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Ganz schönes Viertel. Salzburg am Ufer der Salzach an einem Winterabend.

© Promo, Andreas Roebl

Salzburger Land: Es ist ein Lied entsprungen

„Stille Nacht, heilige Nacht“, das sollte einst Trost spenden und tut es noch heute. Es begab sich zu einer finsteren Adventszeit in Salzburg.

Da liegt er. Der holde Knabe im lockigen Haar! Auf genau diese Krippe hat Joseph Mohr geblickt, als ihm vor gut 200 Jahren „Stille Nacht, heilige Nacht“ einfiel.

Die uralte Krippe steht in einem Museum in Mariapfarr, einem kleinen Ort im Salzburger Land, der vom weißen Kirchturm dominiert wird. Das Stille-Nacht-Museum ist nur eines von mehreren in Österreich, es ist gestalterisch einem Notenschlüssel nachempfunden. Gleich nebenan liegt die Kirche, in der Joseph Mohr als Hilfspriester tätig war. Hier erfährt man mehr über den Dichter und sein Stück, das heute als das berühmteste Weihnachtslied der Welt gilt, und das in mehr als 300 Sprachen und Dialekte übersetzt wurde.

Entstanden ist das Lied unter scheinbar ausweglosen Umständen: Die Napoleonischen Kriege hatten das Volk in Armut zurückgelassen. Dann kam das katastrophale „Jahr ohne Sommer“. Der Himmel war 1816 ständig verdunkelt, die Ernte fiel aus, die Menschen hungerten. Damals wussten die Leute noch nicht, dass ein Jahr zuvor im fernen Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen war und Aschewolken den Himmel verfinsterten.

„Man fasste die Katastrophe als Strafe Gottes auf“, sagt Bernhard Rohrmoser. Er ist Pfarrer in der Wallfahrtskirche von Mariapfarr und für 4300 Gläubige in der Region zuständig. Seit er im Alter von zwei Jahren das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum ersten Mal hörte, beschäftigte es ihn immer wieder.

Zu Weihnachten 1818 wurde das Lied erstmals gesungen

Bernhard Rohrmoser deutet auf das Altarbild mit der Anbetung der drei Weisen, auf dem ein ebenfalls gelocktes Jesuskind vor goldenem Hintergrund nach oben deutet, Richtung Himmelsvater. Auch dieses Bild hatte der Dichter Joseph Mohr gesehen, hat in seiner Betrachtung des weihnachtlichen Geschehens den liebenden Gott in den Mittelpunkt der Botschaft gestellt:

„Stille Nacht! Heilige Nacht!/ Die der Welt Heil gebracht,/ Aus des Himmels goldenen Höh’n/ Uns der Ganden Fülle lässt seh’n/ Jesus in Menschengestalt.“

In Arnsdorf steht noch das originale Schulhaus, in dem der Komponist des Liedes, Franz Xaver Gruber, unterrichtet hatte. Gruber und Joseph Mohr verband eine innige Freundschaft. Mohr lebte inzwischen im benachbarten Oberndorf als Hilfspriester, hatte dort ein feuchtes Zimmer am Ufer der Salzach bezogen. In Oberndorf wurde „Stille Nacht, heilige Nacht“ 1818 zum ersten Mal gesungen. Mohr hatte Gruber am Heiligen Abend gebeten, sein Gedicht zu vertonen. Er ging im Wirtshaus ein und aus, und weil er dadurch die Sorgen der Leute so gut kannte, war es ihm wichtig, ihnen eine besondere Weihnachtsfreude zu bereiten.

Mohr konnte den späteren Ruhm nicht mehr miterleben

Bei seinem Vorgesetzten eckte er mit seinen Besuchen hingegen an. Er „spielet und trinket nächtlicher Weile, er singet mit und unter anderem oft nicht erbauliche Lieder, er scherzet auch mit Personen anderen Geschlechts“. So beschwerte sich der Pfarrer beim Bischof über den 26-jährigen Hilfspriester. Benötigt würden an dieser Stelle, „stille, gesetzte, anstandsvolle Männer“.

