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Balou und seine Mutter Kaveri toben im Zoo. Vater Rajath darf nur zugucken.

© imago/Olaf Wagner

Berliner Schnauzen: Probier's mal mit Gemütlichkeit

Lippenbären sind verspielt und lebhaft. Aber wehe, es kommt ihnen jemand zu nahe!

Neues von Balou, dem Kleinen, hier schon Bekannten, der ein ausgewachsener Lippenbär werden will. Sein Vater Rajath ist Patenbär, und zwar von Hertha BSC, jenem Fußballclub, der sich einen Bären namens Herthino als Maskottchen hält. In logischer Folge ist Balou nun Patenkind, und vielleicht darf er ja mal, wenn er groß ist, so wie in Köln der Geißbock, an der Seitenlinie kauern und Herthas Gegnern das Fürchten lehren. In dieser Saison, die für Hertha am kommenden Sonnabend mit dem Spiel gegen Stuttgart beginnt, wird es aber noch nichts werden damit.

Balou ist ja erst ein paar Monate alt. Mutter Kaveri schaut ihm zu, gelassen. Vater Rajath schaut auch zu, aber nur vom abgetrennten Nebengehege aus. Die Isolationshaft hat er sich selber zuzuschreiben. Zum einen ist so ein Lippenbär Einzelgänger und Streuner, aber auch extrem egoistisch. Zum anderen ist er stark triebgesteuert, möglicherweise schwer eifersüchtig und dann schnell aufbrausend. „Es hat Fälle gegeben bei anderen Bärenarten, dass die Familienzusammenführung gut ausgeht“, sagt Tierpfleger Marcus Röbke. Aber in der Regel neigt so ein Lippenbär dazu, das Jungtier zu erschlagen, damit die trauernde Mutter wieder heiß wird auf den erneuten Zeugungsakt.

Zwei Jahre dauert das diktierte Zölibat. Dann sollte Balou sich abgenabelt haben, in der Lage sein, allein durchs Zooleben zu tollen. So lange muss Rajath darben. Nachbar Kragenbär tut sich laut dem Gedicht von Robert Gernhardt diesbezüglich leichter.

Unangenehm und grantig? Balou?

Aber noch spielt Balou, spielt auch Kaveri, die beiden strafen damit ihren englischen Namen Sloth Bear („Faulbär“) Lügen. „Mag sein, dass es in der Natur faule Lippenbären gibt“, sagt Röbke, „unsere sind verspielt und lebhaft.“ Es geht ihnen aber auch zu gut hier. Der natürliche Feind, der Mensch, der ihn, den Lippenbär, früher in seiner Heimat Indien und vielleicht heute noch in Bulgarien schon mal über heiße Kohlen laufen ließ, um ihn am Nasenring zum Tanzen zu bringen, hier im Zoo schaut dieser Mensch nur aus sicherer Distanz. Lippenbären sind schreckhaft, „fast schon hysterisch“, sagt Röbke, und dann können sie mit der Kraft von vier Männern sehr unangenehm und grantig werden.

Unangenehm und grantig? Balou? Der kam am 24. Dezember des vergangenen Jahres zur Welt, und dass er so heißt, verdankt er einer Internetumfrage unter Berliner Tierfreunden. „Kralle“ und „Schnauze“ hätten auch noch zur Wahl gestanden. Kralle, weil der Lippenbär mit seinen mächtigen Krallen die stabilen Termitenbaue aufknackt. Schnauze, nicht als Reminiszenz an diese Kolumne, sondern weil die Tiere nach Schleifung der Termitenfestung ihre Schnauze hineinwühlen und dann, einem Staubsauger ähnlich, die bevorzugte Delikatesse einziehen.

Hier im Zoo gibt es überwiegend Obst, Mehlwürmer, Nüsse, mal ein Huhn, und im Sommer Eisbomben, eingefrorene zylinderförmige Schmankerl aus all diesen Zutaten. Das schnauzt dem Lippenbär, auch wenn er Tropenbär ist und sein Fell für unsere hiesigen Temperaturen meist nicht dick genug. Deshalb steigt er auch eher ungern ins Bade. Für ein Hühnchen mit Mango, Rosinen, Honig und Mehlwurm am Stiel wird Rajath hoffentlich seine Triebhaftigkeit kurzzeitig vergessen. ´

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