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Funkstille. Unbeantwortete Nachrichten können Freundschaften belasten.

© imago/Westend61

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Kann man Freunde ghosten?

Es gibt Leute, die sich in Luft auflösen, wenn sie einen neuen Partner haben. Und erst wieder auftauchen, wenn die Beziehung vorbei ist.

Und dann war er plötzlich weg, meldete sich kaum noch, eigentlich gar nicht. Sie telefonierte ihm hinterher, schrieb Nachrichten. Hey, Freitag wieder was machen, so wie immer? Die Antwort kam, wenn überhaupt, am Samstagabend oder Sonntag: Sorry, hatte viel zu tun. Kein Vorschlag für ein anderes Mal. Denn Max hatte jetzt eine Freundin. Und Feli war eben nur seine beste Freundin. Es passierte nicht zum ersten Mal. Und darum wusste sie, alle Freunde wussten es: Das kann jetzt dauern, bis man den wieder sieht.

Was Max mit Feli gemacht hat, ist streng genommen Ghosting. Im 21. Jahrhundert gibt es ja für fast alle zwischenmenschlichen Phänomene den passenden Begriff, also auch für den Fall, dass sich jemand aus einer Beziehung stiehlt, ohne ein Wort der Erklärung. Aber kann man auch Freunde ghosten? Immer und immer wieder?

Max und Feli mochten sich gleich, als er irgendwann an der Schule aufgetaucht war. Der irre Mathelehrer, Stress mit den Eltern, kiffen im Proberaum. Sie hatten alles zusammen durch. Ein introvertierter Typ und sie, das glatte Gegenteil. Es passte trotzdem und Feli war froh, dass er schon in Berlin war, als sie nach dem Studium in die Stadt zog. Er und die anderen von früher. Kindheitsfreundschaften, was zum Drauf-verlassen-Können.

Als wäre sie unbekannt verzogen, ins Langeweileland

Jeder kennt Menschen wie Max oder zumindest Spielarten der Metamorphose, die er durchlebt, sobald sich die nächste Liebe anbahnt. Man denke nur an John vor und mit Yoko. Dabei sind längst nicht immer die neuen Partner treibende Kraft. In vielen Fällen, so scheint mir, ist es bereitwillige Selbstaufgabe und die Gewissheit: Beziehungen kommen und gehen, Freundschaften bleiben. Dass man sie gerade deswegen auch pflegen muss, wird gelegentlich vergessen. Es gibt Leute, die nach einer langen Beziehung ihre Freunde aus dem Schrank kramen wie alte Pelzmäntel. Kurz den Staub abklopfen – passt und hält noch warm. Sagen wir mal so: Für den Pelz ist das nicht schön.

Eine Freundin von mir wurde früher immer als letzte vom Barmann aus der Kneipe gefegt, sie feierte gern und groß. Als sie ihren jetzigen – übrigens grundsympathischen – Freund kennenlernte, änderte sich alles. Ständig war sie müde, krank, beschäftigt. Vielleicht kurz auf dem Tempelhofer Feld treffen, ja, aber dann bald nach Hause. Es war, als wäre sie unbekannt verzogen, irgendwohin ins Langeweileland. Nur ein Mal kehrte sie zurück, da hatten sich die beiden gerade getrennt. Es renkte sich wieder ein und sie? Verschwand abermals in der Versenkung. War’s das jetzt?, fragte ich. Die, die sie schon länger kannten, winkten ab. So sei es früher schon gewesen.

Müssen Freundschaften das aushalten?

Max und meine Freundin gehören zu denen, bei der die An- beziehungsweise Abwesenheit der romantischen Liebe den Kurswert der platonischen Liebe bestimmt. Und Freundschaften, so die Erwartung, müssen das aushalten können. Auch wenn es wehtut.

An einem Abend saßen Feli und die anderen in der Küche in der Sonnenallee. Wie immer an einem Freitag, nur ohne Max, seit Monaten schon. Jemand machte sarkastische Kommentare und eine sagte: Erst hier auflaufen, wenn die Frau weg ist, das geht echt nicht. Feli versuchte das Feuer zu löschen. Max stürze sich in solche Sachen rein, das sei doch nicht böse gemeint. Schweigen. Es roch nach gebratenen Zwiebeln und Verrat. Sie wollte sich mit ihm freuen, aber er würde so lange weg sein, wie diese Beziehung dauerte, würde Felis Geburtstag vergessen und eines Tages schreiben: Am Freitag wieder was machen?

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