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Tetiaroa ist ein Südsee-Atoll mit zwölf kleinen Inseln, sogenannten Motus. Auf der kleinen am rechten Ende befindet sich das Resort "The Brando".

© Tim McKenna

Marlon Brando auf Tahiti: Die Möglichkeit einer Insel

Marlon Brando schuf sich ein Paradies, das zu seinen Lebzeiten als „exklusivster Slum der Südsee“ galt. Dann wurde auf Tetiaroa renoviert. In dem Refugium der Superreichen schrieb Obama gerade seine Memoiren

Marlon Brando wollte an einem Strand sterben, an eine Kokospalme gelehnt, den Blick auf den Pazifik gerichtet. Er wusste auch wo: auf Tetiaroa, 50 Kilometer nördlich von Tahiti, seinem Atoll, seinem Stück Paradies, seinem Traum von einer Insel. Der hat sich nie ganz erfüllt.

Dafür hat sein Traum einen Verwalter gefunden. Richard Bailey führt Tetiaroa als exklusives Resort. Der 63-jährige Amerikaner hat noch zu Brandos Lebzeiten mit der Hollywood- Legende über einen Pachtvertrag verhandelt, er hat die Luxushotelanlage bauen lassen unter der ausdrücklichen Bedingung des Schauspielers, dass Tetiaroa nachhaltig funktionieren muss. Marlon Brando war vieles: Charakterdarsteller, Oscar-Preisträger, Frauenheld, Kontrollfreak - und Naturschützer.

Einmal kneifen, bitte

„Wenn ich abends an der Südspitze der Insel sitze“, sagt Bailey, „die Überreste des Tages aufsauge, die Lagune vor mir sehe, vielleicht einige Wale, die am Horizont nach Luft schnappen, dann muss ich mich jedes Mal kneifen.“

Die Gäste, die neben ihm sitzen, an einem Glas Marlon's Mojito nippen (mit Kokosnusswasser) oder einen polynesischen Salat mit Melonen, Ananas, getrockneten Tomaten und Kokosnussflocken essen, zwicken sich vermutlich auch.

„The Brando“ ist seit 2014 ein Versteck für Vermögende, 35 Villen verschwinden hinter Hecken und Palmen, es gibt zwei Restaurants, zwei Bars, einen Tennisplatz, ein Fitnesscenter, ein Spa, einwandfrei funktionierendes Internet, eine Forschungsstation und eine 27 Quadratkilometer große Lagune mit tropischen Fischen.

Pippa Middleton in den Flitterwochen

Leonardo DiCaprio und Johnny Depp erholten sich auf der Insel, Pippa Middleton und James Matthews feierten dort ihre Flitterwochen, und Barack Obama zog sich nach seiner Präsidentschaft für einige Wochen auf das sechs Quadratkilometer kleine Tetiaroa zurück, um an seinen Memoiren zu schreiben.

Die ersten Gäste trafen auf der Landebahn ein, als Brando bereits zehn Jahre tot war. Und 15 Jahre nach seinem Anruf bei Bailey. „Wir waren beide Amerikaner, liebten Tahiti und waren beide Hoteliers“, sagt Bailey, der zu jenem Zeitpunkt bereits mehrere Hotels in Französisch-Polynesien betrieb. „Wenigstens hielt sich Marlon für einen.“

Vom "exklusivsten Slum der Südsee"

Marlon Brando und seine spätere Frau Tarita Teripaia in einer Szene des Films "Meuterei auf der Bounty" aus dem Jahr 1962.
Marlon Brando und seine spätere Frau Tarita Teripaia in einer Szene des Films "Meuterei auf der Bounty" aus dem Jahr 1962.

