zum Hauptinhalt
Unwirtlich. Während über dem „Deadvlei“ der Himmel schon morgens blau ist, geht es am Boden ziemlich trocken zu.

© Christian Vooren

Roadtrip durch Afrika: Ein Hoch auf die Einsamkeit in Namibia

Kein Mensch weit und breit – und der Reifen geplatzt. Die einstige deutsche Kolonie ist extrem dünn besiedelt. Doch nach den Strapazen wartet Haxe mit Sauerkraut.

Im ersten Moment

Landeanflug, Safarigefühl. Rötlich schimmernde Savanne, der Horizont flimmert, als würde er in der Sonne schmelzen. Eine Antilope flüchtet in den Schatten eines einsamen Strauchs.

Ankunftshalle, Mallorcagefühl. Weiße Haare, junge Pärchen, Rollkoffer, zu viel Camp David. Der Mietwagen ein SUV von der Sorte, wie ihn zu reiche Großstädter in zu kleine Parklücken zwängen. Silbermetallic, 6000 Kilometer auf dem Tacho, der Innenraum riecht nach Autohaus. Lenkrad rechts, in Namibia gilt Linksverkehr. Den haben die britischen Kolonialherren zum Ende des 19. Jahrhunderts gebracht, die Deutschen später Schwarzwälder Kirschtorte.

Erstaunlich, wie freundlich deutsche Touristen hier trotzdem begrüßt werden. Immerhin waren es deren Landsmänner, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Herero umbrachten – die Deutschen ließen viele von ihnen absichtlich verdursten. Während der gesamten Reise wird man darauf nicht angesprochen. Windhoek, die Hauptstadt, wirkt sogar heute noch überraschend deutsch. Ein Leichtes, sich hier einzugewöhnen. Im Supermarkt gibt es „gut & günstig“-Schokokekse. Die Vollmilchschokolade behält kaum bis zum Parkplatz ihre Konsistenz. Es ist heiß, über 30 Grad.

Aufregender ist da schon der Besuch im Campinggeschäft „Bushwackers“. Ein Spielwarenladen für große Jungs. Bei Bedarf auch für ganz große. Zelt, Kochgeschirr, Feuerholz – für den Durchschnittscamper reicht das, wenn er Schlafsack und Isomatte selbst mitbringt. Auf dem Parkplatz hat sich derweil eine erste dünne Staubschicht über den Metalliclack gelegt. Rauf auf die Straße, raus aus der Stadt. Man ist ja wegen der Natur hier. Von Windhoek aus Richtung Norden, nach kaum einer halben Stunde Fahrt werden die Dörfer, die man durchquert, kleiner. Sie schrumpfen zusammen, bis irgendwann nur noch ein paar Wellblechhütten übrig bleiben. Die Wüste nimmt sich ihren Raum. Der Asphalt geht in Schotter über. Wieder Safarigefühl. Die Paviane am Straßenrand scheinen zu winken. Sie wittern wohl „gut & günstig“

Auf der Straße

Das Auto zieht plötzlich nach rechts, klingt laut, irgendwie falsch. Der Reifen ist geplatzt. Aufgeschlitzt von einem der unzähligen spitzen Steine. War ja klar, dass das auf halber Strecke passiert. Mitten in der Wüste. Zwischen einem Dorf mit 160 Einwohnern und einem anderen Ort, der sich später als Tankstelle herausstellen wird, die seit Wochen geschlossen zu sein scheint. Etwa 100 Kilometer in beide Richtungen. Nirgends Handyempfang, die Sonne steigt immer höher und brennt immer heißer. Heute ist noch kein anderes Auto auf dieser Straße gefahren. Fühlt sich an wie das erste Abenteuer. Passiert aber eher im Kopf. Reifen raus, Reifen wechseln, kaputten Reifen einladen, dabei ordentlich schwitzen und zum Ausgleich den Wasservorrat dezimieren. Halb so schlimm. Kann weitergehen.

