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Russisches Sorgenkind: Die "Angara" bei einem Test im Sommer 2014.

© Anton Novoderezhkin/picture alliance / dpa

Konkurrenz im All: Russisches Weltraumgewurschtel

Die Erfolge des US-Unternehmers Musk kratzen an der Ehre. So verkündet Moskau vollmundig neue Missionen – doch Technik und Politik machen Probleme

Seit Februar fliegt ein Elektro-Auto durchs All, ein Tesla Roadster. Auf den Weg gebracht hat ihn eine Falcon-Trägerrakete, die in dem Unternehmen SpaceX des Milliardärs Elon Musk entwickelt worden ist. In einer ersten Reaktion auf Twitter gab sich Dmitri Rogosin, bislang in der russischen Regierung für die Raumfahrt zuständig, herablassend. Musk sei zweifelsfrei ein talentierter Ingenieur, man studiere seine technologischen Lösungen und werde vielleicht sogar einige übernehmen. Aber man werde mit ihm nicht konkurrieren. Das lohne sich nicht, ließ Rogosin verlauten. Er ist stolz darauf, dass er die jahrelang kriselnde Kosmosbranche seines Landes radikal umgebaut hat. Vor zwei Jahren war eigens dafür ein neues Unternehmen mit dem sperrigen Namen Staatliche Korporation Roskosmos gegründet worden.

Rogosin redet die technischen Probleme klein

Das Ziel war klar formuliert: die „geopolitischen Gegner“ im All sollten überflügelt werden. Der traditionelle Konkurrent, die Nasa, war längst aus dem Feld geschlagen. Sie kann derzeit nicht einmal ihre Astronauten selbst ins All bringen. Die Chinesen hatte man in Moskau dagegen auf der Rechnung. Doch nun kam da dieser Elon Musk, der mächtige Trägerraketen nicht nur starten, sondern auch wieder landen lassen konnte. Und zur gleichen Zeit bekommt die russische Raumfahrtindustrie ihr vergleichbar leistungsstarkes Trägersystem „Angara“ nicht in den Griff. Man müsse die „Angara noch ein wenig dressieren“, redete Rogosin die technischen Probleme klein, während Musk einen spektakulären Start nach dem anderen hinlegte. Viele russische Twitter-Nutzer reagierten deshalb empört bis sarkastisch auf den großsprecherischen Vize-Premier Rogosin.

Putin spricht von einer Mars-Mission 2019

Es ist offenkundig: Die Erfolge des superreichen Privatmannes Musk kratzen an der Ehre der Raumfahrtnation Nummer eins, die beträchtliche nationale Ressourcen in die Waagschale wirft. Das russische Staatsfernsehen sendete unlängst eine Dokumentation, in der Staatspräsident Wladimir Putin erklärte: „Schon bald, im Jahr 2019, werden wir eine Mission zum Mars starten.“ Das Programm beginne unbemannt, aber auch bemannte Flüge seien vorgesehen.

Und es war kein Zufall, dass Putin unmittelbar vor dem Start seiner neuen Amtszeit Mitte April den aufwändig renovierten Raumfahrt-Pavillon auf der Ausstellung der russischen Volkswirtschaft im Moskauer Norden höchstselbst wiedereröffnete. Fast drei Jahrzehnte lang stand dieses Bauwerk sinnbildlich für den Bedeutungsverlust der russischen Raumfahrt. Vor der Renovierung war es in diesem Prachtexemplar stalinistischer Baukunst zugegangen wie in einem Garten-Großmarkt: Das überdimensionale Gagarin-Bild war von zunehmend ergrauenden Planen verdeckt und unter dem Glasdach wurden Blumen, Setzlinge, Elektrogeräte und Arbeitskleidung verkauft. Jetzt wird hier wieder die glorreiche sowjetische Raumfahrtvergangenheit anhand von Kopien kosmischer Apparaturen präsentiert.

Die letzte sowjetische Mond-Mission liegt mehr als 40 Jahre zurück

Was die Zukunft angeht, äußerte sich Putin bei der Eröffnung schon vorsichtiger. Im Februar habe er einen Ukas für die Konstruktion einer Trägerrakete unterzeichnet, die die Wiederaufnahme von Flügen zum Mond ermögliche, sagte der russische Präsident. Zunächst werde es Reisen in die Mondumlaufbahn gehen. Dass die sowjetische Raumfahrt auf diesem Stand schon vor 60 Jahren mit dem Lunik-Programm war, sagte der Präsident nicht. Während Musk für 2019 den Start seiner ersten Mars-Mission angekündigt hat, will Russland im nächsten Jahr sein Mond-Programm wieder aufnehmen. Im August 1976 war mit Luna 24 die letzte sowjetische Mission zum Erdtrabanten gestartet, nun soll Luna 25 folgen. In diesem Monat beginnen auf dem neuen Kosmodrom Wostotschny die Bauarbeiten für einen Starttisch. Ähnlich wie die Entwicklung der Trägerrakete „Angara“ war auch die Errichtung des Kosmodroms im Fernen Osten Russlands mit zahlreichen Problemen und Terminverschiebungen verbunden. Aber inzwischen macht Wostotschny Russland unabhängiger von dem in Kasachstan gelegenen Startplatz Baikonur.

Der Transport von US-Astronauten bringt Milliarden Dollar

Ein gewaltiges Problem gibt es jedoch für die hochfliegenden Pläne. „Gott sei Dank, diese Sphäre berührt sich nicht mit der Sphäre der Politik“, sagte Putin bei der Eröffnung des Kosmos-Pavillons in Moskau. Die Raumfahrt war bislang tatsächlich eine der Sphären, in denen die Ost-West-Zusammenarbeit noch recht gut funktioniert. Doch in dem derzeitigen Wechselspiel von Sanktionen und Gegensanktionen könnten gemeinsame Projekte rasch in Gefahr geraten. An der Kooperation verdiente Russland gut: Allein der Transport von 36 US-Astronauten mit Sojus-Raketen zur internationalen Raumstation ISS in den Jahren 2012 bis 2017 bescherte dem russischen Staatshaushalt Einnahmen von 2,3 Milliarden Dollar. Bis 2019 laufen Verträge mit den USA über die Lieferung von Antrieben für die Trägerraketen Atlas und Antaris und an die ESA werden Trägerraketen vom Typ Sojus ST. Inzwischen wird in Moskau im Zuge möglicher Gegensanktionen gegen die USA überlegt, ob Roskosmos künftig Verträge mit dem Westen schließen darf. Die Entscheidung soll noch im Mai fallen.

Rogosin wird dem Vernehmen nach der künftigen Regierung nicht mehr angehören. Auch das wäre ein Zeichen dafür, wie sehr Elon Musk die Raumfahrtnation Nummer eins aufgeschreckt hat.

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