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Gäste paddeln im türkisfarbenen Meer.

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Luxustourismus in Indonesien: Blau machen auf Bawah

Auf der Insel gibt es wenig mehr als Granitfelsen und Wasser. Dafür ein paar Superreiche, die eines suchen: Zeit für sich.

Tim Hartnoll befand sich am Rande der Zivilisation. Blau überall, wohin er schaute, das Südchinesische Meer breitete sich wie ein endloser Teppich um ihn herum aus, und sechs grüne Inselkuppen ragten daraus hervor. „Ich wollte eine Nacht ankern und blieb drei Tage“, erinnert sich Hartnoll, 63, an den ersten Kontakt mit dem Archipel Bawah. Der Schiffsreeder fasste einen Plan: Hier sollte ein Resort entstehen, das erste überhaupt in den Anambas-Inseln, 250 Kilometer von Singapur entfernt, auf indonesischem Staatsgebiet gelegen. Urlauber aus Europa, Amerika, dem Nahen Osten würden kommen und mit Blick auf die Unendlichkeit abschalten. Und so geschah es.

Das war vor zwölf Jahren. Bawah ist seit knapp einem Jahr eröffnet, 35 Villen sind bezugsfertig, jede in Handarbeit aufgestellt. „Um den Urwald zu schützen, haben wir beim Bau keine schweren Maschinen eingesetzt“, sagt Hartnoll. Trotz seiner Blumenmusterhemden in schreienden Farben ist er ein diskreter Gentleman. Interviews gibt er kaum. Mehr als 30 Millionen US-Dollar hat der in Singapur ansässige Unternehmer investiert, sechs Jahre dauerte allein der Bau der Villen, weil Hartnoll auf traditionellen Arbeitsprozessen bestand. Granit brachen die Arbeiter mit Feuer auf und mauerten aus den Splittern hüfthohe Wälle.

Bawah heißt so viel wie ganz unten und beschreibt recht gut, was die Einwohner von der Insel halten. Kein Trinkwasser, kein Obstbaum, kein Ackerboden, sondern nur ein Granitfelsen mit Bäumen, die sich an das Gestein klammern und vom Niederschlag der Stürme gedeihen. Wäre Robinson Crusoe hier gestrandet, hätte er nicht lange überlebt. Wer auf dem Eiland etwas bauen möchte, muss ein bisschen plemplem sein.

Groß auffahren für eine kleine Klientel

Oder er muss neben viel Geld eine Unmenge Geduld mitbringen. Eine Vision haben: Rundumservice in totaler Abgeschiedenheit. Groß auffahren für eine kleine Klientel. Für Menschen, die alles haben, außer Zeit.

Der Luxustourismus wächst seit Jahren, mit ihm die Angebote, auf privaten Inseln abzuschalten. Vor den Küsten von Kambodscha, Madagaskar, Mosambik oder Australien. Mit Vermögen geht der Wunsch nach Exklusivität einher. Nach Kriterien, die einen ganzheitlichen Urlaub rechtfertigen: etwas umständliche Anreise, gute Küche, ein gewisses Maß an Naturschutz. Der freilich erst ab dem Moment einsetzt, wenn man gelandet ist. Den Langstreckenflug klammern Hotels und Gäste in der privaten Umweltbilanz oft aus.

Es gehört mittlerweile zum Standard eines Resorts wie Bawah, einen Wissenschaftler im Rahmen eines Schutzprogramms anzustellen (auf Bawah für die Meeresfauna) und kreativ zu recyceln. Das Abwasser wird beispielsweise gefiltert und für die Bewässerung des Gemüsegartens benutzt, der Biomüll hilft als Kompost dem Boden, Plastikflaschen sind auf der Insel verboten, das Warmwasser wird mit Solarenergie erhitzt.

Seit der Eröffnung steht das Villendorf weit oben auf der Liste der Unternehmer, Schauspieler und Vermögensverwalter, die eine kontrollierte Auszeit unter komfortablen Bedingungen brauchen. Wenig Breitband-Internet, viel Breitwand-Türkis, keine Anspannung im Büro, dafür Entspannung bei der Ayurveda-Massage, keine Menschenansiedlung in den nächsten 30 Kilometern, aber durchschnittlich drei Servicekräfte pro Kopf.

