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Schweben über den Reben. Lift nach Rüdesheim.

© Rüdesheim Tourist AG/Walter

48 Stunden weinseliges Rheintal: Weck, Woscht und Woi!

Eine Gasse wie ein XXL-Weinlokal, Dorffeste statt Diskotheken und ein Automat für den Probeschluck: Willkommen in Bingen und Rüdesheim.

10 Uhr

Blaskapelle, Weck und Worscht (Brötchen und Wurst) auf dem Teller, Wein im Glas. Die Binger trinken in geselliger Runde, auch am Morgen. Traditionell finden die Frühschoppen auf Wein- oder Hoffesten statt – oder man geht gleich über zum Sektfrühstück in der Genießerei „Alte Wache“ (Speisemarkt 3), das allerdings ohne Pauken und Trompeten.

12 Uhr

Das Rheintal ist berühmt für seine romantischen Gemäuer. Hinauf die enge Turmtreppe, und dann hat man den Blick von der Burg Klopp auf das Obere Mittelrheintal. Der Dichter Ludwig Börne bezeichnete das Panorama vor 200 Jahren als „Folter der Lust“. Mittlerweile Unesco-Welterbe. Links die schroffen Berge, geradeaus der Rhein, der die Nahe aufnimmt, mittendrin auf einer kleinen Insel der eierschalenfarbene Mäuseturm. Rechts am Hang reifen die Trauben goldgrün, dahinter liegen das Niederwalddenkmal – eine zwölf Meter hohe Germania mit Reichskrone in der erhobenen Hand – und die Stadt Rüdesheim mit ihren Fachwerkhäusern. Windig ist es hier oben. Und still. Wer will, kann auf der Burg heiraten. Viele wollen. Hochzeiten im Dreivierteltakt.

13 Uhr

Weck und Worscht in allen Ehren, langsam darf’s auch etwas gesünder sein. Das „Heimat No. 5“ (Salzstraße 5), ein ehemaliger Friseurladen, den die Inhaber in ein Café verwandelt haben, ist die Anlaufstelle für die Hipster Bingens. Backsteinwände, Kreidetafel, Schilder mit schnörkeliger Handschrift. Der Laden verkauft selbstgebackenes Brot, saftigen Zitronen-Rosmarin-Kuchen und Rhabarbersaft der Fruchtkellerei Soonwald. Alles kommt aus der Region. Wie selbstverständlich der Bio-Wein auch.

16 Uhr

Verdammt! Gerade noch in Führung gelegen, dann auf Feld Nummer 15 gewürfelt: „Lässt sich den Wein gut schmecken und versäumt dabei das Würfeln; setzt einmal damit aus.“ Obere Etage im Museum am Strom (Museumstr. 3), Sonderausstellung „Rhein im Spiel“. Das Spiel heißt Rheinreise, erschien um 1910 und beschreibt den Weg von Mainz bis Köln, am „schönsten Strom Deutschlands“ entlang. Gespielt wird mit Figuren so groß wie Kleinkinder, die man über das Feld trägt. Außerdem zu besichtigen: Dauerausstellungen zu Hildegard von Bingen, Rheinromantik und der Römerzeit.

18 Uhr

Vor dem Museum verläuft die Rheinpromenade. Über das Jahr verteilt finden hier viele Trinkfeste statt, dieses Jahr im August „4 Mal Genuss am Fluss“, so etwas wie die größte Weinprobe der Region. Eine junge Frau im sonnengeblumten Kleid fragt: „An jedem Stand ein Gläschen?“ und stellt sich damit eine anspruchsvolle Aufgabe. Mehr als 71 Winzer aus den vier an Bingen grenzenden Anbaugebieten haben insgesamt 335 Weine mitgebracht. Bingen will damit den Sprung ins Guinnessbuch der Rekorde schaffen. Je später der Abend, desto rosaroter die Wangen.

