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Einsam. Auf der vorgelagerten Insel Mbudya ist tagsüber fast kein Mensch

© Joshua Kocher

Tansania: Fünf Orte, an denen sich Daressalam lohnt

Bei Tansania denken Touristen an Sansibar und Serengeti. Die größte Stadt des Landes ist hektisch, heiß und staubig – und trotzdem eine Reise wert.

Gequetsche

Geplant war ein Sonnenuntergang mit kühlem Bier und Cashewkernen am Strand. Stattdessen verbringt man die letzten Minuten des Tages hinter der Schiebetür eines japanischen Vans. Entlang der Straße leuchten die Palmen durch die getönten Scheiben golden. Ein kleiner Trost.

Der Verkehr in Daressalam steht. Erst zehn, dann 20, am Ende sind es 30 Minuten, in denen sich nichts bewegt. Niemand weiß, warum. Hunderte Autofahrer lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Keiner hupt. Die Tansanier haben sich in den vergangenen Jahren an die verstopften Straßen in Afrikas am schnellsten wachsender Metropole gewöhnt.

Dar, wie die Stadt hier nur genannt wird, ist das Epizentrum des ostafrikanischen Staates. Wirtschaft, Kultur, Regierungsarbeit – alles spielt sich hier ab. Die Lage am Indischen Ozean macht die Metropole für Firmen und Jobsuchende attraktiver als die 400 Kilometer weiter im Inland gelegene Hauptstadt Dodoma.

Nur Touristen hadern mit der Stadt. Safaris im Serengeti-Nationalpark, Expeditionen auf den Kilimandscharo oder Strandurlaube auf Sansibar haben eine stärkere Anziehungskraft. Dar ist keine Schönheit im klassischen Sinne. Es gibt keine Wahrzeichen, keine Strandpromenade, dafür erdrückende Schwüle im Zentrum und wuselnde Menschenmassen. Die Stadt ist kein Postkartenmotiv, sondern ein Moloch, den man erst für sich entdecken muss.

Gewusel

„Mambo? Alles klar?“, rufen die Markthändler in Kariakoo, wie die Markthalle und das gesamte Viertel heißen. „Poa – klar, mein Freund“, antwortet der Reisende, stolz auf seine ersten Worte in Suaheli, und erntet dennoch Gelächter. Unter dem Wellblechdach hängt ein staubig- feuchtes Duftgemisch. Kardamom und Pfeffer beißen sich juckend in der Nase fest. „Haaatschi!“, keine zehn Schritte vom Eingang entfernt.

Direkt neben den Gewürzsäcken stapeln sich Orangen, Paprika und Gurken auf den Tischen zu wackligen Türmen. „Wir haben die besten Avocados der Welt“, sagt ein Händler. Sie sind runder und glatter als im deutschen Supermarkt. Mit einer Machete schlägt der Mann den Deckel einer Kokosnuss ab, presst den Saft von zwei Limonenhälften rein – eine saure Erfrischung.

Überlaufen. Im Viertel Kariakoo treten sich Händler und Kunden auf die Füße.
Überlaufen. Im Viertel Kariakoo treten sich Händler und Kunden auf die Füße.

© Joshua Kocher

Die ist auch nötig, denn in der Kongo Street um die Ecke wird es hektisch. Links und rechts der schmalen Straße verkaufen Textilhändler Röcke, Gewänder und T-Shirts. Laut klatschend schlagen sie Flip-Flops aneinander, in den Händen klackern sie nervös mit Schillingmünzen. Die Massen ziehen wie eine in Panik geratene Ameisenstraße vorbei.

An einer großen Kreuzung der Kongo Street treffen Menschenschlangen aus allen Himmelsrichtungen zusammen, ein Stau bildet sich. Wer wieder rauskommt, ist triefnass geschwitzt. „Ganz normales Chaos“, sagen die Tansanier. Zur Ferienzeit sei es noch schlimmer, da strömten die Leute aus dem Umland nach Dar, um ihre Jahreseinkäufe zu tätigen.