© picture-alliance/dpa

Der Schauspieler hatte Tetiaroa, einen Atoll von zwölf kleinen Inseln, sogenannten Motus, bereits 1966 erworben. Auf einer von ihnen eröffnete er knapp zehn Jahre später eine Bungalowanlage für Touristen. Bailey übernachtete dort in den 80er Jahren, um ein romantisches Wochenende mit seiner tahitianischen Frau zu verbringen. „Romantisch ja, komfortabel nein.“

Dutzende leere Ölfässer lagen nahe dem Dieselgenerator herum. Die strohgedeckten Hütten waren stickig und dunkel. Ratten flitzten durch die Küche. Ein Journalist aus den USA besuchte Marlon Brando auf Tetiaroa und beschrieb, wie ein Angestellter die Hütte lüftete, indem er mit einer Machete ein Fensterloch in die Strohwand schlug.

Die Wirkung war phänomenal. Tausende Mücken piesackten den Gast nun völlig ungestört. Die „Los Angeles Times“ urteilte, das Hotel sei der „exklusivste Slum der Südsee“.

Komfort und Ökostrom

Jetzt ist es der eleganteste Fleck Französisch-Polynesiens. Wer heute aus der Hauptstadt Papeete nach 20 Minuten mit dem Kleinflugzeug landet, sieht die versteckten Villen, die Batterie von Solarpanels am Pistenrand und gleich dahinter die schwarzen Vulkansteine für den Feuerlauf. Die wurden extra für DiCaprio zusammengesammelt, der das berühmte Ritual ausprobieren wollte.

Nördlich der Startbahn stehen noch einige der alten Hütten. Erinnerungen an eine Zeit ohne Komfort und Ökostrom. Für die einen eine Zumutung, für die anderen ein Lebensgefühl. „Authentisch“ seien die, sagt Tumi Brando, eine Enkelin des Stars.

„Grandpa, nicht Marlon, nicht Brando“, liebte es einfach. Die 30-Jährige verbrachte die ersten drei Lebensjahre auf Tetiaroa, danach ist sie immer wieder für Wochenenden hergekommen. Jetzt ist sie das einzige Familienmitglied, das noch auf der Insel arbeitet und als Guide Gäste über die Natur aufklärt.

Hauseigener Sonnenschutz, um die Korallen zu schützen

Tumi Brando sah die Bagger, die den Boden für die Fundamente aufrissen, und war skeptisch. Sie kannte aber auch die Kühlschränke, die zu Grandpas Lebzeiten einfach im Unterholz verrotteten. Und hat mit dem quietschsauberen Resort deshalb ihren Frieden geschlossen.

Auch weil sich die millionenschweren Gäste ausführlich Kläranlage, Mülltrennung und den richtigen Sonnenschutz erklären lassen. Bitte keine herkömmlichen Cremes verwenden, warnt der französische Concierge. Die Inhaltsstoffe bleichen die Korallenriffe aus. Also empfiehlt er das hauseigene Produkt mit der grobkörnigen Textur. Frontalunterricht trotz Luxus. Eine Nacht kostet ab 3000 Euro pro Villa.

Meerwasser aus 936 Meter Tiefe

Eingepreist ist die zwölf Millionen US-Dollar teure Salzwasserpumpe, die kaltes Meerwasser aus 936 Meter Tiefe holt und für die Klimaanlage nutzt. Die Ratten und Mücken sind verschwunden, dank eines Vernichtungsfeldzugs von Wissenschaftlern der Universität von Tahiti.

In einem üppigen Garten wachsen Auberginen, Papayas, Bananen. The Brando ist kuratierte Natur und Nachhaltigkeitsexperiment in einem, fast ohne CO2-Fußabdruck und mit viel Fotoposing-Potenzial.

Die Gäste schauen aus ihrer Villa durch deckenhohe Fenster auf einen Pool, gehen den Pfad hinunter zum Strand, beobachten Seeschwalben, die torpedoartig ins Wasser tauchen. Überall hat die Natur mit Farben gepinselt, die man in Europa für verkitschte Fototapeten reserviert. Türkis, schneeweiß, azurblau.

