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Unter Wasser. Im Hydrolaboratorium trainieren Kosmonauten Außenreparaturen an Raumschiffen in der Schwerelosigkeit.

© Ria Nowosti/ Dom Publishers

Besuch im Sternenstädtchen: Himmel auf Erden: Hinter den Mauern von Swjosdny Gorodok

Am heutigen Mittwoch startet Alexander Gerst ins All. Monatelang hat er sich hier für seinen Einsatz auf der ISS vorbereitet: im streng abgeschirmten Sternenstädtchen bei Moskau.

Alexander Lasutkin war Mitte 20, ein junger Ingenieur und noch viele Jahre davon entfernt, ins All zu fliegen, als er „einen fremden Planeten“ betrat. So sagt er es selber, und der Mund unter dem grauen Schnauzbart verzieht sich zu einem ironischen Lächeln. Seit seiner Kindheit hatte er Raumfahrer werden wollen, und nun, Anfang der 80er Jahre, durfte er zum ersten Mal den Ort besuchen, an dem all seine Idole versammelt waren. Kosmonauten waren kommunistische Gottheiten. Effektivere Propagandafiguren hat die Sowjetunion nie hervorgebracht. Ihre Gesichter druckte man auf Poster und Briefmarken, man benannte Plätze und Straßen nach ihnen; von Millionen wurden sie bewundert und geliebt. Lasutkin sah diese Götter jetzt an ihm vorbeispazieren, auf dem Weg zum Training, sah, wie sie sich auf einen Kaffee trafen oder ein Brot im Laden kauften.

Es wirkte irreal. Nicht von dieser Welt.

Der vermeintlich fremde Planet war eine Siedlung in der Nähe von Moskau namens Swjosdny Gorodok. Auf Deutsch: Sternenstädtchen. Es wurde in den 60er Jahren speziell für Kosmonauten und ihre Familien errichtet, inklusive Wohnblöcken, Schule, Laden und Kulturhaus. Die Raumfahrer sollten sich dort unter optimalen Bedingungen auf ihre Aufgaben im All vorbereiten, abgeschirmt von der Außenwelt. Lasutkin wurde später einer von ihnen. Heute arbeitet der 60-Jährige in der Raumfahrtindustrie, die Gesundheit erlaubt ihm keine Ausflüge mehr ins All; zum Gespräch empfängt er in seinem gemütlichen Zimmer in einem Veteranenhospital, wo er wegen eines Herzproblems behandelt wird. Er verbrachte viele Jahre im Sternenstädtchen, das er im Rückblick vor allem mit dem schlauchenden Training verbindet. Aber am Anfang „war es für mich ein legendenumwobener, geheimnisvoller Platz“, sagt er.

Ohne Passierschein darf niemand eintreten

Für viele ist es das noch immer. Swjosdny Gorodok hat den Kommunismus überlebt und sich einen Teil seiner Magie bewahrt. Zuletzt trainierte dort Alexander Gerst für die Zeit als Kommandant der Internationalen Raumstation ISS; am Mittwoch startet der deutsche Astronaut zu seiner Mission. Auch er schwärmte schon von der „ganz besonderen Ausstrahlung“ des Ortes. Derzeit leben dort 6000 Menschen auf drei Quadratkilometern, die Postleitzahl lautet 141160, Bürgermeister ist der 65-jährige Ex-Kosmonaut Waleri Tokarew, der vor einigen Jahren fast 188 Tage an Bord der ISS verbrachte.

Wer diesem seltsamen Überbleibsel aus einer Zeit, in der Technik und das All als Erlösung erschienen, auf die Spur kommen will, muss vom Moskauer Zentrum aus 40 Kilometer Richtung Nordosten fahren. Muss stalinistische Boulevards, gigantische Plattenbausiedlungen und Wochenendhäuschen hinter sich lassen, bis es irgendwann rechts ab in einen Wald geht. Die Straße endet nach ein paar Minuten in einer Sackgasse. Neben einem Schlagbaum stehen uniformierte Sicherheitskräfte. Für alle, die keine Kontakte in die Siedlung haben, ist hier Schluss. Swjosdny Gorodok wird von einer Mauer umgeben. Ohne Passierschein, der besonders für Ausländer schwer zu bekommen ist, darf niemand eintreten.

