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Meseberg sieht aus wie ein gewöhnlicher Ort im Ruppiner Land.

© imago/Lars Reimann

Wanderungen mit Fontane: Meseberg: Ein Dorf macht Weltpolitik

Der örtliche Klatsch war die Vorlage für „Effi Briest“. Heute gibt’s in Meseberg Bauernfrühstück für die Kanzlerin. Teil eins einer Fontane-Serie.

Zwanzig Minuten dauert der Flug vom Kanzleramt nach Meseberg. Wenn Angela Merkel einen Staatsgast in beschaulicher Atmosphäre empfangen möchte, landen die Helikopter in dem Brandenburger Dorf, rund 60 Kilometer nördlich von Berlin. Seit 2007 ist Schloss Meseberg Gästehaus der Bundesregierung. Im Vergleich zur alten Residenz am Bonner Petersberg ist es kleiner, preußischer und bodenständiger.

Meseberg passt zu Merkel. Im Ort hat man sich an den hohen Besuch gewöhnt. „Hier wird schließlich Weltpolitik gemacht“, sagt ein Anwohner stolz. Der Satz hätte Theodor Fontane amüsiert. Seit jeher habe die Mark, konstatierte der Autor bereits im 19. Jahrhundert, „immer den Mut der ausgleichenden höheren Titulatur gehabt“.

Fontane war mehrmals hier. Allerdings brauchte er für die Anfahrt deutlich länger als die Kanzlerin – etwas mehr als drei Stunden. Die Berliner Nordbahn brachte ihn nach Gransee, von dort ging es mit der Kutsche weiter. Der Dichter ist selten gewandert. Erstmals kam er im Juni 1861 her, um vor Ort für seinen ersten Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu recherchieren.

Das Schlossgelände ist abgesperrt

Im Gegensatz zu anderen märkischen Flecken erhielt Meseberg jedoch kein eigenes Kapitel, sondern wurde „eingekapselt“ in den Teil „Zwischen Boberow-Wald und Huwenow-See“, der sich dem Rheinsberger Hof des Prinzen Heinrich um 1800 widmet. Meseberg liegt direkt am Huwenowsee. Der Reisende ahne „nichts von der verschwiegenen Talschlucht an seiner Seite, von der steil abfallenden Tiefe mit Wald und Schloss und See“. Weil das Schlossgelände aus Sicherheitsgründen abgesperrt ist, lässt sich die abfallende Tiefe von der Seeseite zumindest erspähen. Es ist ein traumhafter Blick. „Wie ein Zauberschloss liegt es auch heute noch da“, schreibt Fontane.

Im Juli fand auf Schloss Meseberg der traditionelle Jahresempfang für das Diplomatische Corps statt.
Im Juli fand auf Schloss Meseberg der traditionelle Jahresempfang für das Diplomatische Corps statt.

© imago/Eibner

Das Gebäude thront auf einer Anhöhe über dem See, der sich umsäumt von mächtigen Rotbuchen und Eichen zwei Kilometer durch den märkischen Wald schlängelt. In Fontanes Notizbuch findet sich neben einer Zeichnung von der Schlossfront auch eine Skizze vom Huwenowsee aus der Vogelperspektive. Erschließt man sich den See schwimmend, hält er einen Vergleich mit Skandinavien stand.

Am anderen Ende des Huwenowsees liegt der kleine Ort Baumgarten, der einst zum Rittergut Meseberg gehörte. In einem alten Trafoturm betreibt das Ehepaar Schulz seit 2014 einen Imbiss. Wenn der Reisende über eine rote Leine eine Glocke in Betrieb setzt, werden für Brandenburger Verhältnisse in atemberaubender Geschwindigkeit Königsberger Klopse, Spiegeleier oder selbst gebackener Kuchen serviert. Gratis erhält man einen historischen Abriss über die Region, Fontane inklusive.

