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Schöner Schein. Feuerwerk, Menschenmengen und barocke Heiligenfiguren – wenn Malta feiert, gibt es kein Zuviel.

© viewingmalta.com

Maltas Hauptstadt: Heute ist mehr Valletta

Einst lagen seine Gassen wie ausgestorben da. Dann wurde der maltesische Ort zur Europäischen Kulturhauptstadt 2018. Jetzt steigt hier die Supa-Festa.

Am Rand der Republic Street, Vallettas zentraler Achse, recken die Zuschauer ihre Köpfe. Rote Stoffgehänge mit barocken Ornamenten wehen über ihnen, maltesische Pavaljuni. Dicke runde Glühbirnen schimmern golden von den Sandsteinfassaden. Da nähert sich der Spielmannszug, er dröhnt und poltert. Valletta feiert Festa.

Nathalie Cachia Bonavia, blaue Schiffchenmütze auf dem Kopf, schreitet vorbei, fixiert ihr Notenblatt. Klarinettenspieler laufen stets in der ersten Reihe, zu viert sind sie. Hinter ihr reihen sich in blauen Uniformen die Trompeter und Pauker des King’s Own Band Club auf. Da kommt noch was.

Die Malteser lieben ihre Festas, sie feiern sich mit ihnen durch den Heiligenkalender. Besonders im Sommer findet immer irgendwo am Wochenende eine große Party für den Schutzpatron der örtlichen Kirche statt. Von denen gibt es so viele wie Tage im Jahr, Malta ist das katholischste Land in der EU.

Zu den Festen hängen die Malteser ihre bunten Pavaljuni auf und tragen Heiligenfiguren durch die Straßen, mindestens lebensgroß, und die Blasorchester musizieren. An Buden essen die Menschen Teigtaschen und was sonst noch in eine Hand passt, geböllert wird schon bei Tageslicht. Festas bringen Familien, Freunde und Nachbarn zusammen, und sie entfachen einen Wettkampf zwischen den Nachbarorten, von dem alle erzählen, aber keiner so genau sagen kann, wie man eigentlich den Sieger bestimmen soll: Spielt die Kapelle der anderen besser, knallen die Feuerwerksraketen lauter? Tradition, sagt die Klarinettistin Nathalie Cachia Bonavia. Dann setzt das nächste Stück ein, ihr Orchester marschiert weiter.

Architekt Renzo Piano baute ein neues Parlamentsgebäude

An diesem Frühlingsabend steigt in Maltas Hauptstadt Valletta die Super-Festa: Alle Heiligen der Stadt – Paulus, Dominikus, Augustinus und die Frau vom Berg Karmel, die Gottesmutter Maria – werden gemeinsam gefeiert. Die zwei Musikvereine Vallettas, King’s Own Band Club und La Valette Band Club, eigentlich Konkurrenten, spielen ein Konzert zusammen. Am nächsten Tag werden die Bewohner die Figuren der vier Heiligen unter den Blicken Tausender Zuschauer durch die engen, steilen Gassen schleppen.

Noch vor ein paar Jahren hätte kein Malteser solch ein Spektakel für möglich gehalten. Wie tot war es hier, sagen die Leute. Wie eine Geisterstadt. Keiner Hauptstadt würdig. Dann entschied die EU: 2018 wird Valletta Europäische Kulturhauptstadt. Mit dem Fördergeld restaurierten die Behörden alte Palazzi. Der italienische Architekt Renzo Piano baute ein neues Parlamentsgebäude, die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Oper nebenan ließ er, wie sie war – ohne Dach – und machte daraus ein Freilufttheater.

Weil Valletta so klein ist, 7000 Einwohner drängen sich auf nicht mal einen Quadratkilometer, schummelt Malta ein bisschen und verteilt die Kulturevents über die ganze Insel. Viele Malteser sind stolz, dass sich der Rest Europas jetzt für die Kultur ihrer Mittelmeerinsel zwischen Sizilien und Nordafrika interessiert.

Die Johanniter sind der Grund, warum Valletta überhaupt existiert

Irgendwie muss man ja auffallen, sagt Nicholas de Piro. Am Morgen nach der Festa steht der 77-jährige Marquis im roten Pullover in einem der vielen Zimmer der Casa Rocca Piccola. Seine Familie wohnt noch immer in dem fast 450 Jahre alten Palazzo und zeigt ihn auch Touristen. Große und kleine Meisterwerke aus Maltas Kultur der vergangenen Jahrhunderte haben die de Piros hier gesammelt. Wild durcheinander hängen an den bunten historischen Tapeten alte Familienporträts neben expressionistischer Malerei.

Im Blauen Zimmer beugt sich Marquis de Piro über einen Beistelltisch. Unter der Glasplatte glänzen chirurgische Scheren aus Silber, die einst Maltas Ritter benutzten. „Die Ritter waren Mediziner, das dürfen wir nie vergessen“, sagt er.

Die karitativen Ritter sind der Grund, warum das kleine Valletta überhaupt existiert. Kurz nachdem die Männer vom Johanniterorden sich auf Malta niedergelassen hatten, belagerte 1565 das osmanische Heer die Mittelmeerinsel. Doch irgendwie schlugen Ritter und Malteser gemeinsam ihre weit überlegenen Feinde in die Flucht. Um in Zukunft gegen Feinde gewappnet zu sein, baute Ritter-Großmeister Jean Parisot de La Valette die Landzunge zur Festungsstadt aus – Valletta.

Die kleine Insel tauchte in den Panama Papers auf

Schöner Stein. Den besten Blick auf die kleine Festungsstadt bekommt man bei einer Bootstour.
Schöner Stein. Den besten Blick auf die kleine Festungsstadt bekommt man bei einer Bootstour.

