaltung und fanden beides in Hunters täglicher Kolumne. Hunter machte München zur Hauptstadt des deutschen Klatschs. München war eine Filmstadt, in der sich Kulturschaffende, Industriellenkinder und Angehörige des Adels die Zeit vertrieben.

Zu Hunters 50. Geburtstag 1973 kamen 400 Gäste aus aller Welt nach Terracina, einem Ort 110 Kilometer südlich von Rom. Dort besaß Deutschlands erster Star-Reporter ein Haus am Strand. Auf der Gästeliste: Ex-Kaiserin Soraya, Uschi Glas, Joachim Fuchsberger, Friedrich Karl Flick ... und natürlich auch Barbara Valentin, die laut der ehrwürdigen „Zeit“ verkündete, schon um 15 Uhr blau zu sein, aber noch nicht sturzbetrunken.

Nackte Busen und Sexszenen waren tabu

Im April 1960 dürfen die Klatschreporter dann auch endlich den Kinostart von Barbaras erstem Film vermelden: „Ein Toter hing im Netz“. Inhalt: Eine siebenköpfige Mädchengruppe, die es auf eine einsame Insel verschlägt, wird von einem grauenvollen Spinnenmenschen dezimiert. „Auf die publicitygewandte Barbara waren alle eifersüchtig“, heißt es von den Dreharbeiten. Die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmbranche, soll darauf bestanden haben, einige allzu freizügige Szenen herauszuschneiden. „Freizügig“ heißt damals: bereits ein tiefes Dekolleté. Nackte Busen oder gar Sexszenen waren tabu.

Nach der Premiere berichtet ein Filmkritiker: „Der Film ist so gruselig, dass mich eine neben mir sitzende Dame ohne Unterlass gegen die Beine trat und mir die Fingernägel in die Oberarme grub.“

Die Presse spricht von einer Skandalsternchen-Strategie. Wer hat sich die ausgedacht? Die hässliche Kartoffel oder Barbara selbst? Im Alter von gerade einmal 18 Jahren? Oder interpretierte man nur nachträglich einen Plan in eine Folge von zufälligen Meldungen hinein?

Die Schauspielerin in der US-Produktion "Scharfe Schüsse auf Jamaika" (1965).
Die Schauspielerin in der US-Produktion "Scharfe Schüsse auf Jamaika" (1965).

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Nach „Ein Toter hing im Netz“ geht alles ganz schnell: Die zweite Hauptrolle. „Küß’ mich als gäb’s kein Morgen“, der deutsche Titel des amerikanischen Films „The Festival Girls“. Handlung: „Eine aufregende Blondine, die beim Baden im Meer einen Krampf bekommt, wird von einem Produzenten gerettet, in einer Hauptrolle eingesetzt und erringt auf einem Filmfestival große Lorbeeren, weil der Film den dritten Preis bekommt …“

Von dem deutschen Titel dieses Films wird Barbara später in den 80er Jahren noch einmal Freddie Mercury erzählen, der daraufhin das Lied komponiert, das er ihr widmet: „Love Me Like There’s No Tomorrow“. Es wird auch auf Barbaras Beerdigung gespielt.

Das Busenwunder schafft den Durchbruch

Schließlich „Das Mädchen mit den schmalen Hüften“: „Der Film, den Johannes Kai drehte, schildert das Schicksal eines jungen Menschen, der die blasiert snobistische Gesellschaft auf der Yacht seines Vaters nicht länger ertragen kann und auf einem Beiboot flüchtet. Dabei wird er auf eine kleine Fischerinsel verschlagen, wo er in ein gefährliches Abenteuer gerät. Die Hauptdarsteller sind Barbara Valentin, Claus Wilcke, Hannelore Elsner, Demeter Bitenc und Dorothea Glöcklen.“

Barbara Valentin bei ihrer ersten Hochzeit (mit dem Berliner Unternehmer Rolf Lüder) in Schmargendorf.
Barbara Valentin bei ihrer ersten Hochzeit (mit dem Berliner Unternehmer Rolf Lüder) in Schmargendorf.

© Verlag btb

Die Frankfurter „Abendpost“ weiß noch mehr: „20 000 Dollar für Barbara Valentin. B.V. geht nach Hollywood. Sie erhielt ein 20 000-Dollar-Angebot für einen Hollywood-Film. Ihr Manager für die USA teilte außerdem mit, dass sich ihre Gage für den geplanten zweiten Film erheblich steigern werde. Barbara Valentin, bekannt als ,Reklamenudel des deutschen Films‘ und Party-Girl König Husseins, hat das Angebot angenommen und wird im August nach Hollywood gehen. Vorher aber wird sie noch in Wien Theater spielen. Sie wurde an das Raimundtheater verpflichtet, wo sie als Partnerin von Johannes Heesters in ,Bel Ami‘ eine Hauptrolle spielen wird. Ihre Gage wird 180 Mark pro Abend betragen; die Proben beginnen bereits am 2. Mai.“

Das Busenwunder hat den Durchbruch geschafft. Zeitgleich scheitert ihre erste Ehe. Und das öffentlich.

Hunter notiert: „Zuletzt lebten sie in Hamburg, in einem Traumhaus, das Rolf für eine bare Million gekauft hatte. Die Nackt-Partys waren Tagesgespräch. Der Grund der Scheidung aber: Rolf war ein Spieler. Er verlor oft in einer Nacht Hunderttausende in den Spielcasinos. Ich habe mir damals die Mühe gemacht und eine Statistik erstellt, wer wie viel über diesen Fall gedruckt hat. Das sah so aus: Es erschienen nach meiner Zählung 55 Seiten Text mit 88 Fotos, Titelbilder inklusive. Und das in 12 Wochen. Rechnete man eine Seite mit einem Anzeigenwert von rund 25 000 Mark – dann wurden in BVs Busen und in Rolf Lüders 1,375 Millionen Mark investiert.“

Lars Reichardt

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