Der Tourismus bringt Fischerfamilien Hoffnung

Halim ist einer von ihnen. Der zierliche 19-Jährige hat gerade als Aushilfskellner angefangen. Er stammt von einer der Anambas-Inseln, sechs Stunden mit dem Schnellboot entfernt, einen guten Tag braucht der Fischkutter. Während der Überfahrt litt er unter Seekrankheit, weil das Meer so stürmisch war, am nächsten Tag meldete er sich trotzdem sofort zur Arbeit.

Denn Bawah bedeutet für ihn: Hoffnung. Die Menschen in dieser abgelegenen Region Indonesiens sind Fischer, die von ihrem Fang selten gut leben können. Sie wohnen in Dörfern ohne fließendes Wasser, das Trinkwasser wird oft von nahen Inseln herangeschafft, und für die Schulen haben viele Familien kein Geld. Die nächste größere Stadt, Batam, ist mit dem Flugzeug eineinhalb Stunden entfernt – wenn es ein reguläres Streckennetz gäbe. Bisher fliegt nur das Wasserflugzeug von Bawah einmal am Tag Touristen aus Batam zur Insel und zurück.

Halim hat es geschafft. Dass er gebrochen Englisch spricht und ein Jahr an einer Fachhochschule in Jakarta Tourismus studiert hat, ist dem Geld zu verdanken, das die acht älteren Geschwister für ihn gespart haben. Er ist ein Glücksfall für die Familie. Der jüngste Sohn darf im ersten Hotelkomplex der Region arbeiten. Eine neue Einnahmequelle erhoffen sich die Fischerfamilien daraus, mehr Möglichkeiten, die Kinder auf Colleges oder Universitäten zu schicken. Für Halim wäre es das Größte, wenn noch mehr Touristen kommen, noch mehr Resorts aufmachen – auch wenn so vermutlich das schlimmste anzunehmende Szenario für den Exklusivitätstraum des Besitzers aussieht.

Die Gäste sind auf sich selbst zurückgeworfen

Grün reisen. Das Restaurant von Bawah lugt wie eine Schildkröte aus dem Urwald hervor.
Grün reisen. Das Restaurant von Bawah lugt wie eine Schildkröte aus dem Urwald hervor.

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„Ich will meine Eltern glücklich machen und eines Tages eine Familie haben“, sagt Halim. Sechs Kinder, drei Töchter und drei Söhne. Die Heirat muss allerdings noch warten. Jeden Cent, den er spart, schickt er seinen Eltern. Damit sie besseres Essen auf dem Markt kaufen können, frisches Obst, jetzt wo ihr Sohn nicht mehr zu Hause lebt und die Durianfrüchte aus den Bergen holen kann.

Halim mag die deutsche Fußballnationalmannschaft und die „Fast and Furious“-Filme. Er findet es schade, dass die Deutschen bei der WM in diesem Jahr so früh ausgeschieden sind, und traurig, dass Paul Walker, der Hauptdarsteller der „Fast and Furious“-Reihe, bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Und dann lacht er. Niemand auf der Insel hat ihn bisher nach seinen Vorlieben gefragt.

Die Urlauber auf Bawah haben andere Sorgen. Sie genießen zu Hause den Überfluss und suchen im Urlaub die Einfachheit. Schon das Packen der Koffer wird für sie eine Lektion in Minimalismus. Jeder Gast darf nur 15 Kilogramm Gepäck mitnehmen, mehr erlaubt das Wasserflugzeug nicht, das jeden Tag donnernd in die Lagune hineinfliegt und krachend vom Wasser abgebremst wird.

