zum Hauptinhalt
Das Michels Apart Hotel liegt im grünen Charlottenburg.

© Expedia.no

Hotelkolumne: In fremden Federn: Trutzburg in Charlottenburg gegen die bedrohliche Metropole

Als Touristen in der eigenen Stadt: Raus in die Nacht, eine Runde ums Olympiastadion. Mann, ist das alles riesig! Dann lieber schnell ins warme Michels Apart Hotel.

Wenn man neu ist in Berlin, aus den sonnigen Weinbergen des Südens kommt, nun in Neukölln wohnt, wenn man so frisch ist in Berlin, dann macht einem alles außerhalb der Ringbahn Angst. Die Weite. Das Grau. Als ob die Hühnerläden der Sonnenallee nicht Kulturschock genug wären. Es kostet also eine Menge Mut, in diesen Bus zu steigen. Endstation Westend.

Autolichter flackern über der vierspurigen Heerstraße, eine Fußgängerin stemmt den Schirm gegen den Wind. Auf dem Bürgersteig streunen zwei Jungs herum, sie hören Kendrick Lamar aus einer umgeschnallten Box, die weißen Adidas-Socken bis knapp unter die Knie gezogen. Gefährliche Gestalten? Ein Mädchen kommt entgegen, Klassenkameradin, sie führt den Hund Gassi. Smalltalk, „morgen wieder Frau Lachner“. Die Jungs drehen die Musik leiser. Vielleicht alles gar nicht so wild?

Bevor es ins Hotel geht, schnell noch was essen im Preußischen Landwirtshaus, direkt beim Olympiastadion. Als man sich gerade gesetzt hat, kommt schon die Bedienung. „Suchen Se sich ’nen andern Tisch!“ Man macht sich in der Folge zum Depp, als man feststellt, dass der Berliner mit dem Begriff Brägele nichts anfangen kann – wohl aber mit Bratkartoffeln. Große weite Welt.

Raus in die Nacht, eine Runde ums Olympiastadion. Mann, ist das alles riesig! Beängstigend. Gegenüber ragt das Corbusierhaus wie eine gigantische Staumauer auf. Schnell ins warme Hotel.

Gummibärchen auf dem Kopfkissen, der Fernseher knistert gemütlich

Aus dem Fenster im ersten Stock geht der Blick auf die Heerstraße. Ab 1874 marschierten hier die kaiserlichen Truppen des ersten Wilhelms zum Truppenübungsplatz Döberitz. Heute rauschen Krankenwagen mit Blaulicht die Straße hinab, folgten sie ihr immer weiter Richtung Westen, sie könnten bis Hamburg fahren.

Drinnen ist vom Lärm der Straße nichts zu hören. Minimalistische Gemütlichkeit, Gummibärchen auf dem Kopfkissen. Das frischbezogene Bett als Trutzburg gegen die bedrohliche Metropole. Man könnte jetzt auch noch in der Sauna schwitzen oder sich im Fitnessraum betätigen. Aber nein, lieber in die Decke einrollen, Cocooning, so nennen das die Wohlfühl-Magazine. Der Fernseher knistert gemütlich. Darin moderiert Klaas Heufer-Umlauf die neue Show „Late Night Berlin“. Ein letzter Blick aus dem Fenster, draußen rauscht der nächste Krankenwagen vorbei. Vorhang zu.

Man wird sich an diese Stadt gewöhnen müssen, früher oder später, aber heute noch nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false