Gagarin hat hier nicht mehr trainiert

Alexander Gluschko lassen sie eigentlich immer gewähren. Der russische Historiker, Jahrgang 1972, ist in seiner Heimat ein bekannter Experte für die Geschichte der Kosmonautik. Auch in Deutschland ist schon ein Buch von ihm erschienen, es versammelt an die 250 Abzeichen sowjetischer Raumfahrtmissionen. „Die Planungen für das Sternenstädtchen begannen Anfang der 60er“, sagt er. „Die ersten Kosmonauten zogen 1966 hierher, anfangs war aber noch von der ,grünen Stadt‘ die Rede.“ Gluschko geht kurz ins Empfangsgebäude und wird dann durch ein Eisentor an der Seite eingelassen. Die Straße dahinter läuft geradewegs auf eine 2,50 Meter hohe Stele zu, die ein Mosaik mit dem Porträt von Juri Gagarin zeigt. Seinem Gesicht wird man in der Siedlung immer wieder begegnen.

Der Experte. Alexander Gluschko ist Historiker und Kosmonautik-Spezialist.
Der Experte. Alexander Gluschko ist Historiker und Kosmonautik-Spezialist.

© Meuser

Nach Gagarin – erster Mann im All und eine Art Zeus im Pantheon der Kosmonauten – ist auch die besonders streng bewachte Hälfte des Sternenstädtchens benannt, in die der Historiker zuerst führt: das Kosmonauten-Trainingszentrum. Es setzt sich aus fünf größeren Gebäuden zusammen, die schrittweise bis zum Anfang der 80er Jahre errichtet wurden. Sie stehen sich am Ende einer Straße gegenüber. Dazu gehört zum Beispiel ein Planetarium mit einer von Weitem sichtbaren Kuppel. Auch ein paar Wohnhäuschen gibt es in der Gegend, und auf einem Sportplatz spielen einige Männer gerade Fußball, womöglich Kosmonauten. Gagarin selbst hat hier nicht mehr trainiert, war aber in die Planungen für die Anlage involviert. Nach seinem epochalen Flug musste er sich als lebendiges Denkmal auf Anweisung der Führung schonen. 1968 starb er bei einem Flugzeugabsturz. Seine Witwe Walentina, 82, lebt bis heute in der Sternenstadt.

Die Raumfahrt war eine Waffe im Kalten Krieg

Gluschko als Neunjähriger bei einem Ausflug ins Sternenstädtchen.
Gluschko als Neunjähriger bei einem Ausflug ins Sternenstädtchen.

© privat

Für den Historiker Alexander Gluschko ist das Thema Raumfahrt Schicksal. Sein Vater Walentin war ein bedeutender Raketeningenieur, vielleicht der wichtigste des Landes nach Sergej Koroljow, jenem genialen Ingenieur hinter dem ersten Satelliten Sputnik und Gagarins Weltumrundung. Angesprochen auf seinen berühmten Vater sagt er unvermittelt: „Die Tatsache, dass ich sein Sohn bin, hat mein Leben ruiniert.“ Schon als Fünfjähriger litt er unter den hohen Erwartungen, die alle Welt an ihn stellte, später provozierte er immer wieder Ärger, um die rare Aufmerksamkeit des Vaters zu gewinnen. Manchmal funktionierte das. Einmal zeigte ihm Walentin Gluschko als Wiedergutmachung das Sternenstädtchen, wo er regelmäßig zu tun hatte. Über den Ort wurde in der Familie sonst so wenig geredet wie überall in der Sowjetunion; er fand sich auch nicht auf offiziellen Karten. Man wusste, er existiert, die Details hatten geheim zu bleiben. Die Raumfahrt war eine Waffe im Kalten Krieg – und Swjosdny Gorodok bis weit in die 90er Jahre eine rein militärische Einrichtung. Mittlerweile ist sie Teil des staatlichen Raumfahrtkonzerns Roskosmos.

An jenem Sonntag im September 1981, als er die Siedlung das erste Mal sah, durfte der damals neunjährige Alexander sogar einen Raumanzug anziehen, „ich war sehr glücklich“. Es gibt ein Schwarz-Weiß-Foto davon, auf das Gluschko jetzt blickt. „Es entstand im Hydrolaboratorium“, sagt er. Zu dem runden Gebäude, das innen in hellem Marmor gehalten ist, hat er auf der heutigen Tour keinen Zutritt. Es besitze, erklärt er, ein Wasserbecken, zwölf Meter tief, mit einen Durchmesser von 23 Metern. „Darin eine Plattform mit Löchern, auf die Nachbauten von Modulen einer Orbitalstation montiert sind, man kann sie hoch- und runterfahren“ – ganz so, als würde man ein Salatsieb ins gefüllte Spülbecken drücken. Die Kosmonauten gehen in Raumanzügen in das Bassin, Bleigewichte halten sie unter Wasser, dadurch schweben sie wie in der Schwerelosigkeit des Alls. So können sie an den Modulen Außenreparaturen üben, die während Einsätzen im Weltraum manchmal nötig sind. „Etwas Vergleichbares gibt es nur noch bei der Nasa in Houston“, sagt Gluschko.

