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Bereit zum Abflug. Ihr auffällig langer Schwanz macht die Blauelstern zu geschickten Fliegern.

© imago/imagebroker

Berliner Schnauzen: Tom Waits unter den Vögeln

Dass sie eine Kleptomanin sei, ist wohl eher eine üble Nachrede. Dafür hat die Blauelster viele andere Talente.

Eins vorweg: Nach dem Besuch an der Voliere war der Reporter immer noch im Besitz seiner silbrigen Schlüssel. Sein Kugelschreiber glänzt ganz ähnlich, und selbst der war später noch am Mann – und nicht im Nest. Wahrscheinlich handelt es sich also um eine Mär, dass die Elster kleptomanisch sei und alles, was glitzert, stibitze.

Das Blauelstern-Paar im Tierpark hat scheinbar nicht nur keine kriminelle Ader, es ist auch sehr zurückhaltend, und so dauert es einige Zeit, bis die beiden sich im dichten Baumwerk blicken lassen. Dann aber wird schlagartig ihr Name verständlich. Blau sind sie, tiefblau.

Ihre Größe entspricht der von Tauben, und sie besitzen einen auffällig langen Schwanz, der sie zu geschickten Fliegern macht. Der kann jedoch nicht die Erklärung sein, warum die Blauelster zwei Verbreitungsgebiete hat, die weiter kaum auseinanderliegen könnten. Man trifft sie zum einen auf der Iberischen Halbinsel an, zum anderen in Ostasien: im Süden der Mongolei, in China, Japan, Südkorea. Sicher findet man sie auch in Nordkorea, die Blauelster hält sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an politische Vereinbarungen.

Das Paar im Tierpark harmoniert schön

Warum diese zwei Verbreitungsgebiete? Gefährdet sind die Blauelstern weder hier noch da. Möglicherweise gab es mal eine durchgehende Population, die dann die Eiszeit voneinander trennte, so wie nun Nord- und Südkorea getrennt sind. Möglicherweise haben aber auch Seefahrer vor langer Zeit die blaue Elster in Portugal und Spanien eingeführt, man kennt schließlich die Gemälde, auf denen ein Vogel auf der Schulter eines holzbeinigen Kapitäns hockt. Wird schon seinen Grund haben, warum sie zu den Rabenvögeln zählt.

Gewöhnlich sind Blauelstern gesellige Gesellen, die in Kolonien leben, in friedlichem Miteinander. Singen können sie ebenfalls, es hört sich eher wie ein Krächzen an. Die Blauelster ist sozusagen der Tom Waits unter den Vögeln.

Unser einsames Paar im Tierpark harmoniert dafür sehr schön, vielleicht klappt es mal wieder mit der Nachzucht. Und spätestens wenn es an den Bau des Nestes geht, kann man dann erkennen, dass die weit gereisten Schönlinge über Intelligenz verfügen. Sie verwenden nämlich Werkzeug, wie auch bei der Nahrungssuche: Äste zum Transport toter Mäuse, Stecken zum Aufscheuchen von Insekten ... Blauelstern fressen außerdem Waldfrüchte und sogar Aas.

Zeit für einen letzten Versuch

Vielleicht sollte man den Vögeln ein Hämmerchen schenken, mit dem sie sich gegen einen ihrer natürlichen Feinde, die Schlange, erwehren könnten. Schlag drauf, Schlange tot – und der Tisch wäre reichlich gedeckt. Aber so viel Geschick ist dann doch zu viel verlangt von der blauen Elster. Lieber hochflattern und davonfliegen!

Ein bisschen kriminelles Talent steckt übrigens tatsächlich in ihr. Zur Not klaut die Elster Eier aus fremden Nestern. Als das Berliner Pärchen seine Schüchternheit abgelegt und sich an den Besucher gewöhnt hat, ist es Zeit für einen letzten Versuch, den Wahrheitsgehalt des Klischees auszutesten. Die Tiere kommen an den Zaun der Voliere geflogen. Also Hausschlüssel raus und vor den Schnabel gehalten. Aber eben: kein Interesse. Eher so ein Blick, der sagt: Schon wieder einer, der nicht fliegen kann, aber voller Vorurteile steckt.

Blauelstern im Tierpark

Lebenserwartung:  Bis zu 20 Jahren

Natürliche Feinde:  Vogeljäger (der Mensch also), Schlangen, Raubvögel

Interessanter Nachbar: Ährenpfau

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