19 Uhr

In Bingen schwätzen die Menschen gern. Dazu bestellen sie einen Schoppen, einen Wein mit Limo oder Cola gemischt. Seit ein paar Jahren gibt’s den für 2,50 Euro auch to go im Supermarkt um die Ecke. „Schobbe in de Dos“ . Insgesamt bewirtschaften 40 Binger Winzer 665 Hektar. Um ihre Produkte bekannter zu machen, hat sich eine Vereinigung gegründet, der Weinsenat Binger Mäuseturm. Alljährlich wählt er einen Ehrensenator. Anne Will, Heino und Frank Schätzing haben diesen Titel bereits erhalten. Eine „Bindung zu Bingen“ sei keine Voraussetzung, die entstehe schon durch die Ernennung.

21 Uhr

Zurück ans Rheinufer: Langsam verschwindet die Sonne hinterm Berg und taucht das Tal in ein goldenes Licht. Einige Winzer packen Teelichter aus, manche knipsen ihre Lampions an. Jetzt wird‘s romantisch! Wer Party sucht, geht lieber nach Münster-Sarmsheim, knapp zwei Kilometer entfernt, da ist Kerb – also Rummel. Passender wäre ein Ausflug nach Büdesheim, zum Hoffest beim Weingut Grünewald. Dorffeste sind die Clubs des Rheintals.

Deutschlands kleinste Partymeile

Rein in den Trubel. Durch die mittelalterlichen Gassen in Rüdesheim schlendern jährlich eine Million Tagesbesucher.
Rein in den Trubel. Durch die mittelalterlichen Gassen in Rüdesheim schlendern jährlich eine Million Tagesbesucher.

© Ann-Kathrin Hipp

9.30 Uhr

Die Einheimischen haben, je nachdem, wo und wen man fragt, nur eine einzige Regel:  Das schönste an Bingen ist der Blick auf Rüdesheim. Das schönste an Rüdesheim der Blick auf Bingen. Heute geht's rüber auf die andere Flussseite. Auch wenn das Schiff, die „Ehrenfels“, erst in einer halben Stunde ablegt, hat der Kampf um die besten Plätze bereits begonnen. Mit dem Ringticket fährt man per Schiff flussabwärts nach Assmannshausen, mit dem Sessellift hoch zum Jagdschloss Niederwald, wandert zum Niederwalddenkmal, bevor es mit der Seilbahn runter nach Rüdesheim und mit dem Schiff zurück nach Bingen geht. „Das ist weit, da müsst ihr ganz viel laufen“, warnt ein kleiner Junge mit blauem Shirt und Kappe. Sein Vater schüttelt den Kopf. Drei Kilometer höchstens. Auf geht’s!

10.15 Uhr

Weil das Schiff gerade daran vorbeifährt: Der Name „Mäuseturm“, der 1516 erstmals belegt ist, leitet sich wohl von seiner Funktion als Wachturm ab, das mittelhochdeutsche Musen stand für Lauern. Die schmale Rheinstelle am Binger Loch war der perfekte Platz, um Zoll zu kassieren. Eine Legende, die man lieber hört: Bischof Hatto wurde hier als Strafe für seine Unbarmherzigkeit – er hatte seine Landsleute verhungern und verbrennen lassen – lebendig von Mäusen gefressen.

12 Uhr

Vor dem Niederwalddenkmal zu stehen, ist allein aufgrund der Größe beeindruckend. Die gesamte Anlage ragt 38,18 Meter in den weiß-blauen Himmel und wiegt 75 Tonnen. 1883 errichtet, diente sie einst als Gedenkstätte für den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und heute auch als Hintergrund fürs Gruppenbild. Etwa 40 Meter zur Linken, leben Lenny und Karlchen. Vor wenigen Wochen sind die zwei Uhus geschlüpft, jetzt sitzt Lenny auf dem Arm von Monika Dörnig und frisst ein Küken. Irgendwann, erklärt Dörnig, werden die beiden den Käfig verlassen und im Niederwald wild leben. Die Adlerwarte sei nur eine Aufzuchtstation. Gegründet von Dörnigs Vater vor 50 Jahren, um verletzte Raubvögel gesundzupflegen und die vom Aussterben bedrohten Uhus zu züchten und auszuwildern. 40 Tiere leben hier aktuell. Finanziert wird das Projekt allein durch Eintrittsgelder (4,50 Euro) und Spenden. Geöffnet ist die Warte freitags bis sonntags.