Das Training in der Zentrifuge ist unverzichtbar

Weltweit unerreicht, zumindest was die Größe angeht, ist die Zentrifuge, zu der der Historiker als Nächstes führt. Sie ist ebenfalls in einem Rundbau untergebracht. Es handelt sich um eine 18 Meter lange Röhre, mehrere Meter im Durchmesser, an ihrem Kopf eine Raumkapsel, in die die Kosmonauten über eine Brücke einsteigen können; drinnen schnallt man sich in einem Plastiksitz fest. „Ein Monster!“, sagt Gluschko. Auf 36 Umdrehungen pro Minute bringt es dieses Gerät, das den Druck und die Fliehkräfte beim Raketenstart simuliert – und beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, wenn das Raumschiff, die Sojus-Kapsel, von 28 000 auf 800 Kilometer pro Stunde abgebremst wird. Das Training in der Zentrifuge ist unverzichtbar und zugleich ein Test, ob jemand körperlich überhaupt für die Raumfahrt geeignet ist.

Die gewaltige Zentrifuge des Kosmonautentrainingszentrums.
Die gewaltige Zentrifuge des Kosmonautentrainingszentrums.

© Haus der Kosmonauten/Dom Publishers

In zwei großen Hallen gegenüber stehen Nachbildungen der Raumschiffe und von Modulen der ISS, in Originalgröße. In einer Kapsel sitzt ein Kosmonaut in einem blauen Overall, sein Lehrer daneben erklärt ihm einige der Apparaturen. Der Schüler drückt mit einem langen Stab auf Knöpfe, die außerhalb seiner Reichweite sind.

Wieder draußen, setzt nah am Horizont lautstark ein Flugzeug zur Landung an. Gegenüber der Sternenstadt befindet sich ein kleiner Militärflughafen. „Kosmonauten machen sich von dort aus auf den Weg zu Starts im Weltraumbahnhof von Baikonur in Kasachstan“, erklärt Gluschko und deutet dann auf das Nummernschild eines Autos, das am Rand parkt. „An den Ziffern können Sie erkennen, welchem Kosmonauten es gehört.“

Alexander Lasutkin ist die Nummer 86

Die Nummerierung begann, natürlich, mit Juri Gagarin, der die 1 bekam. Das Kennzeichen von Alexander Lasutkin, dem ehemaligen Raumfahrer, lautet 086. Er startete im Februar 1997 zur Raumstation Mir, wo er als Bordingenieur ein halbes Jahr verbrachte. Damit war er eben Nummer 86 in der Reihe der sowjetischen und russischen Kosmonauten. Seine Ausbildung im Sternenstädtchen hatte fünf Jahre zuvor angefangen.

„Zu den Hoch-Zeiten musste ich 19 Stunden am Tag lernen und trainieren“, sagt Lasutkin. „Die Zentrifuge habe ich wirklich nicht gemocht, einem wird so übel und schwindlig darin. Danach habe ich jedes Mal gedacht: Warum zum Teufel wolltest du eigentlich Kosmonaut werden?“ Im Nachhinein hat sich das intensive Training ganz sicher bezahlt gemacht. Denn Lasutkins Aufenthalt in der Mir, wo damals für einige Wochen auch der deutsche Astronaut Reinhold Ewald an Bord ging, war eine Abfolge gefährlicher Pannen. Erst brach in einer defekten Luftreinigungsanlage ein Feuer aus, später rammte ein unbemannter Frachter ein Modul der Raumstation. Die Besatzung konnte die Situation jedes Mal unter Kontrolle bringen. Es heißt, sie sollen sich danach bei einem Cognac entspannt haben.

So viel war im All zu tun, dass er meist nur drei oder vier Stunden Schlaf bekommen habe, erzählt Alexander Lasutkin. Nach den Strapazen war die Rückkehr ins Sternenstädtchen dafür umso angenehmer. „Da wird man hier von den Ärzten umsorgt, und sobald man wieder richtig gehen kann, geht es zur Massage, in die Sauna oder ins Schwimmbecken – die beste Zeit meines Lebens.“ Lasutkin lacht.