Die Franzosen dachten ans Paradies

Schon die ersten Europäer, die es nach Tahiti und auf die umliegenden Inseln verschlug, haben die abgelegenen Südseeatolle als magische Orte empfunden. Der Forschungsreisende Louis Antoine de Bougainville segelte als erster Franzose 1768 um die Welt und beschrieb die Inseln als einen Garten Eden, in dem die Bewohner noch nicht von der Zivilisation verdorben seien.

Die Franzosen beanspruchten sie im 19. Jahrhundert schließlich für sich. Französisch-Polynesien ist nach wie vor ein Überseegebiet der Grande Nation, eine Meeresfläche halb so groß wie die USA mit einer Landmasse von nur 4000 Quadratkilometern, fünf Mal so viel wie Berlin.

Die Verlockung, in diesem entlegenen Teil der Welt zu bleiben, war auch für die Seeleute des englischen Segelschiffs „Bounty“ so groß, dass sie 1789 eine Meuterei gegen ihren sadistischen Kapitän anzettelten und sich mit polynesischen Frauen auf unbewohnte Inseln zurückzogen.

Meuterei auf der Bounty

Diese Geschichte erzählten sich Seemänner über Generationen hinweg, sie wurde ein Stoff für Bücher und Filme. Die Verfilmung der „Bounty“ war es schließlich, wegen der Marlon Brando 1960 zum ersten Mal nach Tahiti kam.

Im Film spielt er den rebellischen Offizier Christian Fletcher. Für die Rolle gelang es ihm als erstem Hollywood-Schauspieler, eine Gage von einer Million Dollar auszuhandeln. Die Dreharbeiten vor Ort waren wegen der isolierten Lage kostspielig, Brando stritt sich mit dem Regisseur, das Studio setzte vorsichtshalber einen neuen ein, und trotzdem gefiel dem Star das Ende nicht. Also wurde nachgedreht.

Für das Studio wurde die Mega-Produktion ein Flop, für Brando der Beginn eines neuen Lebens. In Tahiti heirate er seine Leinwandpartnerin Tarita Teriipaia, die 20 Jahre jünger als er war und heute die Großmutter von Tumi Brando ist. Sie lebt nach wie vor auf Tahiti, „sehr zurückgezogen“, wie die Enkelin sagt.

Die Familientragödie von Brando

Blick von einer der Villen auf Pool, Strand und die vielen Optionen, sich fotogen auf eines der Möbel zu fläzen.
Blick von einer der Villen auf Pool, Strand und die vielen Optionen, sich fotogen auf eines der Möbel zu fläzen.

© promo

Die alte Dame hält wenig von ihrem Ex-Gatten, wie man ihrer Autobiografie entnehmen kann. Darin schreibt sie, sie hätte sich gewünscht, Brando nie kennengelernt zu haben. Ihr erstes Treffen in einem Hotelzimmer endete damit, dass sie sich mit Gegenständen bewarfen. Danach seien Affären mit anderen Frauen und Gewaltandrohungen keine Seltenheit gewesen.

Ihre gemeinsame Tochter Cheyenne erhängte sich 1995 im Alter von 25 Jahren. Fünf Jahre zuvor hatte Christian Brando, Sohn aus erster Ehe, den Freund seiner Halbschwester Cheyenne in Brandos Villa in Los Angeles erschossen. Der Vater des Getöteten, ein Politiker aus Tahiti, hatte Brando angedroht, ihn strafrechtlich verfolgen zu lassen, sollte er je wieder tahitianischen Boden betreten.

Und so zog sich Marlon Brando von seinem Rückzugsort zurück. Das Hotel schloss in den 90er Jahren, auf der Insel lebten nur noch Tumi und ihre Eltern. Den Großvater sahen sie einmal im Jahr, wenn sie nach Los Angeles fuhren.

Opas Freunde in großen Villen

Für Tumi waren das Ausflüge in eine andere Welt. Sie wohnten in der Villa am Mulholland Drive, besuchten Opas Freunde in anderen Villen, „wo alles größer und glänzender war“ als auf Tahiti.

