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Der Südafrikanische Seebär ist eine Robbe. Die größten Kolonien leben in Namibia und Australien.

© imago/Westend61

Berliner Schnauzen: Seebären sind die Machos der Meere

Ihre Genitalien sind in Asien heiß begehrt, für Sex verzichten die Bullen sogar auf Nahrung. Im Berliner Zoo sind die Tiere aber bald Geschichte.

Vielleicht war es der Nervenkitzel, vielleicht die Hoffnung auf ein Erinnerungsfoto. Bis heute sind die Motive ungeklärt, mit denen sich eine Touristin im August 2014 im Bikini ins grünlich schimmernde Wasser des Seebären-Beckens im Berliner Zoo gleiten ließ.

Sie bekam ihr Foto. Doch sie hätte auch den Tod finden können. Die Seebären verhielten sich zwar meist freundlich und neugierig, erklärten die Verantwortlichen des Zoos nach dem Vorfall, doch die Zähne seien spitz und scharf, die Beißkraft enorm. Den Bären im Namen trügen die Tiere nicht umsonst.

Dabei ist der Südafrikanische Seebär natürlich kein Bär, sondern eine Robbe. Und die größten Kolonien leben auch nicht in Südafrika, sondern in Namibia und Australien. Damit nicht genug der Verwirrung: Das pusillus im lateinischen Name arctocephalus pusillus bedeutet „klein“. In Deutschland ist darum die Bezeichnung Zwergseebär geläufig. Mit einer Körpergröße von bis zu 2,50 Meter ist die Art aber die größte unter den Seebären.

Jungtiere werden mit Stangen totgeschlagen

Im Englischen nennen sie den Südafrikanischen Seebären übrigens „cape fur seal“. Das kann man als „Fellrobbe vom Kap“ übersetzen, aber auch als „Mantelpelzrobbe“. Denn bis vor Kurzem ließ die namibische Regierung jährlich zehntausende Tiere „ernten“, wie es im euphemistischen Beamtensprech hieß. Ernte bedeutet: Jungtiere werden mit Stangen totgeschlagen, damit ihr wertvolles graubraunes Fell nicht verunreinigt wird. Auch ausgewachsene Männchen sind begehrt. Ihre Genitalien bringen auf dem asiatischen Potenzmittelmarkt über 1000 Dollar pro Stück.

Woher der Glaube an die Erektionshilfe aus dem Tierreich rührt? Seebären sind die Machos der Meere. Wenn die Bullen zur Paarung an Land kommen, wird mit der durchtrainierten Schwimmerbrust das Territorium solange abgeräumt, bis es von schwächeren Nebenbuhlern bereinigt ist. Alle Weibchen, die sich im eroberten Gebiet befinden, sind dann Teil seines Harems – immerhin bis zu 50 Tiere. Aufgrund des geschäftigen Sexlebens verzichten die Bullen wochenlang auf Nahrung. Das Missverhältnis zwischen den Geschlechtern führt allerdings zu verstörendem Verhalten der sexuell frustrierten männlichen Jungseebären: Forscher dokumentierten in der Antarktis mehrfach Vergewaltigungen von Kaiserpinguinen.

Bei Zoobesuchern sind Seelöwen beliebter

Seebärin Lizzy kümmert das aggressive Brunftverhalten nicht. Mit 27 Jahren ist sie längst nicht mehr gebärfähig. Auch wollüstige Patriarchen dürften sie in ihrem Leben kaum mehr bedrängen. Die Robbenoma ist die einzig Verbliebene ihrer Art im Zoo. Ein Auslaufmodell. „Wir lassen die Seebären gewissermaßen aussterben“, sagt Revierleiter Norbert Zahmel. Die Seehunde von nebenan brauchen das Becken. Und die Seelöwen sind bei Besuchern ohnehin beliebter.

Einsam und anmutig zieht Lizzy ihre Bahnen, dreht Pirouetten unter Wasser. Dann und wann taucht sie auf, vergewissert sich kurz, dass die Welt noch da ist. Schnauft erleichtert. Doch wie lange noch? In freier Wildbahn werden Seebären kaum älter als 20 Jahre.

Die Grande Dame unter den Berliner Meeressäugern hat längst keine Zähne mehr. Fische müssen ihr mundgerecht in den Rachen geworfen werden. Sollte sich also mal wieder eine menschliche Robbenliebhaberin ins Becken verirren, muss sie nicht mehr um ihr Leben fürchten. Lizzy könnte wohl bloß noch an ihrem großen Zeh lutschen.

Südafrikanischer Seebär im Zoo

Lebenserwartung:  20 Jahre

Interessanter Nachbar: Königspinguin

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