Die Zuwanderung stellt Tansanias größte Stadt vor eine Herausforderung. 1957 wohnten 128 000 Menschen in der Stadt, 60 Jahre später sind es fast 4,5 Millionen. 2052 könnten es laut African Development Bank 21,4 Millionen sein.

Immerhin scheint ein Problem gebändigt: Müll sieht man kaum. Der Präsident der Republik, John Magufuli, bekannt unter dem Spitznamen „Bulldozer“, hatte eine Idee. An jedem letzten Samstag im Monat müssen die Einwohner zwischen acht und zehn Uhr morgens alles stehen lassen und vor ihrer Haustür sauber machen. Aus Furcht vor hohen Geldstrafen machen viele mit.

Afrikaner, Inder, Expats – alle leben friedlich zusammen

Freizeit. Im Ausflugsort Bagamoyo ist kaum eine Seele zu erblicken.
Freizeit. Im Ausflugsort Bagamoyo ist kaum eine Seele zu erblicken.

© Joshua Kocher

Gegrilltes

Abends am Strand rauscht das Meer, und die Moskitos verabschieden sich langsam in die Nachtruhe. Der Sonnenuntergang ist lange vorüber, nun werden überall kleine Holzkohlegrills auf die Straße gerollt. Wo mittags noch Autos parkten, stehen jetzt Plastikstühle, in den Kühlschränken auf dem Gehsteig stapeln sich Bierflaschen. Sie tragen Namen wie „Serengeti“, „Safari“ oder „Kilimanjaro“. „Du willst hoch hinaus, oder?“, ist die Standardfrage, wenn man Letzteres verlangt.

Juliet Mlingwa Shaw kann mit Bier nichts anfangen. Die 42-Jährige bestellt Wein. Der werde hier kaum getrunken, beklagt sie sich. Nach 14 Jahren in London ist die Bankmanagerin in ihre Heimat zurückgekehrt und kennt nicht nur alle Rebsorten, sondern auch so gut wie alle Straßenstände, Restaurants und Bars der Stadt. Auf ihrem Blog „Swahili Coast Foodie“ gibt Shaw Tipps zum Ausgehen. Häufig führt der Weg zu einem der Straßenstände in der Zanaki Street, wie „Mamboz Corner Barbecue“.

Aus riesigen Plastikeimern werden die marinierten Hähnchenteile auf den dampfenden Grillrost geschmissen. Chicken Tikka, Chicken Sekela, die Herkunft der Köche ist leicht zu erraten. Unter britischer Kolonialherrschaft kamen Zehntausende Inder in die Stadt. Afrikaner, Inder, europäische Expats – alle leben nun in Dar friedlich zusammen. Zum Hähnchen werden Pommes serviert. Nicht bloß gesalzen, sondern in feurig scharfer Chilisauce gewendet. Sie gibt es an jeder Straßenecke. „Eine Art Nationalgericht“, sagt Shaw. Sogar in das morgendliche Omelett werden Pommes eingerührt.

Geschaukel

Vor einer Überfahrt auf die kleine Insel Mbudya empfiehlt sich ein weniger fettiges Frühstück. In 20 Minuten tuckert ein Blechboot mit Platz für etwa 15 Personen rüber auf das vorgelagerte Eiland. Ein paar Schwimmwesten werden von zwei Männern mit freiem Oberkörper an Bord geworfen, die hohen Wellen schütteln die Mägen kräftig durch. Am Ableger gibt es noch eine Ernüchterung: Wahrscheinlich wird der Müll aus der Stadt einfach ins Meer gekippt. Die Strömung treibt tonnenweise Abfall ans Ufer, wo er einen Barfußspaziergang unmöglich macht.