© Clive Vella/viewingmalta.com

Vor den Rittern herrschten Araber auf der Insel und hinterließen ihre Spuren: Maltas Katholiken beten auf Malti, neben Englisch die zweite Amtssprache, zu „Alla“. Nach den Rittern regierten kurze Zeit Napoleons Franzosen, bis 1964 das britische Empire – die roten Telefonzellen erinnern noch daran. Die Insel hat viel zu erzählen, ihre Hauptstadt ist ein Freilichtmuseum, sagen die Malteser. Marquis Nicholas de Piro breitet die Arme aus in seiner Sammlung dieses Mosaiks der Kulturen: „Es gibt hier die größte Mischung Europas in Europa.“

Vielleicht leben deshalb auf Malta solch treue Europäer: 85 Prozent der Bewohner fühlen sich als Bürger der EU. Die Wirtschaft wächst so schnell wie in kaum einem anderen Land der Union. Dieses Jahr, in dem Valletta Europäische Kulturhauptstadt ist, wird vermutlich alle Besucherrekorde brechen.

Daran dürften auch die Schlagzeilen nichts ändern, die die dunkle Seite von Malta ins Gespräch brachten: Die kleine Insel gilt als Steuerparadies, sie tauchte in den Panama Papers auf. Die Journalistin Daphne Caruana Galizia, die der Regierung des sozialdemokratischen Premier Joseph Muscat Korruption vorwarf, wurde vergangenes Jahr durch eine Autobombe ermordet. Fotos und Blumen erinnern gegenüber von Vallettas Gerichtsgebäude an sie, doch viele Kulturhauptstadt-Besucher ziehen nur daran vorbei.

Festa-Essen muss in eine Hand passen

In Valletta ist alles zu Fuß zu erreichen. Die Ritter haben die Stadt wie ein Schachbrett geplant, als eine der ersten in Europa. Es gibt Kreuzungen, an denen glitzert das blaue Meer beim Blick nach rechts und links auf beiden Seiten. Die Landzunge, auf der Valletta steht, wird umfasst vom Grand Harbour, einem natürlichen Hafen. Gerade hat wieder ein Kreuzfahrtschiff angelegt und ein paar traditionelle Holzboote schaukeln im Wasser, ihre Besitzer warten auf Rundfahrtgäste. Als es in Valletta noch britische Marines und mehr Hafenarbeiter gab, steuerten die Seemänner die Bordelle und Spelunken der Strait Street an. Heute stehen in der schmalen Gasse die Tische kleiner Restaurants und es gibt Gin & Tonic.

Wenn Roberta Preca zu einer Festa geht, dann läuft sie zuerst an den Essensbuden entlang. Mit ihrer Schwester Ramona betreibt sie ein Restaurant. Festa-Essen muss schnell gehen und in eine Hand passen: „Man nimmt ein bisschen vom einen und später ein bisschen vom anderen“, sagt die Frau mit den blonden Strähnen. Süßes wie Imqaret geht dann über die Theke: kleine frittierte Dattelkuchen, die noch dampfen. Oder Pastizzi, Blätterteigtaschen mit Ricotta- und Erbsenfüllung.

„Maltesische Küche ist eine Fusion“, sagt Roberta Preca, in deren Restaurant es nach Knoblauch duftet. Schnecken wie in der französischen Küche. Ravioli mit maltesischem Ricotta wie im nahen Italien. Oder Fisch aus dem Mittelmeer. Maltas Nationalgericht ist Fenek, Kaninchen, große Tiere sind selten auf der Insel.

Lauter als die Knallerei ist nur das Blasorchester

Ein paar Stunden später drängen sich vor der Tür des Restaurants die Menschen auf der Republic Street. Schwankend nähert sich über den Köpfen der Heilige Dominikus, fast ein Dutzend Männer schleppen die lebensgroße Figur Schritt für Schritt voran. Manche haben von der regelmäßig wiederholten Anstrengung schon einen Buckel.

Rote, blaue, gelbe Feuerwerksfunken sprühen am Himmel. Lauter als die Knallerei ist nur das Blasorchester vor der Prozession, Klarinettistin Nathalie Cachia Bonavia an der Spitze.

Reisetipps für Malta

Hinkommen

Ryanair fliegt von Schönefeld zweimal pro Woche nonstop nach Malta (ab 60 Euro). Von Ende Oktober an fliegt auch Air Malta wieder zweimal die Woche direkt von Tegel aus, zurzeit ist ein Zwischenstopp nötig.

Unterkommen

Weil Valletta so klein ist, gibt es wenig große Hotels. Eher groß: Hotel Castille, im maltesischen Stil, mit Dachterrasse (Doppelzimmer circa 130 Euro, hotelcastillemalta.com). Eher klein: Boutique Hotel Ursulino in einem alten Palazzo mit Blick auf den Hafen (Doppelzimmer circa 170 Euro, ursulinovalletta.com). Auch im Vorort Floriana lohnen Unterkünfte, er geht direkt in Valletta über.

Rumkommen

Alle Veranstaltungen rund um die Europäische Kulturhauptstadt 2018 finden sich auf valletta2018.org/events. Termine aller Festas gibt es auf: maltainfoguide.com/ malta-village-feasts. Besondere Feuerwerke hat der Ort L-Imqabba zu bieten, zum Beispiel am 17. Juni und 15. August.

Info

Die maltesische Tourismusbehörde informiert im Internet unter visitvalletta.de oder urlaubmalta.com. ist mehr

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