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Rotlüchse leben in Kanada, den USA und Mexiko und verbringen den Tag am liebsten mit Dösen in Höhlen.

© imago/Nature Picture Library

Berliner Schnauzen: Rotluchs: Seifenoper im Gehege

Cecile hat keine Lust, sich zu paaren. Da hilft auch kein Casanova mehr. Nun widmet sich die Rotlüchsin im Tierpark einem anderen Hobby.

Cecile kann einfach nicht verstehen, warum im Nachbargehege schon wieder so ein Lärm ist. Es ist 15 Uhr, eigentlich Zeit für eine Siesta. Und trotzdem wird wieder rumgefiepst und rumgewuselt und rumgekämpft.

Mit verständnislosem Blick schaut Cecile den Buntmardern gegenüber zu. Wo nehmen diese schuhkartongroßen Tierchen bloß die Energie her?, mag sie sich fragen. Schlafen viel weniger als die Rotlüchsin und laufen trotzdem viel mehr.

Immerhin sind sie unterhaltsam. Ein bisschen wie eine Seifenoper. Also klettert Cecile die Äste hoch zu dem kleinen Felsvorsprung, ihrer Loge, Snacks in Form von Mäusen und Küken mit inbegriffen. Sie streckt sich einmal richtig gut aus, leckt sich die dicken Pfoten, und döst vor sich hin.

Ein warmer Spätsommertag könnte für sie nicht viel besser laufen. In freier Wildbahn wäre das überhaupt nicht anders. An manchen Tagen kann Cecile mehr als 20 Stunden schlummern. Dann sieht man ihren roten Pelz zwischen den Hecken schimmern, die Hinterbeine vom Ast baumeln, die spitzen, markanten Pinselohren lugen aus der Höhle in der Felswand heraus.

Cecile kann sich wunderbar im Gehege verstecken, sie misst nur einen knappen halben Meter, wie ein etwas üppig geratener Hauskater. Zwar werden die Weibchen eh nicht ganz so groß wie die Männchen, aber in Freiheit – in den Bergen von Mexiko, im wilden Mittleren Westen der USA, im kanadischen Grenzgebiet – werden Lüchsinnen mit 70 Zentimetern ein gutes Stück länger.

Sie hat keine Lust, sich zu paaren

Vielleicht liegt das an den unterschiedlichen Freizeitbeschäftigungen. Ceciles Artgenossen in der freien Wildbahn suchen lieber Eier, als wäre Ostern, raufen sich mit Kaninchen und fangen Vögel, als eine Marder-Telenovela zu verfolgen. Das wäre der Luchsdame, die mittlerweile auch schon 14 Jahre alt ist, alles zu viel Aufregung. Darauf hat sie einfach keine Lust mehr.

Die Lustlosigkeit begleitet sie schon seit Jahren. Sie hat zum Beispiel keine Lust, sich zu paaren. Dabei teilte sie sich lange Zeit das Gehege mit einem flotten Luchskerl, der sogar für sein Können in der Kiste berühmt und berüchtigt ist! Wie ein Nachwuchsfußballspieler wurde er immer wieder ausgeliehen an andere Zoos, ein Jahr hier, ein halbes da. Jetzt hat ihn Cottbus verpflichtet, Ablösesumme unbekannt. Vielleicht gibt es Bonuszahlungen ab dem dritten Jungtier.

Natürlich weiß man nicht, was hinter den Kulissen zwischen Cecile und dem Prachtluchs passiert ist. Eventuell ist der Casanova privat ein ganz schmieriger Typ. So etwas muss sich Cecile nicht geben. Und sowieso, die Art der Rotluchse ist nicht auf Nachwuchs angewiesen. Über eine Million leben zwischen Mexico City und Vancouver. Aber genau deswegen ist Cecile ein seltenes Tier.

Denn im Tierpark wird es nach ihr wohl keinen Rotluchs mehr geben. Zu uninteressant, meint der Kurator, schließlich laufen in anderen Zoos dutzende Luchse umher. Der Sensationsfaktor hält sich in Grenzen. Bis es soweit ist, beschäftigt sich Cecile mit ihrer Telenovela. Gerade geht es ziemlich heiß her zwischen zwei testosterongeladenen Buntmardern. Wer wohl das Herz der Dame erobert? Schalten Sie nächste Woche wieder ein!

Rotluchs im Tierpark

Lebenserwartung:  zirka 15 Jahre

Natürlicher Feind: Puma

Interessanter Nachbar: Buntmarder

Matthias Kirsch

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