Ganz anders auf Mbudya. Schon von Weitem funkelt der weiße Strand in der Sonne, in türkisfarbenem Wasser gleitet das Boot entlang der Küste. Zur Mittagszeit ist die unbewohnte Insel noch spärlich besucht, erst gegen Abend kommen die Städter zum Picknick. Spaziergänge, Sonnen im feinen Sand, eine Auszeit, so nah an der hektischen Stadt.

Geschichte

In Bagamoyo, einem zwei Stunden von Dar entfernten Städtchen, geht es ähnlich entspannt zu wie auf Mbudya. Nur dass man sich noch um Jahrzehnte zurückversetzt fühlt. Früher befand sich in der Stadt das Hauptquartier des deutschen Kolonialgebiets in Ostafrika – wenn auch nur für drei Jahre, von 1888 bis 1891. Heute sind es ein altes Offiziersgebäude, das Fort und ein Friedhof, auf dem ein Dutzend deutscher Auswanderer begraben liegt, die an diese Zeit erinnern.

Arbeit. In der größten Stadt des Landes schnitzt ein Künstler einen Affen am Straßenrand.
Arbeit. In der größten Stadt des Landes schnitzt ein Künstler einen Affen am Straßenrand.

© Joshua Kocher

Von den Steinhäusern blättert der Putz, die handgeschnitzten Holztüren splittern in der Hitze, der Ruf des Muezzins hallt durch die Gassen. Über die wenig imperiale, aber gepflasterte Kaiserstraße führt der Weg am einzigen Hotel vorbei zum Strand. Von dort zieht Rauch auf. Unter klapprigen Dächern haben die Frauen der Fischer in Kuhlen Feuer entfacht und brutzeln darin den Fang des Tages.

Auf dem Weg zurück nach Dar ist ein großer Teil der Strecke bereits geschafft, als sich der Verkehr verlangsamt. Bis alles steht. Ein Auffahrunfall. Sonnenuntergang im Auto, nichts Neues.

Reisetipps für Daressalam

Hinkommen

Turkish Airlines fliegt in 14 Stunden von Tegel mit Zwischenstopp in Istanbul nach Daressalam. Plätze in der Economy gibt es ab 485 Euro. Rund 100 Euro teurer, dafür etwas schneller, geht es mit der Swiss über Zürich.

Rumkommen

Der Flughafen befindet sich eine halbstündige Taxifahrt vom Zentrum entfernt (30 000 Schilling, etwa zwei Euro). Noch günstiger, allerdings auch rustikaler sind „Daladalas“, Busse mit rund 30 Sitzplätzen (10 000 Schilling). Bezahlt wird pro Fahrt. Wendiger ist man mit den „Bajajs“, den tansanischen Tuk-Tuks unterwegs, die sich durch den Stau schlängeln.

Unterkommen

Das Best Western Hotel Coral Beach liegt auf der Halbinsel Masaki direkt am Strand und kostet ab 100 Euro die Nacht im Doppelzimmer. Zum Frühstücksbuffet gibt es gratis Pool- und Meerblick dazu.

Afrika! Afrika!

Ein Stück Tansania kann man im deutschen Winter in der Zirkusshow „Afrika! Afrika!“ erleben, die ursprünglich 2005 vom österreichischen Aktionskünstler André Heller erdacht wurde. Talent-Scout Winston Ruddle hat in Daressalam eine der wichtigsten Zirkusschulen für die Show gegründet. Mehrere Jugendliche aus der Stadt haben dadurch schon den Sprung auf die Bühnen Europas geschafft. Auf den Märkten von Dar kaufen die Macher Stoffe für die Tänzer ein.

Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahrzehnt (über vier Millionen Zuschauer) kehrt die Show nun nach Deutschland zurück – mit einem Ensemble von mehr als 50 Tänzern. Regie führt Georges Momboye, langjähriger Vertrauter von Heller.

In Berlin ist die Mischung aus Tanz, Akrobatik, Livemusik und Videokunst vom 23. bis 28. Januar im Theater am Potsdamer Platz zu sehen. Tickets gibt es ab 29,90 Euro zu kaufen unter afrikaafrika.de.

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