zum Hauptinhalt
Bei manchen Yogakursen geht es ziemlich esoterisch zu. Auch indische Götter werden gerne besungen.

© AFP/Douglas Magno

Patricia Thielemann macht sich locker: Die Radikalisierung von Yogastudios

Die Suche nach dem richtigen Yogastudio ist wie die nach einer guten Pizza. Wo kommen all diese Mutationen her?

Wo Yoga draufsteht, kann alles Mögliche drin sein. Enttäuschungen sind da programmiert.

Wenn die Buchhalterin von Siemens in der „Brigitte“ liest, dass Yoga gut für den Rücken und den Hormonhaushalt ist, und daraufhin anfängt zu googeln, kann es passieren, dass sie in einer Runde landet, in der alle sich bei einer Affenhitze 45 Minuten lang in Unterwäsche schütteln und lautstark „Hare krishna“ zu Technobeats beten, als seien sie im Berghain.

Schön, dass es unter dem Label Yoga solche Vielfalt gibt. Nur: Wo kommen all diese Mutationen her? Unsere Teilnehmer sind doch meist bodenständige Menschen, die sich eher nach einem überzeugenden Gegenpol zu ihrem stressigen Alltag sehnen.

Bastel dir deinen eigenen hippen Heiligen

Stattdessen beobachte ich regelrechte Lagerbildung. Häufig anzutreffen ist das dogmatisch-esoterische Lager. Diese Fraktion zeichnet sich dadurch aus, dass man hier jeden, der ab und an mal eine Cola trinkt – also für meinen Geschmack halbwegs normal durchs Leben geht –, mit dem Satz bedenkt: „Er ist einfach noch nicht so weit.“ Man muss sich dazu einen mitleidig-pastoralen Tonfall vorstellen. Für diese Yoga-Anbieter ist das ganze Leben Schicksal, dem man sich ergeben muss, nachdem man es ausgependelt hat.

Wirklich alles, was aus Indien kommt, gilt in solchem Unterricht als grundsätzlich gut. Sie erkennen das Folklore-Potpourri auch an den indischen Gottheiten, die in diesen Hip-&-holy-Kursen mit voller Inbrunst besungen werden. Nach dem Motto: Bastel dir deinen eigenen hippen Heiligen.

Zum Vergleich: Das ist, als würden wir in unserer säkularen Welt Marienstatuen anbeten. Fänden viele ja auch eher befremdlich. Indische Affengötter und Shiva-Gesänge hingegen schaffen cool Gemeinschaftsgeist.

Eine Stunde hier hat etwas von einem Woodstock-Revival plus Indien und ist überdies nicht ganz ungefährlich, weil es eben nicht jedem übergewichtigen Bürohengst mit Käsecroissant im Magen guttut, sieben Minuten im Kopfstand zu stehen. Auch wenn irgendein Yoga-Führer, der längst tot ist, predigte, dass das die Weltsicht so lehrreich auf den Kopf stelle.

Dann gibt es noch die Kieser-Variante

Das zweite Lager schlägt in die andere Richtung aus. Es ist der Versuch, ein besonders ökonomisches Yoga anzubieten. Was bleibt, ist die sportliche Hülse von Yoga, es wird zum Aerobic unserer Zeit. Alles Geheimnisvolle, Beseelte soll möglichst ferngehalten werden, während die Teilnehmer des Kurses ihre Sonnengrüße nach Luft japsend auf fast forward absolvieren.

Eigentlich soll diese Abfolge von Liegestützen und aufschauenden Hunden das Nervensystem beruhigen, aber so beats-per-minute-artig selbstoptimiert verbrennen Sie natürlich viele Kalorien. Und betteln geradezu um einen Herzkasper.

Dann gibt es noch die Kieser-Variante. Dabei erklärt eine schmallippige Deutsche didaktisch vorbildlich die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung zum Einfluss von Yoga auf unseren Körper. Sie erkennen diese intellektualisierte Variante an den ellenlangen gut gemeinten Erläuterungen, die den Kopf rauchen lassen.

Die Suche nach dem richtigen Yogastudio erinnert mich an die Suche nach einer leckeren Pizza. Weder Pizzabäcker noch Yogalehrer scheinen auf das Einfache zu vertrauen. Wie schwer es ist, eine gute Margherita zu bekommen!

Die Autorin ist Chefin von spirityoga.de und vertritt Katja Demirci.

Patricia Thielemann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false