Prinz Heinrich schenkte Gut Meseberg seinem Liebhaber

Der hat das kleine Baumgarten sogar in seinem Notizbuch erwähnt – im Kontext von Reichsgraf Hermann von Wartensleben, der in Meseberg 1738 das Schloss errichten ließ. Der rechteckige Baukörper, dessen Architekt unbekannt ist, besticht durch seine klare Gliederung und seine schlichte Eleganz. Die Hoffront ist mit einem dreiachsigen, durch ionische Halbsäulen unterteilten Mittelrisalit mit Dreiecksgiebel geschmückt. Vor dem Portal befindet sich eine doppelläufige Freitreppe, an deren Fuß Merkel unlängst den französischen Präsidenten Macron empfangen hat.

Auch Theodor Fontane besuchte Meseburg mehrmals.
Auch Theodor Fontane besuchte Meseburg mehrmals.

© Wikipedia

Fontanes Interesse galt vor allem dem schillernden Schlossbesitzer: Christian Ludwig von Kaphengst. Er gehörte nach dem Siebenjährigen Krieg zum illustren Kreis am Rheinsberger Hof des Prinzen Heinrich. Der jüngere Bruder Friedrichs des Großen fand Gefallen an Kaphengsts „Jugend und Schönheit“ und ernannte ihn zu seinem Adjutanten, eine Stellung, wie Fontane spitz anmerkte, „zu der ihn seine geistigen Gaben keineswegs befähigten“. Er hatte offenbar andere. Der kräftige Kaphengst „beherrschte nun den Hof und den Prinzen selbst, dessen Gunstbezeugungen ihn übermütig machten“.

Schließlich schenkte Heinrich ihm 1774 Gut Meseberg, wohin der Liebhaber abgeschoben wurde. Ob Fontanes Version zutreffend ist, der große Bruder hätte die Order nach Rheinsberg gesandt, Kaphengst zu entlassen, konnte bisher nicht belegt werden. Das homoerotische Verhältnis blieb ohnehin bestehen. Über eine nachträglich eingebaute Wendeltreppe gelangte Heinrich aus dem Gäste-Schlafgemach in das Zimmer seines Ex-Adjutanten. Auch seine Rechnungen reichte Letzterer weiterhin an den Prinzen. 1789 heiratete er eine französische Schauspielerin und ließ in Meseberg – auch zur Freude Heinrichs – ein kleines Schlosstheater einbauen.

Der tolle Kaphengst hinterließ einen bleibenden Eindruck

Im Schlossgarten empfängt Angela Merkel Staatsoberhäupter.
Im Schlossgarten empfängt Angela Merkel Staatsoberhäupter.

© imago/Metodi Popow

Der „tolle Kaphengst“ hinterließ bei den Mesebergern einen bleibenden Eindruck. Fontane berichtet, dass die Kinder im Dorf, wenn an Novemberabenden der Wind das Laub über die Gasse fege, zusammenfahren und ängstlich murmeln würden: „Kaphengst kommt.“ Im Jahr 1800 verstarb er 58-jährig an einem Brustkrampf, zwei Jahre vor dem Prinzen. Er wurde in der Meseberger Kirche beigesetzt. In dem evangelischen Gotteshaus erinnere heute kein Stein mehr an den „Wilden Jäger“, stellte schon Fontane fest. Sehenswert ist die 2015 rekonstruierte Kirche allemal: Allein ihr neubarocker Turm mit seiner weithin sichtbaren Zwiebelhaube ist im Ruppiner Land einzigartig.

Ende des 19. Jahrhunderts war Fontane selbst Gast im Schloss, das seit 1885 Carl Robert Lessing besaß. Der Urgroßneffe des gleichnamigen Dichters und Miteigentümer der liberalen „Vossischen Zeitung“ veranstaltete hier Events für die geistige Elite Berlins. Noch heute erinnert am Hofeingang das Familienwappen – die drei Ringe der Ringparabel aus „Nathan der Weise“ – an die Ära Lessing.