Wer weiß, wie man ein Rad wechselt, entdeckt Namibia am besten auf eigene Faust. Auto mieten, losfahren. Theoretisch kann man sich nahezu durchgehend auf asphaltierten Routen bewegen, dann sind Reifenpannen unwahrscheinlich, man verpasst allerdings auch die schönsten Ecken. Besser ein richtiges Geländefahrzeug mieten, das den Namen auch verdient (in der Regel nicht silbermetallic lackiert), vielleicht ja sogar eins mit Dachzelt. Mit solchen Autos kann man sich auch mal auf die Schotterpisten wagen. Selbst die sind recht gut ausgebaut und vor allem klar beschildert. Als Faustregel gilt: Je mehr Ziffern der Straßenname hat, desto kleiner und unwegsamer.

Was ursprünglich nicht mehr als ein altes Wrack war, ist heute ein beliebter Fotostop bei Touristen.
Was ursprünglich nicht mehr als ein altes Wrack war, ist heute ein beliebter Fotostop bei Touristen.

© Christian Vooren

Aber Achtung, Namibia hat, relativ zur Einwohnerzahl, die weltweit meisten Verkehrstoten im Jahr. Hohe Geschwindigkeit, rücksichtsloser Fahrstil mancher Einheimischer, und besonders Wildwechsel in der Nacht machen lange Fahrten tückisch. Also Fuß vom Gas, regelmäßig pausieren, nur bei Tag fahren. Und genug Proviant im Auto haben. Das Land ist extrem dünn besiedelt. 2,3 Millionen Einwohner, macht 2,8 Namibier pro Quadratkilometer. In Deutschland leben auf der gleichen Fläche 231 Einwohner. Es können also Stunden vergehen, in denen kein Mensch und kein anderes Auto zu sehen sind. Wunderbar meditativ. Zwei bis drei Liter Wasser pro Person und ein paar Snacks sind deshalb das Minimum an Bordverpflegung. Dann ist die nächste Reifenpanne auch kein großes Abenteuer.

Hinein in die Wildnis

Irgendwann wird es ermüdend. Seit zwei Stunden ist man nun unterwegs im Nationalpark, hat kein einziges Tier gesehen, und muss langsam pinkeln. Nur aussteigen darf man nicht, wegen der Tiere. Weit und breit kein gefährl… „LÖWE!“ Vollbremsung. Die Beifahrerin war aufmerksamer. Im kniehohen Gras liegen drei Löwinnen, keine fünf Meter von der Straße entfernt.

Die meisten Urlauber sind beim ersten Mal in Afrika auf Safari aus. Und wer einmal auf Safari war, wird womöglich immer wieder zurückkehren wollen. Im Norden Namibias, sechs gemütliche Autostunden von Windhoek entfernt, liegt der Etosha Nationalpark, und der beherbergt neben Löwen auch Elefanten und Nashörner.

Eine Safari gehört für die meisten Touristen zur Namibia-Reise dazu. Im Etosha Nationalpark kann man mit dem eigenen Auto auf Pirsch gehen.
Eine Safari gehört für die meisten Touristen zur Namibia-Reise dazu. Im Etosha Nationalpark kann man mit dem eigenen Auto auf Pirsch gehen.

© Christian Vooren

Schön, dass man sich im gesamten Park mit dem eigenen Auto fortbewegen kann. Unnötig also, auf den guten Willen und die Geduld des Rangers zu hoffen oder sich mit einem halben Dutzend anderer Touristen um den besten Fotoplatz im Auto zu streiten. Nicht so schön, dass kein Ranger einem erklärt, was für eine Antilope da gerade ans Wasserloch stolziert und es ist auch niemand da, der die besten Lieblingsplätze der Tiere gut kennt. Und aus irgendeinem Grund stehen Giraffe, Zebra und Co. permanent auf der falschen Seite des Autos, sodass man am Ende doch über die Mittelkonsole klettert und sich mit dem Beifahrer um den besten Fotoplatz streitet.