In den 90ern geriet die Siedlung in arge Geldnot

Im Wald. Die Kosmonauten Juri Gagarin und German Titow bei einer Pause in der Gegend des späteren Sternenstädtchens.
Im Wald. Die Kosmonauten Juri Gagarin und German Titow bei einer Pause in der Gegend des späteren Sternenstädtchens.

© imago/ITAR-TASS

Anders als die Kosmonauten, die zugleich Militärs sind, ist er nie dauerhaft mit seiner Familie ins Städtchen gezogen. Frau und Kinder blieben in Moskau, er selbst schlief von Montag bis Samstag in einer kleinen Wohnung auf dem Gelände oder pendelte mit dem Zug; in der Nähe von Swjosdny Gorodok gibt es eine Station der Vorortbahn.

Seine Frau habe über lange Zeit die Familie ernährt, erzählt Lasutkin. Denn zumindest als angehender Raumfahrer verdiente er wenig, zumal in den 90er Jahren, als Russland nach dem Ende des Kommunismus wirtschaftlich darniederlag und sich viele Menschen von dem ernähren mussten, was sich im Garten ihrer Datscha anbauen ließ. Zu kommunistischen Zeiten hatte es im Sternenstädtchen an wenig gefehlt. Der eigene Laden führte Produkte, die es anderswo nicht gab. Lasutkin erinnert sich etwa an den damals begehrten Moldau-Wein oder exotische Früchte. Wer im Sternenstädtchen arbeitete, kaufte dort auch gern mal für Bekannte und Verwandte von außerhalb ein.

In der abgeschlossenen Atmosphäre der Weltraumsiedlung bekam Lasutkin von den Auswirkungen des Systemwechsels Anfang der 90er Jahre zunächst kaum etwas mit, das Essen in der Kantine gab es weiterhin pünktlich, und es schmeckte wie zuvor. „Einmal schickte mich meine Frau daheim los, um Brot und Milch zu kaufen. Das ganze Geld, das ich mitgenommen hatte, ging dafür drauf. Ich war völlig überrascht – das Ausmaß der Inflation war mir nicht bewusst gewesen.“ Während in Moskau allerdings nach und nach private Geschäfte entstanden, die allerlei neue Produkte anboten, wurden die Regale im Sternenstädtchen immer leerer. Eine Zeit lang vermarktete sich die Siedlung aus Geldnot stark als Touristenattraktion. Von einem Komplettpaket für 6100 Mark, Besuch im Hydrolaboratorium und Zentrifuge inklusive, berichtete im Jahr 2000 die deutsche Presse.

Matthias Platzeck war hier und brachte Gurken mit

Ein herber Absturz. In den alten Zeiten hatte man höchstens Experten, Militärs und Geheimdienstlern Zutritt gewährt – und Staatschefs. Leonid Breschnew ließ sich mehrfach auf dem zentralen Platz von Swjosdny Gorodok vor der dortigen Gagarin-Statue ablichten: mal an der Seite von Walentina Tereschkowa, der ersten Frau im All, mal mit dem Kubaner Fidel Castro. 1976 war eine Delegation der SED zu Gast. Zwei Jahre später flog Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All, zur Vorbereitung zog auch er mitsamt seiner Familie ins Sternenstädtchen (in den 90er Jahren kehrte er als Verbindungsmann der Europäischen Weltraumagentur zurück).

„Wir sind tief beeindruckt vom Aufenthalt in der Sternenstadt“, ließ Erich Honecker in den 70er Jahren das sowjetische Fernsehen wissen. Ins Gästebuch schrieben die Deutschen damals: „Hier öffnet sich dem Menschen der Blick in die Zukunft. Das Tor in das kosmische Zeitalter haben sowjetische Kommunisten aufgestoßen“; dafür gebühre ihnen „unvergänglicher Ruhm und die Anerkennung der ganzen Menschheit“.

Von dieser pathetischen Wucht der Utopie ist nicht mehr allzu viel übrig. Doch ein bisschen Glanz fällt noch ab. Alexander Lasutkin trägt in seinem Veteranenhospital das blaue Poloshirt mit dem Logo des Juri-Gagarin-Trainingszentrums. Als Kosmonaut erkannt zu werden, verbessert im Zweifel die Qualität der Behandlung. Es kommen auch weiterhin ab und zu ausländische Politiker im Sternenstädtchen vorbei: 2005 zum Beispiel Matthias Platzeck, damals Regierungschef in Potsdam und Bundesratspräsident. Als Junge hatte er Kosmonaut werden wollen, mit dem Besuch in Swjosdny Gorodok erfüllte sich Platzeck nach eigener Aussage einen Kindheitstraum. Dem deutschen Astronauten Thomas Reiter, der dort gerade die Vorbereitung auf einen Weltraumflug absolvierte, brachte er Gurken aus dem Spreewald als Proviant fürs All mit.

