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Die Kochs betreiben ihren Blumenladen in Halensee vierter Generation.

© Kitty Kleist-Heinrich

Der große Blumenreport: An der Schnittstelle

Heute dürfen Sträuße wild aussehen, und Millionen posten davon Bilder auf Instagram. Warum Blumen zu Designobjekten werden. Ein Report zum Muttertag.

Es gab eine Zeit, da sprachen Blumen eine Sprache, und jeder verstand sie. Wer gelbe Rosen erhielt, den wollte jemand an Neid und Untreue erinnern. Die weiße Lilie landete bei den Trauernden. Immerhin, die rote Rose hat als Symbol der Liebe überdauert. Man sagt es durch die Blume, buchstäblich.

Gelbe Rosen bindet auch Melanie Bastian bei Blumen-Koch in Halensee in einen Strauß. Die Kundin ist in Eile: Das Auto parkt in zweiter Reihe, und drin sitzt ihre Tochter, sie hat gerade ihre Doktorprüfung bestanden. Ein Tisch voller Grün und Schleierkraut trennt die stolze Mutter und die Floristin. Bastian legt eine gelbe Pfingstrose an den Strauß, greift von unten zwischen die Stängel und zieht sie schnell an den richtigen Ort.

Gelb hat sich die Kundin gewünscht, an Neid hat niemand gedacht. Das Seidenpapier knistert, als Bastian den Strauß einwickelt, die Kundin dankt und läuft Richtung Auto.

Blumen sollen weniger kosten

Blumen begleiten den Menschen durchs Leben. Schulabschluss, Valentinstag, Hochzeit, Geburtstag, Beförderung, Beerdigung. Und natürlich am Muttertag. Muttertag ist wichtig für Floristen. Nur gegen Ende des Jahres, wenn Totensonntag, der erste Advent und Weihnachten anstehen, haben die Deutschen 2017 mehr Blumen gekauft.

Aber das Geschäft hat sich verändert. Viele Jahre gaben die Deutschen 37 Euro pro Kopf für Schnittblumen aus, nun sank der Betrag auf 35 Euro, hat die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft ermittelt. Blumen sollen weniger kosten. Fast ein Drittel wird heute im Supermarkt gekauft oder beim Discounter statt beim Floristen. Vor fünf Jahren war es knapp ein Viertel. Trotzdem schreibt eine Branchenbroschüre von einer „allgemein wachsenden Nachfrage nach Grün“ und einer neuen „Lust auf Schnittblumen“. Die Sprache der Blumen, sie klingt jetzt anders.

Sie klingt anders für Duc Toan und seine Frau Truong Thi Hong Nguyen, die in einem U-Bahnhof Blumen zu niedrigen Preisen an vorbeilaufende Berliner verkaufen. Sie klingt anders für Tim Hilverling, der ein Blumenversand-Start-up gegründet hat und mittlerweile auf Firmenaufträge statt Onlineshopper hofft. Und sie klingt anders für das Team von Blumen-Koch Berlin, das sein Floristengeschäft seit 1912 betreibt und sich dafür immer weiterentwickeln muss.

Christian Koch, der Blumen-Koch mit seiner Frau Brise und Melanie Bastian führt, betrachtet in seinem Büro einen Bildschirm. Ein kleines Fenster blinkt. „Gerade sind hier drei internationale Aufträge reingeflattert“, sagt er. Aus Amerika, aus Asien oder den Emiraten bestellen sie bei ihm. An diesem Morgen will eine Kundin aus New York ihrer Oma in Steglitz einen Geburtstagsgruß schicken. „Völlig irre, wo das alles herkommt.“ Koch greift zum Telefonhörer, um die Lieferung anzukündigen.

Die Blüte als Individuum

In vierter Generation betreiben die Kochs das Fachgeschäft in Ku’damm-Nähe. Das Alter ist dem Laden nicht anzusehen, modern steingrau sind die Wände gestrichen. Die Kochs und ihre Mitarbeiter müssen sich nicht sorgen, dass Kunden fernbleiben, nur weil die Rosen im Supermarkt billiger sind. Wer hierher kommt, sucht das Handwerk, das Blumenbinden. „In diesem Wort verbirgt sich etwas, das uns vom Händler an der Straße unterscheidet“, sagt Christian Koch.

1979 übernahmen Koch und seine Frau das Geschäft seiner Eltern. Sie standen vor einer Herausforderung: „Aus einem gutbürgerlichen Restaurant ein Restaurant zu machen, in dem nie langweilig gekocht wird“, sagt er. Er bot früh Internetbestellungen an. „Unsere Kunden sind Leute mit Kultur und Lebensstil“, sagt Koch. Wenn Blumenkäufer das Geschäft verlassen, sieht er sie oft vor der Tür innehalten und ihren Strauß betrachten.

Auf der Arbeitsfläche im Laden steht der fertige Strauß von der Frau aus New York für die Oma in Steglitz. Pastellig ist er geworden. Pfingstrosen, Rosen, Schleierkraut, Flieder und Eustoma, die Japanrose, zählt Frau Koch auf. Früher waren Sträuße für die Oma rund und eng gebunden, alle Blüten auf einer Höhe. Derzeit sind Sträuße angesagt, die aussehen wie frisch von der Wiese gepflückt, wie eine Kindheitserinnerung. „Die Blüte wird als Individuum dargestellt“, sagt Christian Koch.

Zusätzliches Grün ist weniger geworden. Die Pfingstrosen, die nach Steglitz gehen, haben Platz neben den Rosen. Es ist egal, wenn etwas überragt, und das einstige Beiwerk Schleierkraut darf sich entfalten. Die Sehnsucht nach Natur und heiler Welt ist vom Biosupermarkt in den Blumenladen gezogen ...

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