Gegen das Heimweh

Das „Bistro am Kaisereck“ könnte nicht nur wegen seines Namens, sondern auch wegen des Eingangsschilds in Frakturschrift genauso in Weimar oder Duisburg stehen. Einige Meter weiter gibt es Haxe mit Sauerkraut, auf dem Rückweg vom Strand lädt die deutsche Buchhandlung zur Lektüre im angeschlossenen Café ein. Die Stadt Swakopmund liegt an der Westküste des Landes, eingepfercht vom Atlantik auf der einen und der Wüste Namib auf der anderen Seite. Könnte auch Usedom sein. Rotweiß gestreifter Leuchtturm, zahlreiche deutsche Rentner, die entweder Urlaub machen oder gleich komplett ihren Altersruhesitz verlegt haben.

Während einer Rundreise durch Namibia ist Swakopmund eine gute Gelegenheit, um Vorräte aufzufüllen, bei einem Strandtag neue Energie und vor der nächsten Etappe ausreichend Benzin zu tanken. Und auch, um für eine Nacht ein Hotelbett gegen die Isomatte im Zelt und einen Burger mit Pommes gegen Nudeln vom Gaskocher zu tauschen. Wer sich schon nach wenigen Tagen fern von zu Hause etwas verloren fühlt, der kann hier durchschnaufen.

Abseits der Städte leben viel weniger Menschen, dafür gibt es viel mehr Wüste. Außerhalb der Saison finden sich unterwegs Campingplätze ohne jegliche andere Gäste. Da sitzt man dann mitten im Niemandsland, vor einem die Weite, über einem der Sternenhimmel. Und was für einer. Einsam? Ganz sicher. Ein angenehm ungewohntes Gefühl. Hier könnte man noch eine Weile bleiben. Während man den Gürtel des Orion und das Kreuz des Südens sucht, sind die Gedanken beim Auswandern. Verlockend. Vielleicht eines Tages, wenn die Haare weiß werden.

Für die Postkarte

Sind 9000 Kilometer ans südliche Ende von Afrika geflogen, nochmal 4000 durchs Land gefahren. Die Dünen von Sossusvlei sind wirklich so rot wie auf den Fotos. Haben immer noch Sand überall. Sehr nette und offene Einheimische. Fühlten uns sicher und willkommen. Viele Deutsche, manche halten sich bis heute für Kolonialherren. Zwei Wochen sind zu kurz für einen Campingtrip. Werden wohl nochmal wiederkommen. Ein guter Auftakt, um Afrika kennenzulernen.

Von Windhoek aus Richtung Norden zum Waterberg 1 – weiter zur Safari in den Etosha Nationalpark 2 – durchs Damaraland 3 nach Swakopmund 4 zum Durchschnaufen – Sonnenaufgang im Sossusvlei 5 – anschließend über Helmeringhausen 6 nach Keetmanshop 7 – zum Abschluss die Aussicht über den Fish River Canyon 8 genießen – Rückfahrt Richtung Norden nach Windhoek

Reisetipps für Nambia

Hinkommen

Am bequemsten von Frankfurt aus. Air Namibia fliegt Nonstop in knapp elf Stunden nach Windhoek ab etwa 980 Euro. Alternativ Ethiopian Airlines über Addis Abeba in knapp 15 Stunden für rund 600 Euro.

Unterkommen

Am besten ständig woanders. Es lohnt sich, beim Mietwagen auf lokale Anbieter zurückzugreifen, die sind oft besser auf die lokalen Straßenverhältnisse eingestellt. Inklusive Dachzelt zum Beispiel bei Asco ab rund 90 Euro pro Tag (ascocarhire.com).
Wer seine eigene Ausrüstung mitbringt, kann hier sparen. Viele Campingplätze und Parks werden vom Namibia Wildlife Resorts betrieben (nwr.com.na).

Rumkommen

Für die klassischen Routen sollte man etwa 14 Tage einplanen. Wer der Hitze entgehen will, startet früh morgens. Dann ist auch das Licht für Fotos am besten. Kein Geheimtipp, aber ein Muss: die roten Dünen von Sossusvlei. Unbedingt vor Sonnenaufgang am Eingangstor sein, der Aufstieg in der Hitze wird ansonsten zur Tortur.

Zur Startseite