Den Russen fehlt es heute an Visionen

Swjosdny Gorodok aus der Vogelperspektive.
Swjosdny Gorodok aus der Vogelperspektive.

© Haus der Kosmonauten/Dom Publishers

Einige Raumfahrtfans würden sich sogar Wohnungen in der Sternenstadt kaufen, erzählt Historiker Alexander Gluschko. „Geschäftsleute, die etwas von der Aura der Kosmonautik mitnehmen wollen. Ich glaube nicht, dass das funktioniert.“ Und die Sicherheitsauflagen? „Wie heißt es so schön: Was man nicht für viel Geld kaufen kann, kann man für sehr viel Geld kaufen.“ Auf russischen Immobilienseiten im Internet findet man Angebote aus Swjosdny Gorodok. Etwa für ein Zwei-Zimmer-Apartment mit 41 Quadratmetern, Kosten: umgerechnet 45 000 Euro. Dort sieht man, wie es in den Wohnblocks ausschaut, von denen einige nur vier, andere bis zu elf Etagen haben. Die meisten sind einfach eingerichtet, schwere Sofas und Teppiche; in den höheren Stockwerken gibt es einen idyllischen Ausblick auf den umliegenden Wald.

Gluschko ist mit seiner Führung mittlerweile in der zweiten Hälfte der Stadt angelangt, wo sich eher das zivile Leben der Siedlung abspielt. Der kleine See, die gepflegten Gehwege, die Bäume und die wenigen Passanten – das alles vermittelt die beruhigende Atmosphäre eines in die Jahre gekommenen Waldsanatoriums.

Am Kulturhaus, das den Komplex abschließt, hingen früher mal die Porträts von Marx, Engels und Lenin (Letzterer findet sich noch auf einer Stele im Eingangsbereich). Innen drin gibt es heute ein kleines Museum. Im großen Saal werden Feste gefeiert und die Kosmonauten verabschiedet, die sich auf den Weg ins All machen.

„Der Fortschritt ist kein Ziel mehr“

Gluschko, der in Moskau lebt, hat sich für seine Recherchen drei Jahre lang immer wieder ins Sternenstädtchen einquartiert, schlief mal in einer Kosmonauten-Wohnung, mal im örtlichen Hotel. Er hat sogar versucht, selbst Raumfahrer zu werden, ein paar Tests absolviert, doch er wurde abgelehnt: „Man sagte mir, einen zweiten Gluschko können wir hier nicht gebrauchen.“

Bis heute kommt er regelmäßig vorbei, alter Freunde und Bekannter wegen. Die Anlage werde halbwegs gepflegt und erhalten, aber mit der allgemeinen Entwicklung ist Alexander Gluschko nicht zufrieden. Er schimpft darüber, dass die Witwen von Männern, die es nicht zu Kosmonauten geschafft haben, in Armut leben müssten. Und er sagt, dass es dem Sternenstädtchen und der russischen Raumfahrt wie dem ganzen Land an Visionen fehle. „Es gibt keinen Sinn im Leben, der Fortschritt ist kein Ziel mehr.“ Sein Vater habe noch davon geträumt, durch Technik die Zivilisation zu retten.

Ex-Kosmonaut Alexander Lasutkin hat das Sternenstädtchen wieder richtig lieb gewonnen, seit er nicht mehr jeden Tag dort sein muss. Dass er nicht noch mal ins All darf, ist bitter für ihn. „Wenn ich könnte, würde ich sofort starten. Von anderen Kosmonauten habe ich oft gehört, dass sie da oben kreativ werden und Stücke komponieren oder einfach die Erde bestaunen.“ Für beides war während seines schwierigen Aufenthalts an Bord der Mir einfach keine Zeit.

Dafür bleibt ihm Swjosdny Gorodok. Zwei, drei Mal jeden Monat schaut er jetzt vorbei. Setzt sich zu seinen alten Bekannten im Juri-Gagarin-Trainingslager. „Man trinkt einen Tee, man schwatzt ein bisschen“, sagt Lasutkin.

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