In Bawah sind die Gäste auf sich selbst zurückgeworfen. Und so spielen sich auf der Insel Szenen wie diese ab: Die Schauspielerehefrau, die allein Urlaub macht und nachmittags um vier Uhr einen Gin Tonic nach dem anderen kippt, die Scheichgattin, die mit ihren Freundinnen freizügig herumläuft und heimlich eine Zigarette nach der anderen pafft. Das Paar, das gemeinsam angereist ist und nach einem Streit die zwei entlegensten Villen im Osten und Westen bewohnt und mit Securitypersonal voneinander ferngehalten wird. Eine tolle Netflix-Serie wäre das, einmal die Geschichte jeder Villa zu erzählen. Die Geheimnisse von Bawah. Wahrscheinlich hat das die Filmproduzentin aus London, die gerade abgereist ist, bereits auf ihrer Ideenliste.

Die Sonnenliegen stecken im Hafen von Batam fest

Der Mann, der verantwortlich dafür ist, dass alles reibungslos abläuft, steht jeden Tag am Pier und empfängt die neuen Gäste mit überschwänglich guter Laune. „So good to have you here.“ Paul Robinson ist Brite, lebt seit mehr als 20 Jahren in Südostasien und leitet die Geschicke des Resorts. Der rechte Unterschenkel des 40-Jährigen ist seit der Geburt verkümmert, ein Verband stützt ihn. „Haibiss?“, fragt ein Gast. „Wäre schön“, scherzt Robinson. Der Chief Operating Officer, so sein Titel, zeigt seinen Gästen mit Begeisterung die Entsalzungsanlage (ein gekühlter Raum mit laut dröhnenden Motoren) und den Tennisplatz, der zum dritten Mal in zwei Wochen einen neuen Rasen bekommen soll. Der erste war verwässert, der zweite gefiel Robinson nicht. Demnächst reisen Experten aus Singapur an, die bereits die Golfplätze großer Resorts gestaltet haben.

In einem Buggy fährt Paul Robinson nun zum Strand. Die Surflehrer der Insel helfen gerade einem Paar, in ein Kajak einzusteigen, mit dem sie zur Fledermausgrotte paddeln können. Der Sand ist unberührt, und das gefällt Robinson nicht. Da sollten eigentlich Sonnenliegen auf die Gäste warten. Doch die Container hängen noch im Hafen von Batam fest, wo der indonesische Zoll die Fracht hinauszögert. Das Gesetz der Trägheit, vom dem die Gäste auf Bawah nicht genug bekommen können, überträgt sich auch auf die Logistik.

Man gibt sich egalitär, trotz elitärer Ansprüche

Robinson wäre kein echter Engländer, wenn er diesem Ort nicht seine persönliche Note Exaltiertheit auferlegen könnte. Er wackelt mit seinem Hintern auf dem Pier und nennt es „twerking“. Geduldig hört er sich an, warum die Bauarbeiter die Warmwasserleitung nicht richtig verlegt haben. „Manchmal könnte ich jemanden durch das Fenster werfen“, sagt er. „Aber dann müsste ich ja ein neues Fenster besorgen.“

Bawah ist mit seinen Ansprüchen elitär, der beste Service, die höchsten Preise, doch an der Oberfläche gibt man sich egalitär. Nachnamen existieren nicht, die Gäste heißen Klaus und Angela. Wenn sie zum Essen gehen, bedienen Ando und Rida sie, im Spa kneten ihnen Wayan und Zsuzsa die Muskeln locker. Und raunen ihnen Dinge ins Ohr, die jeder gern hört: Sie müssen sich öfter entspannen. Hier. Jetzt. Sofort.

Reisetipps für Bawah

Hinkommen

Singapore Airlines fliegt ab 700 Euro bis Singapur. Man muss einmal in der Stadt übernachten, am nächsten Morgen mit der Fähre nach Batam übersetzen und von dort nach Bawah fliegen. Organisation und Kosten des Transfers übernimmt das Resort.

Unterkommen

In Singapur zum Beispiel in The Warehouse übernachten, ab 213 Euro das Doppelzimmer.

Bawah kostet ab 1550 Euro pro Villa und Nacht, mehr unter bawahreserve.com.

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