Natürlich erzählte man sich noch die alten Geschichten. Wie der Großvater einst die halbblinde alte Dame, die auf jeden Neuankömmling mit einer Flinte schoss, bekniete, ihm Tetiaroa zu verkaufen, und wie sie es nur unter der Bedingung tat, dass er die Natur intakt halte. Denn Tetiaroa war jahrhundertelang ein Ausflugsziel für die Häuptlingsfamilien aus Tahiti gewesen, ein Feriendomizil für die Oberschicht - also gar nicht so viel anders als heute.

Marlon Brando hielt sein Versprechen gegenüber der Vorbesitzerin. Nachdem sein Hüttenslum pleiteging, stellte er Richard Bailey seine Pläne vor. Vermutlich auch, weil er finanziell etwas klamm war, willigte er in die Verpachtung ein, ließ vertraglich jedoch festlegen, dass eine Forschungsstation der Tetiaroa Society über die Einhaltung der Öko-Regeln wachte.

Keine Memorabilia

„Bless his heart“, sagt Richard Bailey über Marlon Brando, sein Herz sei gesegnet. Ob er den Namen „The Brando“ gut geheißen hätte? „Vermutlich nicht“, sagt Richard Bailey, Personenkult war Brando zuwider.

Der Name ziehe nun aber die Menschen an, das wäre bei „Schatzinsel“ oder „Paradies-Resort“ vielleicht nicht der Fall. Wenigstens gibt es außer ein paar Fotos keine Memorabilia des Schauspielers. „Die Insel ist der Star, nicht er.“

Ins Fitnessstudio ging Brando nicht

Die Enkelin, Tumi Brando, glaubt nicht, dass die modernen Villen dem alten Mann gefallen hätten. Er mochte seine Strohhütten unterm Sternenhimmel. Ein Fitnessstudio besuchte der Hollywood-Star in seinen letzten 20 Lebensjahren bestimmt nicht, so wohlgenährt wie Brando aussah. Barack Obama ging bei seinem Aufenthalt zwei Mal täglich ins Gym, die Angestellten erzählen sich noch heute, wie voll das Studio plötzlich mit Sport treibenden Gästen wurde. Schwitzen mit einem Ex-Präsidenten, wo geht das sonst?

Tumi Brando mag den Wind, wenn er über die Insel peitscht, sie liebt die Seevögel, die in der Luft ihre Manöver fliegen. Sie ist froh, dass die Mermaid Bay an der Ostseite noch genauso unbebaut ist und das Wasser grünblau schimmert wie in ihren Schulferien. Für sie hat sich der Traum von ihrer Insel erhalten.

Für Marlon Brando hat er sich nicht erfüllt. Er starb 2004 auf einer Intensivstation in Los Angeles, 14 Jahre nachdem er Tetiaroa das letzte Mal betreten hatte.

Reisetipps für Tahiti

In den Villen erholten sich Stars wie Leonardo DiCaprio und Jonny Depp.
In den Villen erholten sich Stars wie Leonardo DiCaprio und Jonny Depp.

© Eric Martin

HINKOMMEN

Mit Air Tahiti oder Air France über Paris nach Papeete (ab 1500 Euro). Achtung: Für den Tankstopp in Los Angeles brauchen Reisende ein Esta-Visum in die USA.

UNTERKOMMEN

Die Preise für eine Villa in „The Brando“ beginnen ab 3000 Euro für zwei Personen inklusive Mahlzeiten (thebrando.com).

RUMKOMMEN

Um die Lebenswelt der Polynesier kennenzulernen, lohnen sich Touren auf den Inseln, die Tetiaroa am nächsten sind.

Auf Tahiti bietet „Ia Ora Na Expedition“ Exkursionen ins heilige Papeeno-Tal an (iaoranatahitiexpeditions.com).

„Moorea Maori Tours“ macht Gäste mit traditionellem Fischfang und Sitten auf Moorea vertraut(moorea-maori-tours.com).

Mehr Infos unter tahiti-tourisme.pf

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