Gruber brauchte nicht lang für die Komposition. Es schien, als wolle das Lied unbedingt an diesem so trostlosen Weihnachtsfest in die Welt kommen. Er könne dabei nicht an die Christmette selbst gedacht haben, sagt Max Gurtner, der Chef des Stille-Nacht-Museums in Oberndorf. Die Gitarre sei ja ein Wirtshausinstrument gewesen, undenkbar also der Einsatz in der Liturgie. Im Anschluss an den Gottesdienst, der damals ohne Orgel stattfinden musste, wollten Mohr und Gruber an der Krippe gemeinsam singen, der Dichter spielte die Gitarre.

Wo einst die Kirche St. Nikola stand, gibt es heute in Oberndorf eine Kapelle. Da versammeln sich Jahr für Jahr am Heiligen Abend mehr als 4000 Menschen aus aller Welt zur Gedenkfeier. Das Fest findet draußen statt, im Innern hätten nur 20 Personen Platz. Dort hängen Porträts der Liedschöpfer. Gruber hat den Beginn des Welterfolgs in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch gerade so miterlebt. Mohr war verstorben, bevor er etwas vom späteren Ruhm von „Stille Nacht, heilige Nacht“ erahnen konnte. Als der Dichter 1848 starb, war die Gitarre sein einziger Besitz. Museumsleiter Gurtner erzählt gern davon, wie bescheiden der Textdichter Joseph Mohr war. Zeitlebens hatte er sich für die Bildung armer Kinder eingesetzt, hat Wilderern Fleisch abgekauft, um es armen Familien zu schenken.

„Stille Nacht“ machte eine Weltkarriere

Kein Versengeld gegeben. „Stille Nacht“ schrieb Joseph Mohr gratis, um andere zu erfreuen.
Kein Versengeld gegeben. „Stille Nacht“ schrieb Joseph Mohr gratis, um andere zu erfreuen.

© Alamy

Auf die Idee, sich malen zu lassen, wäre er nie gekommen. Als das Lied berühmt geworden war, exhumierte man kurzerhand den Leichnam, schuf nach diesem Vorbild ein Gemälde. Im Sockel des Altars der Stille-Nacht-Kapelle soll Mohrs Kopf anschließend eingemauert worden sein.

Der örtliche Hüter der Kapelle verzichtet in der Beschreibung auf Details, gibt lieber einen praktischen Tipp für die Liedpilger am Heiligen Abend: Unbedingt etwas essen, bevor um 18 Uhr der Christkindlmarkt schließt. In der weiteren Umgebung ist danach alles dicht. Heilige Nacht ist Stille Nacht.

Von Oberndorf aus machte „Stille Nacht“ auch als Hymne der idyllischen Familienweihnacht unterm Christbaum Karriere. Über einen Orgelbauer kam es zu Zillertaler Sängerfamilien, die es in Berlin aufführten, in Moskau und in New York. Auswanderer nahmen es mit in alle Welt. Die erste Strophe traf mitten ins Herz des Bürgertums. Bilder der überaus beliebten Königin Luise mit gelocktem Kronprinzen waren weit verbreitet. Die private Feier der Hohenzollernfamilie geriet zur prägenden Vorstellung vom harmonischen weihnachtlichen Zusammenleben. Aus dem Kronprinzen mit lockigem Haar wurde 1840 der preußische König Friedrich Wilhelm IV. Der ließ in der Erzabtei St. Peter in Salzburg anfragen, wem das Lied eigentlich zu verdanken sei. Als der Komponist Franz Xaver Gruber davon erfuhr, schickte er 1854 eine „Authentische Veranlassung zur Composition des Weihnachtsliedes“ nach Berlin, um sich als Urheber auszuweisen. Joseph Mohr war da schon sechs Jahre tot.

Das Lied sangen Soldaten im Ersten Weltkrieg

In Grubers altem Schulhaus ist im Jahr 200 nach der Komposition mächtig was los, Max Gurtner hat allerhand zu tun mit Besuchern und Filmteams. Als junger Mann studierte er Theologie – wie Mohr – ging dann als Missionshelfer nach Südamerika. Dort sahen es auch seine Vorgesetzten nicht gerne, dass Gurtner sich ständig unter die einfachen Leute mischte, sogar unter Nicht-Katholiken. Gurtner wurde dann nicht Priester, sondern Geschäftsmann, belieferte Dritte-Welt-Läden. Seine Kinder gingen in genau das Schulhaus, in dem einst Franz Xaver Gruber gewirkt hatte. Vor elf Jahren wurde Gurtner wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stille-Nacht-Museums, nahm sein Theologiestudium wieder auf und schloss es mit 71 Jahren ab.