Fontane, der für die „Vossische Zeitung“ schrieb, war nachweislich mehrmals zu Besuch auf dem märkischem Gut. Von Lessings Frau Emma erfuhr er die Ehebruchgeschichte der Elisabeth von Ardenne, die Vorlage für seinen berühmten Roman „Effi Briest“. Über einen Aufenthalt berichtet er am 13. Mai 1889 seiner Tochter Martha: „Gestern um 10 ½ fuhr ich, in großer Kumpanei, nach Meseberg, eine Stunde von Gransee.“ Sowohl die Fahrt mit weiteren Gästen im Coupé als auch der Besuch im Schloss wären „sehr nett“ gewesen. Man habe „ein Diner genommen, das sich lediglich aus Produkten des Guts zusammensetzte, glücklicherweise mit Ausnahme des Weines“. Heute gibt es wieder einen Weinberg auf dem Schlossareal. Kein Moselwein, ja, aber brandenburgisch herb.

Gebratene Stechlin-Maräne oder ein Schnitzel?

Die Küche im „Schlosswirt Meseberg“ punktet auch im 20. Jahrhundert mit der Kulisse und seinen exzellenten Speisen aus regionalen Produkten. Den Fisch bezieht Bert Groche, der das Lokal seit 2007 betreibt, aus der Ruppiner Fischaufzucht in Zippelsförde. Die „Gebratene Stechlin-Maräne“ klingt fast fontanisch. Nirgends jedoch ein Verweis auf den berühmten Dichter. Zumindest Prinz Heinrich hängt im „Gewölbekeller“, auch hier nicht ohne seinen großen Bruder.

Mit kulinarischen Superlativen wirbt ebenfalls der „Dorfkrug Meseberg“, wo sich eher Wanderer und Radfahrer einfinden. Es gibt das laut Karte „schon fast legendäre“ Schnitzel in allen Variationen. Das Bauernfrühstück, das Angela Merkel hier mehrmals bestellte, hat Betreiberin Anthea Pigorsch nach der Übernahme der Gaststätte 2017 wieder im Repertoire. Die Kanzlerin war seitdem noch nicht erneut zu Gast. Merkel habe in Meseberg einfach immer viel zu tun, meint ein einheimischer Tischnachbar wissend. Dabei könne man hier doch so gut wandern.

Fontane spazierte gern um den schönen See

Bevor das Essen auf den Tisch kommt, fragt eine Mesebergerin leicht vorwurfsvoll: „Sind Sie denn schon um den See gewandert?“

Ja, auf den Spuren Fontanes.

„Der war doch nur mit der Kutsche unterwegs.“

Nicht in Meseberg! „Vor Tisch“, schrieb er 1889 seiner Tochter, „anderthalbstündiger Spaziergang um den schönen See.“

Der Autor Robert Rauh schreibt in seinem Blog „Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (fontanes-wanderungen.de) über die Ausflüge und hat zusammen mit Erik Lorenz ein Buch herausgegeben. „Fontanes Fünf Schlösser“ ist im be.bra verlag erschienen.

Die Dorfkirche in Meseberg.
Die Dorfkirche in Meseberg.

© imago/Lars Reimann

Reisetipps für die Region

Hinkommen

Mit der Regionalbahn von Berlin-Südkreuz nach Gransee, dann mit dem Bus nach Meseberg. Ab 6,90 Euro pro Strecke, Reisezeit unter 90 Minuten. Mit dem Auto knapp 45 Minuten ab Berlin.

Unterkommen

Hotel Schlosswirt Meseberg in der ehemaligen Brennerei von Schloss Meseberg. Doppelzimmer ab 95 Euro pro Nacht.

Rumkommen

Seehof Rheinsberg. Regionale und saisonale Landküche. Ausgezeichnet vom Guide Michelin. Gänge-Menüs ab 31,50 Euro.

Heimatmuseum Gransee. Eintritt zwei Euro für Erwachsene, ein Euro für Kinder. Für einen Euro gibt es auch eine Tour durch die Altstadt. Dienstag bis Freitag, 10–16 Uhr; Samstag und Sonntags, 12–16 Uhr.

Fontane-Therme in Neuruppin. Tageskarte 45 Euro, deswegen nie überfüllt. Außenbecken und schwimmende Seesauna. Täglich 10–22 Uhr.

Robert Rauh

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