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Ssssss. Der Woma im Berliner Aquarium, auch Rotkopfpython genannt, hat einen perfekt getarnten Körper.

© Sabrina Markutzyk

Berliner Schnauzen: Die Wut des Woma

Kaum ein Mensch hat je von seiner Art gehört: Welch' Demütigung! Kein Wunder, dass der Woma sauer ist. Zeit sich abzureagieren - mit seinem doppelten Penis.

Es riecht nach Maus. Wo kommt das her? Sssss. Hinter dem Strauch nichts, die Steinhöhle leer, das Wasserloch verlassen. Mutter, Vater und Schlangenkind 1 haben alles abgesucht, aber da ist keine Maus, nirgends. Allein Kind 2 hält sich an seine artbedingte Tagespassivität, liegt seelenruhig eingerollt hinter dem Wüstengrasbüschel – und schläft.

Typisch, dass irgendwer anders auf dem Stockwerk Nagetiernachschub bekommt, nur die Womas nicht. Ssss. Kein Mensch interessiert sich für sie. All die anderen Kriecher mit ihren Angebernamen: Tigerpython, Gelbe Anakonda, Taiwan-Schönnatter! Von Understatement verstehen die nichtsssss. Jeder bestaunt sie. „Oh, riesig!“, „Wie eklig!“, tönt es allerorts in der ersten Etage des Aquariums.

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Zur Beruhigung ein bisschen mit den Grashalmen züngeln. Was soll man sonst machen? Hier gibt es nichts. Nur Sand, vier Büschel Grün, den Trinktümpel und ein paar Gänge im Felsen. Verdammte Wüstenlandschaft. Alle zwei Wochen fallen vier tote Ratten vom Himmel. Der Schlangerich bäumt sich auf. Sssss. Kein Wunder, dass er wütend ist. Von seiner Art hat kaum ein Mensch gehört. Klassifiziert hat man ihn, knapp zwei Meter lang, als „kleinwüchsige Riesenschlange“. Welche Demütigung! Der Berliner Zoo war einer der ersten, der seine Art, von der es überhaupt nur zwei Populationen gibt, beherbergte. Acht Jahre schon, und doch, kein Entzücken bei dem, der seinen Namen hört, kein Stöhnen. Stirnrunzeln, maximal.

Sie haben eine neue Tötungstechnik erfunden

Woma. Wo-was? Der Woma! Wäre er nicht hier, lebte er zusammen mit den anderen Sandpythons in der Wüste Australiens. Komforttemperatur: 30–45 Grad. Hardcore. Ihr muskulöser Körper: perfekt getarnt. Oben beige-olive Flecken, nur der Kopf leuchtet warnend nassgelborange. Tötet Nager, Echsen, Schlangen. Weil Womas gern in die Höhlen ihrer Beute einziehen, wo selten Platz zum Umschlingen bleibt, haben sie eine neue Tötungstechnik erfunden: Sie drücken ihre Beute gegen die Wand, bis die stirbt.

Trotzdem hat hier im Aquarium keiner Angst in den Augen. Aber die Wut des Woma, die muss irgendwie raus. Nachkomme 3 muss das ausbaden und haust für Besucher gänzlich unsichtbar hinter den Kulissen. Der Woma hält ihn nicht aus. Angefangen hat es damit, dass er seinen Sohn durch die gemeinsame Terrariumwohnung jagte. Dann biss er zu. Irgendwann, fürchtete ihr Pfleger Ronny Keßner, würde der Alte den Kleinen auffressen. Untypisch für ihre Art, aber es ist ja auch nicht normal, am helllichten Tag von Mäusegeruch geweckt zu werden, weil die fette Riesenpython am anderen Ende des Gangs so gefräßig ist. Seither lebt Woma jr. in Isolation.

Die Risiken der Inzucht scheren den Woma nicht

Die Damen durften bleiben. Ssssssowieso. Zeit, sich abzureagieren. Der Woma kriecht um die Woma und drüber und kratzt mit seinen zwei Penissen – dornenartige Stacheln links und rechts – an ihrer Haut. Wenn sie auch will, kratzt sie zurück. Die Woma will aber nicht. Sie gähnt. Bis es zur Paarung kommt, braucht es Monate. Nachkomme 2 schläft immer noch. Vielleicht, ja vielleicht will Kind 1? Die Risiken der Inzucht scheren den Woma nicht, das Angebot ist rar, der Zweijährige frisch gehäutet und die Penisse brauchen Beschäftigung. Wobei jede Schlange einen bevorzugten hat, sagt Keßner. Der Woma kratzt an seinem Kind herum und schlangt sich von links heran. Der rechte also.

Lebenserwartung:  20 Jahre

Interessanter Nachbar: Keiner!

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