Sechs Strophen des Liedes existieren, heute sind nur drei von ihnen weithin bekannt. Die anderen drei interessieren Gurtner besonders: „Wo sich heut alle Macht/ Väterlicher Liebe ergoss/ Und als Bruder huldvoll umschloss/ Jesus, die Völker der Welt …“ Vor allem das Motiv der Begegnung ist für Gurtner zentral, denn, so sagt er, „in der Begegnung geschieht Heil“. Aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs erklang das Lied in unterschiedlichen Sprachen. In der Heiligen Nacht sangen Soldaten es gemeinsam, die sonst aufeinander schießen mussten.

Mohrs Botschaft ist bis heute aktuell

Auch die Lebensgeschichte des Stille-Nacht-Dichters Joseph Mohr hatte so gar nichts von Idylle. Als uneheliches Kind einer Strickerin und eines desertierten Soldaten 1792 geboren, wurde er im Dom getauft über dem gleichen Becken wie Wolfgang Amadeus Mozart. Pate war Salzburgs letzter Scharfrichter. Der Domchorvikar förderte den überdurchschnittlich begabten Jungen, der aus einem „fleischlichen Verbrechen“ hervorgegangen war. Museumschef Max Gurtner vermutet, dass das Stille-Nacht-Gedicht auch Teil der Bewältigung seiner Herkunft war. Nicht nur der herrschenden Not, auch seinem damals als skandalös geltenden Ursprung wollte er mit dem Lied etwas Positives entgegensetzen, verbunden mit der Erkenntnis: „Ich bin kein Kind der Sünde, sondern ein Kind der Liebe.“

Ansprechbar sein, eng dran an der Gemeinde, mit dem Leitgedanken Mohrs hat sich auch Bernhard Rohrmoser in Mariapfarr identifiziert. Als er dorthin versetzt wurde, wollte Rohrmoser zuallererst das hohe Gitter abschaffen, das den Altarraum von den Bänken der Kirchgänger trennte, wollte auch Nähe herstellen zum Kirchenvolk, Barrieren beseitigen. Was hat ihm das für Anfeindungen eingebracht! Aber Rohrmoser, Sohn eines Holzarbeiters, hat sich früh versprochen, immer eng bei den Menschen bleiben zu wollen. So wie einst Joseph Mohr, den er manchmal um Beistand anruft vor schwierigen Entscheidungen. „Stille Nacht“ hilft ihm auch dann immer, wenn es scheinbar nicht weitergeht. Wenn ihm etwas Schweres bevorsteht, hört er vorher das Lied, zum Beispiel, als er die Eltern eines getöteten neunjährigen Mädchens besuchen musste.

Neben der Kirche hat Rohrmoser ein Denkmal geschaffen für sein Vorbild, den Stille-Nacht-Brunnen mit ganz viel Symbolik für die bleibende Friedensbotschaft und die Quelle als Sinnbild für die Weihnachtsbotschaft.

Rund 50 Messdiener sind in Mariapfarr Heiligabend im Einsatz. Der jüngste darf den holden Knaben vom Altar zur Krippe tragen. Und dann singen sie gemeinsam in dieser einen, hochheiligen Nacht. Alle sechs Strophen.

Reisetipps fürs Salzburger Land

Hinkommen

Easyjet fliegt von Schönefeld nonstop in einer guten Stunde bis Salzburg, ab 67 Euro hin und zurück. Von dort aus erreicht man Arnsdorf mit dem Zug in etwa einer halben Stunde. Mit der Bahn über München für 105,90 Euro in sechseinhalb Stunden.

Unterkommen

Hotel & Villa Auersperg, ein mit vielen liebevollen Details gestaltetes Haus. Doppelzimmer pro Nacht ab 155 Euro, auersperg.at.

Rumkommen

Noch bis Februar gibt es Kombitickets für den Besuch aller Stille-Nacht-Museen, landesausstellung2018.at.

Weitere Infos rund um die Region sind erhältlich beim Salzburger Land Tourismus, salzburgerland.com.

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