14 Uhr

Die Rüdesheimer Altstadt ist wie ein XXL-Weinlokal. In den mittelalterlichen Gassen kehren jährlich eine Million Tagesbesucher in die Wirtshäuser ein und machen den 9683 Einwohnern ihre Plätze streitig. Mitten im Zentrum und doch etwas versteckt: der Winzerhof Herbert Philipp (Steingasse 13). Seit mehr als 100 Jahren schenkt die Familie unter einem Himmel aus roten Trauben ihre Weine aus. Riesling, Rivaner oder Spätburgunder. Unbedingt die lokalen Tapas probieren, den in Öl und Essig eingelegten Wurst-Käsesalat, Spundekäs’ (Frischkäse mit Gewürzen) und Schmalz.

17 Uhr

Nur eine Straße weiter, in einem alten Fachwerkschlösschen mit roten Balken und spitzen Türmen erklingen Trompete, Schlagzeug, Posaune und mehr! Düdeldü! Ein ganzes Orchester! Aber der Raum ist leer. Die Instrumente machen eigenständig Musik, hier Siegfrieds Mechanischem Musikkabinett. Aus Liebhaberei hatte Siegfried Wendel einst begonnen, kleinste Spieluhren mit einem Vogel, der sich darauf dreht und tonnenschweren Jahrmarktsorgeln zu sammeln und zu restaurieren. 1969 wurde aus seinem Hobby das erste Fachmuseum dieser Art in Deutschland. Bis heute kann man die rund 350 Exponate in Rüdesheim sehen. Und vor allem hören.

19 Uhr

Raus aus dem Trubel, rein in die RheinWeinWelt. Im Gebäude der ehemaligen Asbach-Uralt-Brennerei sind Jetons alles, was man braucht, um Weine aus der Region zu probieren. Münze einwerfen, und schon spucken die speziell konstruierten Dispenser einen Probeschluck à 0,02 Liter aus. Zehn Jetons für zehn Euro. Las Vegas für Trinkfreunde!

20 Uhr

Übersetzungshilfe für die Drosselgasse, Deutschlands kleinste Partymeile. „Hello!“ – „Gude!“ „How are you?“ – „Gude?“ „A glass of wine, please.“ – „ En Gude, bidde.“ Rüdesheims größte Touristenattraktion ist 144 Meter lang, zwei Meter breit und hat Sitzplätze für 1500 Gäste. Schon in der Römerzeit wurde hier Wein gekeltert, danach kamen die Rheinschiffer auf der Suche nach Ablenkung, und das erste Weinhaus, der Drosselhof, eröffnete 1727. Kioske bieten Kuckucksuhren, Nussknacker und verzierte Zinnkrüge. Gaststätten Sauerbraten und Schunkelmusik. Alles da für weinseelige Nächte am Rhein. Gerade tanzen im Biergarten zwei Frauen zu kubanischer Musik. Schritt, Hüftschwung, Schritt. Eins weiter, im „Wirtshaus Hannelore“ (Drosselgasse 2), spielt eine Alleinunterhalterin ein Lied von Ed Sheeran: „Perfect“.

Reisetipps für das Rheintal

Hinkommen

Mit der Bahn von Berlin nach Bingen in sechs Stunden, Tickets ab 140 Euro hin und zurück. Alternativ mit dem Flixbus bis Mainz und von dort mit dem Zug weiter. Mehr als acht Stunden, rund 80 Euro.

Unterkommen

Am Naheufer und mit Blick zur Basilika liegt in Bingen das Hotel Würth am Freidhof, Doppelzimmer ab 120 Euro, inklusive Frühstück. wuerth-am-freidhof.de

Rumkommen

Das Ringticket kostet 15, für Kinder 7,50 Euro.

Info

Bingen: bingen.de/tourismus

Rüdesheim: ruedesheim.de

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