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Heute arbeiten hinter vielen Ladentheken professionelle Geschenke-Einpackerinnen.

© Oliver Berg dpa/lnw

Geschenkkolumne: Männer lassen einpacken, pfui!

Ein unverhülltes Präsent geht gar nicht. Offenbar haben die Herren die Kulturtechnik noch nicht erlernt. Dabei ist sie mehr als 150 Jahre alt.

Widmen Sie sich Ihrem Hobby, stand gestern in meinem Horoskop. Ich habe keine Hobbys. Meine Freunde verschone ich mit Selbst- gestricktem, -gebasteltem und -gehäkeltem. Und doch bin ich Stammkundin bei „Hobby Rüther“, dem Schöneberger Bastelladen mit der größten Dichte an Waren pro Quadratzentimeter in Berlin. Styroporkugeln, Textilfarben, Bast und all die anderen Schrecken meiner Kindheit, mit denen wir Handarbeitslehrerinnen und Patentanten erfreuen sollten, lasse ich rechts liegen und gehe schnurstracks in die Seidenpapierecke, mit einem kleinen Schlenker zur Klebeabteilung, wo ich mir doppelseitig haftendes Tesa besorge. Ich packe nämlich gerne ein.

Nackt geht gar nicht. Ein unverhülltes Präsent ist wie Apfelkuchen ohne Sahne. Da fehlt was. Etwas Entscheidendes. Die Liebe! Und die Spannung. Der Moment der Überraschung.

Soziologen würden es wohl Überhöhung nennen. Selbst eine Kleinigkeit wird geadelt, indem man ihr ein attraktives Kleid verpasst, Gaben von der Stange bekommen eine persönliche Note. Was natürlich heißt, dass man selber Hand anlegen muss. Das darf man weder der Verkäuferin überlassen noch der lieben Gattin. Auch wenn Männer, das ist anhand von Studien erwiesen, das gerne machen: Sie lassen einpacken. Pfui!

Vom Geruch des Handels befreit

Offenbar haben die Herren die Kulturtechnik noch nicht erlernt. Dabei ist sie schon mehr als 150 Jahre alt, wie ich bei der unterhaltsam-lehrreichen Lektüre von Judith Flanders’ „Christmas: A Biography“ gelernt habe. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Einpacken erfunden, um die eigene Scham zu verdecken: dass man nichts Selbstgemachtes, sondern was Gekauftes unter den Weihnachtsbaum legt. Durch die eigenhändige Verpackung werde die profane Ware „dekontaminiert“, wie die Kulturhistorikerin schreibt, vom Geruch des Handels und Kommerzes befreit.

Inzwischen gibt’s eine Vielzahl so malerischen Geschenkpapiers, dass man sich die Bögen am liebsten an die Wand hängen würde. Das wäre auch angemessen, denn das edle Papier ist schon mal fast so teuer wie das eigentliche Geschenk. Dazu bin ich zu geizig.

Papier und Schleifen recyceln

Dafür beherrsche ich eine andere Kulturtechnik. Das Recyceln. Als wir noch nicht mal wussten, wie man das schreibt, habe ich es in meiner Kindheit gelernt. Geschenke haben wir vorsichtig ausgepackt, den Tesafilm abgeknibbelt, die Schleife entknotet. Das Papier, viel zu schade, um es nach einmaligem Gebrauch und Sekunden der Bewunderung in die Tonne zu schmeißen, hat meine Mutter dann mit sanfter Hand glatt gestrichen. Schwer zerknitterte Exemplare wurden gebügelt. Das Band gleich mit.

Bei besonders schönem Papier mache ich das heute noch so. Weil der Output aber größer als der Input ist, gehe ich zu Hobby Rüther. Dort kaufe ich Seidenpapier im günstigen Dutzend, rot, grün, blau, türkis. Der perfekte Hintergrund für das Motiv, das ich darauf hefte. Mit besagtem Tesafilm. Uhu klebt bei mir immer nur da, wo es nicht soll.

Bunte Bildchen mit transparentem Klebestreifen auf Seidenpapier gepappt, wie eklig! Das ist ja wie Raufaser über Kabel zu tapezieren. [...] Mit ein klein wenig Hingabe und Übung sollte jede Bastelmutti mit Tubenklebsttoffen umgehen können.

schreibt NutzerIn sandbaenker

Mein Vorrat an Bildern ist unerschöpflich. Gnadenlos schlachte ich Verlagsprogramme aus, nehme Museumsflyer auseinander, zupfe Seiten aus Zeitschriften raus und schneide abgelaufene Kalenderblätter zurecht, passend zum Beschenkten. Der meist mit zarter Hand und rührendem Respekt das Päckchen öffnet. Aber es hilft alles nichts: Seidenpapier reißt. Zur Zweitverwendung ungeeignet.

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